BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:17.10.2016 | Thema Investmentfonds Kreditfonds: Darlehensvergabe durch alternative Investmentfonds

Mit dem OGAW-V-Umsetzungsgesetz hat der deutsche Gesetzgeber nicht nur die europäische OGAW-V-Richtlinie umgesetzt, sondern auch Regeln zur Darlehensvergabe durch alternative Investmentfonds (AIF) eingeführt. AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften – nicht jedoch OGAW – dürfen nun unter bestimmten Voraussetzungen für Rechnung von geschlossenen Spezial-AIF Gelddarlehen vergeben, also „Kreditfonds“ auflegen.

Europäische Rechtslage

Hintergrund ist die europäische Rechtslage: Nach den Verordnungen über Europäische Risikokapitalfonds (Regulation on European Venture Capital FundsEuVECA-VO), über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (European Social Entrepreneurship Funds RegulationEuSEF-VO) und über Europäische langfristige Investmentfonds (European Long-Term Investment Funds RegulationELTIF-VO) zählen Darlehen, die von einem EuVECA, EuSEF oder ELTIF an ein qualifiziertes Portfoliounternehmen gewährt werden, zu den Vermögensgegenständen, in die ein solcher Fonds investieren kann. Da es sich bei EuVECA, EuSEF und ELTIF um AIF handelt und die Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers DirectiveAIFM-Richtlinie) eine Darlehensvergabe durch AIF nicht verbietet, ist diese nach Auffassung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA als Teil der kollektiven Portfolioverwaltung des AIF anzusehen und damit unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Eine Abfrage der ESMA hat zudem gezeigt, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten die Darlehensvergabe durch AIF entweder im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis oder aufgrund expliziter gesetzlicher Regelungen zulassen. Im April dieses Jahres legte die ESMA dem Europäischen Parlament, der Kommission und dem Rat außerdem eine Stellungnahme vor, in der sie aufführt, welche Aspekte die Kommission bei der Erarbeitung eines europaweiten Regelwerks für eine Darlehensvergabe durch AIF berücksichtigen sollte.

Deutsche Regeln für die Darlehensvergabe

Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber Regelungen zur Darlehensvergabe sowie zur Restrukturierung von Darlehensforderungen durch AIF in das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) aufgenommen. Laut Gesetzesbegründung können „nicht-bankgestützte Finanzierungsformen wie eine Kreditvergabe durch AIF einen wichtigen Beitrag für die Finanzierung der Realwirtschaft bilden und eine sinnvolle Erweiterung der mittelbaren Investitionsmöglichkeiten für bestimmte Anlegergruppen bieten“. Auf der anderen Seite seien mit der der Vergabe von Gelddarlehen außerhalb des Anwendungsbereichs des Kreditwesengesetzes (KWG) erhebliche Risiken verbunden. Zu diesen Risiken gehören etwa die erhöhte Anfälligkeit des Finanzsystems für Regulierungsarbitrage, Prozyklizität und exzessives Kreditwachstum.

Daher sind der Darlehensvergabe durch AIF Grenzen gesetzt. Das KAGB sieht vor, dass Gelddarlehen grundsätzlich nur für Rechnung von geschlossenen Spezial-AIF vergeben werden dürfen, also von geschlossenen AIF, deren Anteile nur von professionellen und semiprofessionellen Anlegern erworben werden dürfen. Eine Darlehensvergabe für Rechnung von geschlossenen Spezial-AIF ist darüber hinaus an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Die Möglichkeit der Kreditaufnahme dieser AIF ist auf 30 Prozent ihres Kapitals begrenzt. Dies soll ein exzessives Kreditwachstum und Prozyklizität verhindern.

Des Weiteren darf die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft für Rechnung des AIF keine Gelddarlehen an Verbraucher vergeben. Als Grund nennt der Gesetzgeber den Verbraucherschutz. Zudem ist aus Gesichtspunkten der Risikostreuung die Darlehensvergabe pro Kreditnehmer auf 20 Prozent des AIF-Kapitals begrenzt.

Und schließlich hat eine AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft, die für Rechnung eines AIF Darlehen vergibt, auch besondere Vorgaben an das Risikomanagement einzuhalten. So hat sie über eine Aufbau- und Ablauforganisation zu verfügen, die dieser Tätigkeit und deren Umfang angemessen ist. Sie muss insbesondere Prozesse für die Bearbeitung der Darlehen, die Kontrolle der Bearbeitung und die Behandlung problematischer Darlehen sowie Verfahren zur Früherkennung von Risiken vorsehen.

Definition:Investmentfonds: Wichtige Begriffe

Investmentfonds: Organismus für gemeinsame Anlagen, der von mehreren Anlegern Kapital einsammelt, um es nach einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen der Anleger zu investieren, und der kein operativ tätiges Unter-nehmen außerhalb des Finanzsektors ist.

OGAW: Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren. Investment-vermögen, dessen ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren oder anderen liquiden Finanzanlagen zu investieren und dessen Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens dieses Organismus zurückgenommen oder ausgezahlt werden.

AIF: Alternativer Investmentfonds. Alle Investmentvermögen, die keine OGAW sind.

Spezial-AIF: AIF, dessen Anteile – in Abgrenzung zum Publikumsinvestment-vermögen – nur von professionellen und semiprofessionellen Anlegern erworben werden dürfen.

Kreditfonds: Begriff nicht legal definiert. Verwendung in der Branche für Fonds, die originär Darlehen vergeben, sowie für Fonds, die in unverbriefte Darlehensforderungen investieren (sekundärer Erwerb).

Private-Equity-Fonds: Fonds, die in Unternehmen investieren, bei denen sie eine gute Entwicklung erwarten.

Venture-Capital-Fonds: Fonds, die in neuartige und innovative Unternehmen investieren, die sich in der Gründungs- und Wachstumsphase befinden.

Erleichterungen für Gesellschafterdarlehen

Für die Vergabe von Gesellschafterdarlehen – also von Darlehen an Unternehmen, an denen der Spezial-AIF selbst beteiligt ist – sieht das KAGB Erleichterungen vor, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Erleichterung besteht zum Beispiel darin, dass die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft die Kreditaufnahmegrenze von 30 Prozent des AIF-Kapitals nicht einhalten muss.

Insgesamt dürfen nur 50 Prozent des AIF-Kapitals für Gesellschafterdarlehen verwendet werden. Die Erleichterungen greifen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • der Darlehensnehmer ist ein Tochterunternehmen des AIF
  • es handelt sich um ein nachrangiges Darlehen
  • die Darlehen überschreiten nicht das Zweifache der Anschaffungskosten der an dem Unternehmen gehaltenen Beteiligungen

Der Gesetzgeber begründet die Erleichterungen bei Gesellschafterdarlehen mit den praktischen Bedürfnissen von Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds. Hier sei der Einsatz von Gesellschafterdarlehen als flexibles Element der Unternehmensfinanzierung angezeigt.

Restrukturierung von Darlehensforderungen

Bereits vor Inkrafttreten des OGAW-V-Umsetzungsgesetzes durften AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften für Rechnung von AIF unverbriefte Darlehensforderungen erwerben. In der Praxis ergab sich nach einem solchen Erwerb aber häufig das Problem, dass die Verwaltungsgesellschaft auf eine Leistungsstörung des Darlehensnehmers nicht adäquat reagieren konnte, zum Beispiel durch eine Prolongation oder durch eine Änderung der Tilgungsbestimmungen: Nach der früheren Verwaltungspraxis war eine nachträgliche Änderung der Darlehensbedingungen unter Umständen als Kreditvergabe im Sinne des KWG zu werten und konnte damit nicht von einer AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft vorgenommen werden.

Das OGAW-V-Umsetzungsgesetz hat nun klargestellt, dass nachträgliche Änderungen der Darlehensbedingungen, sogenannte Restrukturierungen, nicht als Darlehensvergabe anzusehen sind. Darunter fallen etwa die Prolongation eines Darlehens, eine Anpassung der Tilgungsbestimmungen oder eine Änderung der Zinslasten. Ziel des Gesetzgebers war es, die Handlungsmöglichkeiten für AIF zu erweitern, damit diese unverbriefte Darlehensforderungen, in die sie investiert sind, effektiver verwalten können.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback