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Erscheinung:17.10.2016 | Thema SSM Zwei Jahre SSM: Viel erreicht, noch viel zu tun

Seit dem 4. November 2014 wird die Bankenaufsicht in der Eurozone durch den SSM ausgeübt, den einheitlichen Aufsichtsmechanismus. Seitdem hat die Europäische Zentralbank (EZB) bei der laufenden Aufsicht über die rund 130 größten Bankengruppen des Euroraums (SIs) die Federführung.

In der Praxis arbeitet sie dabei eng mit den national zuständigen Behörden (NCAs) zusammen. Aufgabe der NCAs ist zudem weiterhin die Aufsicht über kleinere Institute (LSIs), deren Mehrheit – rund 1.600 Institute – die BaFin mit Unterstützung der Deutschen Bundesbank in Deutschland beaufsichtigt.

Die Integration der europäischen Bankenaufsicht war und ist ein Vorhaben historischen Ausmaßes, das die EZB wie auch die 19 beteiligten NCAs vor große Herausforderungen stellt. Gut zwei Jahre, nachdem der SSM den Dienst aufgenommen hat, zieht das BaFinJournal erneut eine Zwischenbilanz: Wie haben sich Aufsichtspraxis und -standards verändert, wo sind Erfolge zu verzeichnen und an welchen Stellen gilt es nachzubessern?

Erfolgreicher Start in eine neue Aufsichtswelt

Zunächst einmal kann festgestellt werden: Der Start des SSM ist gelungen, und er befindet sich auf einem guten Weg. Seine Einführung war ein enormer Kraftakt, für den der EZB und den beteiligten nationalen Behörden, aber auch den beaufsichtigten Instituten großer Respekt gebührt. Durchaus mit Erfolg wurde das kritische erste Jahr gemeistert, in dem alle Prozesse neu waren. Im zweiten Jahr waren einige Abläufe dann schon erprobt, sowohl innerhalb der EZB als auch zwischen EZB und NCAs.

Dennoch ist der SSM – das kann getrost so formuliert werden – noch nicht am Ziel angelangt: Vielmehr gilt es noch einige entscheidende Nachbesserungen vorzunehmen, um das Ziel einer sinnhaft vereinheitlichten, effektiven und effizienten Bankenaufsicht zu erreichen.

Governance: Ziel ist mehr Aufsicht, weniger Koordination

Eine der zentralen Herausforderungen des SSM wird es sein, die übergreifende Governance zu überarbeiten, also die Entscheidungsprozesse und die Verteilung der Kompetenzen. Aktuell müssen alle wesentlichen Entscheidungen im SSM von den 25 stimmberechtigten Mitgliedern des obersten Gremiums getroffen werden, dem Supervisory Board. Zusätzlich hat der EZB-Rat sie zu bestätigen, da gemäß den EU-Rahmenverträgen nur er befugt ist, Entscheidungen mit Außenwirkung zu treffen.

Auf einen Blick:Wichtige Abkürzungen und Konzepte

  • SSM: Single Supervisory Mechanism (einheitlicher Aufsichtsmechanismus)
  • NCAs: National Competent Authorities (national zuständige Behörden)
  • SIs: Significant Institutions (größte Bankengruppen des Euroraums)
  • LSIs: Less Significant Institutions (kleinere Institute)
  • SREP: Supervisory Review and Evaluation Process (aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess)
  • Säule 1: Mindestkapitalanforderungen an Kreditinstitute gemäß europäischer Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV)
  • Säule 2: (Kapital-)anforderungen aus dem SREP

Schon bei den von der EZB direkt beaufsichtigten Institutsgruppen betrifft das eine vielfältige Themenpalette. Sie reicht von der Beurteilung von Geschäftsplänen bis hin zur Genehmigung von Modelländerungen. Darüber hinaus entscheidet das Aufsichtsgremium alle sogenannten gemeinsamen Verfahren für die rund 3.500 Kreditinstitute im SSM-Raum: Es vergibt und entzieht Lizenzen und erteilt Genehmigungen für den Erwerb größerer Beteiligungen (Inhaberkontrollverfahren). Dass es nicht zielführend sein kann und zu unnötigem administrativem Aufwand führt, wenn sich ein hochrangiges Gremium mit so vielen Themen befasst, liegt auf der Hand.

Die zentrale Entscheidungsfindung war auch mit dem Ziel eines SSM-weit einheitlichen Aufsichtshandelns eingerichtet worden. Dieses Level Playing Field wird im SSM zudem dadurch gewährleistet, dass nicht nur die EZB, sondern auch die NCAs jede einzelne Entscheidungsvorlage einsehen und kommentieren können. Hierdurch sinkt die Möglichkeit, Sonderregelungen für einzelne Institute zu treffen. Es scheint jedoch notwendig, sich im Spannungsfeld zwischen (notwendiger) Kontrolle und (beschränkten) Kapazitäten dahingehend zu fokussieren, dass sich die Aufmerksamkeit des Aufsichtsgremiums auf kritische oder grundsätzlich bedeutsame Entscheidungen richtet.

Ein Beispiel: Früher war die Eignungsprüfung von Geschäftsführern und Aufsichtsräten in der BaFin Aufgabe des jeweils zuständigen Aufsehers; die Einbindung weiterer Hierarchiestufen hing von der Bedeutung des Instituts ab. Im SSM erfolgt nun ein komplexer Abstimmungsprozess zwischen der jeweiligen NCA, den Fach- und den Querschnittsabteilungen der EZB, ihrem Senior Management und schließlich allen Mitgliedern des Aufsichtsgremiums. Vor diesem Hintergrund unterstützt die BaFin ausdrücklich aktuell laufende Bemühungen, mehr Kompetenzen auf die Arbeitsebene zurückzudelegieren. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die Zahl der Entscheidungsverfahren weiter zunimmt: Waren es im Jahr 2015 noch insgesamt knapp 980 schriftliche Verfahren mit circa 2.000 Einzelentscheidungen, so wurde bereits Mitte August dieses Jahres das tausendste schriftliche Verfahren eingeleitet.

Gemeinsame Aufsichtsteams: Vertrauen als Ausgangsbasis

Die Zusammenarbeit in der täglichen Aufsichtspraxis hat sich seit dem Start des SSM zunehmend verbessert. Mitarbeiter von BaFin und Bundesbank, der EZB und anderer NCAs sind im SSM zu Gemeinsamen Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams – JSTs) zusammengeschlossen, die einzelne Institute gemeinsam beaufsichtigen. Es ist ganz natürlich, dass die Arbeit in den JSTs angesichts räumlicher Distanz, mehrdimensionaler Berichtspflichten und unterschiedlicher Aufsichtskulturen nicht vom ersten Tag an reibungslos verlief. Inzwischen ist man jedoch in dem Bemühen, ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens zu schaffen, ein gutes Stück vorangekommen. Die BaFin freut sich über die erreichten Fortschritte.

Umso wichtiger ist es, Kapazitäten so zu nutzen, dass die Aufsicht möglichst effektiv erfolgt. Die durchaus wichtigen Querschnittsvergleiche und die Erarbeitung von Standards dürfen nicht zulasten der bereits stark beanspruchten Kapazitäten der JSTs gehen. Zudem funktionieren Kommunikationsabläufe und Transparenz in den Teams noch nicht immer einwandfrei – eine Schwierigkeit, der man trotz unterschiedlicher Standorte und Sprachen besser Herr werden muss.

Einheitlicher Überprüfungsprozess: Instrument in der Entwicklung

Analog zur jährlichen Risikoprofilerstellung, die die deutsche Aufsicht bereits vor dem SSM praktiziert hat, gibt es für die SIs einen einheitlichen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP). Dieser führt nicht nur zu einer Benotung, sondern zieht institutsindividuell auch spezifische aufsichtliche Anforderungen nach sich. Dazu können auch zusätzliche Säule-2-Kapitalanforderungen gehören, die die fixe Säule-1-Mindestanforderung ergänzen. Der Vorteil eines solchen Vorgehens liegt auf der Hand: Die Beurteilung aller signifikanten Institute nach gleichem Prozess und auf Basis derselben Kriterien ist Grundlage des angestrebten Level Playing Fields.

Der SREP wurde 2016 zum zweiten Mal durchgeführt. Es ist bemerkenswert, an wie vielen Stellen es bereits gelungen ist, gemeinsame Bewertungsstandards zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger, aber auch ressourcenintensiver Schritt hin zu einer einheitlichen Bankenaufsicht, der die Qualität der Aufsicht insgesamt verbessern wird. Das Ziel ist aber auch hier noch nicht erreicht: Gemeinsam mit der EZB und anderen NCAs arbeitet die BaFin noch an der Klärung kritischer methodischer und prozessualer Fragen.

Zwei Dinge sind hierbei aus Sicht der BaFin wichtig: Zum einen darf das Ergebnis bei aller Harmonisierung natürlich nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein, sondern die Anforderungen müssen SSM-weit hoch sein. Es darf nicht der Eindruck entstehen – gerade auch für deutsche Institute –, dass seit der Einführung des SSM die Standards gesunken seien. Zum anderen legt der SREP starkes Gewicht auf quantitative Aspekte, was die Möglichkeit europaweiter Analysen erweitert und die Aufsichtspraxis bereichert. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass durch den Fokus auf die Quantifizierung einzelner Risikoarten der aufsichtliche Blick aufs Ganze an Bedeutung verliert. Die BaFin hat gute Erfahrungen damit gemacht, nicht nur (von den Instituten gelieferte) Zahlen zu betrachten, sondern beispielsweise auch gezielt Entscheidungsprozesse in den Unternehmen zu prüfen. Sie setzt sich daher dafür ein, den bisweilen mechanistischen und formularhaften Ansatz im aktuellen SREP zu vereinfachen, um mehr Raum für eine hellwache, ganzheitliche Aufsicht zu schaffen.

LSI-Aufsicht: Das richtige Maß finden

Die Aufsichtspraxis hinsichtlich der weniger bedeutenden Banken hat sich bisher infolge des SSM nur wenig verändert. Die direkte Aufsicht erfolgt in Deutschland weiterhin durch die BaFin, in bewährter Weise laufend unterstützt durch die Deutsche Bundesbank. Die EZB ist unmittelbar nur für die gemeinsamen Verfahren zuständig, von denen weiter oben bereits die Rede war. Zusätzlich übt sie eine indirekte Aufsicht aus, beispielsweise durch Berichtspflichten, die Harmonisierung der Aufsichtsprozesse oder auch horizontale Quervergleiche im gesamten SSM-Gebiet. Laut Danièle Nouy, der Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums, strebt die EZB nicht an, die gesamte direkte Aufsicht über LSIs zu übernehmen; vielmehr versteht sie sich als Kontroll- und Kooperationsinstanz.

Ein zentrales Projekt des SSM ist die Einführung eines einheitlichen SREP auch für die LSIs. Um sicherzugehen, die Vorgaben der entsprechenden Leitlinie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA zu erfüllen, hat die BaFin gemeinsam mit der Bundesbank bereits dieses Jahr einen eigenen LSI-SREP eingeführt. Nun wirkt sie, auch weil in Deutschland mehr als die Hälfte der LSIs beheimatet ist, besonders intensiv an einer SSM-weiten Standardsetzung mit. Dabei setzt sie sich für eine schlanke, aber effektive Lösung ein, die weder die Aufseher noch die Institute über Gebühr belastet. Dem Prinzip der Proportionalität folgend, sollte der Aufwand für unproblematische Institute so gering wie möglich ausfallen, damit ausreichend Zeit und Energie für die Aufsicht über die problematischen Institute bleibt.

Wichtig aus Sicht der BaFin ist zudem eine Harmonisierung mit Augenmaß: Aus guten Gründen ist die Aufsicht über LSIs bei den nationalen Behörden verblieben, was durch unnötig granulare SSM-Regelungen nicht konterkariert werden sollte.

Ausblick

Der SSM ist ein gemeinsames Vorhaben von EZB und NCAs. Ihn in so kurzer Zeit zu errichten, war eine Aufgabe von höchster Komplexität. Zu Recht sind alle Beteiligten stolz auf die erreichten Erfolge: Der SSM befindet sich mittlerweile im laufenden Betrieb, viele Abläufe sind gut eingespielt, die Beteiligten kennen sich, und das Vertrauen zueinander wächst von Tag zu Tag. Dennoch ist der einheitliche Aufsichtsmechanismus noch weit vom Zielzustand entfernt. Die Integration ganz unterschiedlicher Aufsichtskulturen, Sprachen und Bankensysteme unter einem Dach bleibt ebenso eine Herausforderung wie die Nachjustierung bei wichtigen Themen wie Governance und SREP. Die BaFin ist fest entschlossen, das Projekt SSM auch in Zukunft nach Kräften zu unterstützen.

Und am Horizont zeichnen sich bereits weitere große Herausforderungen ab. Denn der gemeinsame Aufsichtsmechanismus ist nur ein Eckpfeiler der europäischen Bankenunion: Aktuell beginnt die Umsetzung der einheitlichen Abwicklung, perspektivisch folgt dann die europäische Einlagensicherung.

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