BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:15.12.2016 | Thema Makroaufsicht EU-Kommission macht Vorschläge zur Stärkung des Bankensektors

Die Europäische Kommission hat ein umfassendes Paket von Reformvorschlägen vorgelegt, das den Regulierungsrahmen für die Finanzmärkte vervollständigen soll, der als Konsequenz aus der Finanzkrise in den vergangenen Jahren geschaffen wurde.

Ziel der Maßnahmen ist es, Risiken zu mindern und damit die Finanzstabilität zu erhöhen und das Vertrauen der Märkte in den europäischen Bankensektor zu stärken. Konkret soll dies erreicht werden durch

  • die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken und Investmentfirmen in der EU,
  • die Verbesserung der Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und damit die Wirtschaft in der EU zu unterstützen und
  • die Unterstützung der Banken bei der Schaffung tieferer und liquiderer Kapitalmärkte in der EU.

Änderungen an CRR, CRD IV, BRRD und SRM-Verordnung

Das Paket enthält Vorschläge zur Ergänzung der Eigenmittelverordnung (Capital Requirements Regulation – CRR) und -richtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) sowie der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD) und der Verordnung über einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism Regulation – SRMR). Diese setzen internationale Standards in EU-Recht um, tragen dabei laut Kommission aber europäischen Besonderheiten Rechnung und sollen dafür sorgen, dass unangemessene Auswirkungen auf die Finanzierung der Realwirtschaft vermieden werden.

Neben zusätzlichen Regeln zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken gegen mögliche Schocks schlägt die Kommission auch Änderungen an bestehenden Vorgaben vor, um den Regulierungsrahmen wachstumsfreundlicher zu gestalten und besser auf Komplexität, Größe und Geschäftsprofil der Banken abzustimmen. Ferner will sie Maßnahmen zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Investitionen in die Infrastruktur einführen. Das Europäische Parlament und der Rat werden sich nun mit den Gesetzgebungsvorschlägen befassen.

Die Änderungsvorschläge der Kommission greifen vor allem Elemente des Regulierungsrahmens auf, den der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht BCBS und der Finanzstabilitätsrat FSB kürzlich vereinbart haben. Ziel ist es insbesondere, die Widerstandsfähigkeit der europäischen Institute zu stärken und die Aufsicht über grenzüberschreitende Bankengruppen zu verbessern.

Refinanzierung, interne Modelle und Leverage Ratio

So unterbreitet die Kommission gemäß ihrem Auftrag aus Artikel 510 Absatz 3 der CRR einen Vorschlag für die Einführung einer Kennzahl zur stabilen Refinanzierung. Dieser ist an die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio – NSFR) des Basler Ausschusses angelehnt, weicht jedoch partiell davon ab, insbesondere bei der Behandlung von Derivaten. Es bleibt abzuwarten, ob diese Abweichung im weiteren Verlauf der Verhandlungen beibehalten wird. Aus Sicht der BaFin wäre hier aber eine möglichst hohe Baselkonformität zu begrüßen.

Überdies setzt die Kommission im Rahmen der Überarbeitung der CRR den Standard zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für Marktpreisrisiken um, den der BCBS im Januar 2016 veröffentlicht hat und das Ergebnis einer grundlegenden Überarbeitung der Handelsbuchvorschriften ist. Der Standard gibt zum einen neue Regeln für die Zulassung interner Modelle vor und konzipiert zum anderen einen deutlich risikosensitiveren Standardansatz, der auch als Rückfalllösung für abgelehnte oder zurückgezogene Modellanträge geeignet ist. Der neue Standardansatz ist daher deutlich komplexer gestaltet als der derzeitige und setzt eine deutlich höhere Qualität und Quantität der verwendeten Daten voraus. Als Ausgleich hierfür sind Ausnahmen vorgesehen: Die Kommission schlägt vor, den Schwellenwert für die Ausnahmeregelung für Handelsbuchtätigkeiten von geringem Umfang nach Artikel 94 CRR deutlich heraufzusetzen und überdies einen zweiten höheren Schwellenwert zu definieren, ab dem die Anwendung des BCBS-Standards verpflichtend ist. Institute mit Handelsbuchtätigkeiten unterhalb dieses neuen Schwellenwerts könnten dann die Eigenkapitalunterlegung für Marktrisiken bis auf weiteres nach dem alten Standardansatz berechnen.

Im Hinblick auf die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) sieht der Entwurf der Kommission eine verbindliche Kernkapital-Anforderung in Höhe von 3 Prozent vor. Der Text enthält zudem Anpassungen der Risikopositionsmessgröße, beispielsweise um die Berechnung von Derivate-Positionen an die Baseler Vorgaben anzugleichen. Auch schlägt die Kommission vor, bestimmte Risikopositionen – zum Beispiel die Kreditvergabe an den öffentlichen Sektor durch öffentliche Förderbanken, Durchleitungskredite oder staatlich unterstützte Exportkredite – bei der Berechnung der Leverage Ratio nicht zu berücksichtigen. Die Ausgestaltung zusätzlicher Anforderungen für global systemrelevante Institute lässt die Kommission zunächst offen. Diese soll sich an den Vorgaben des Basler Ausschusses orientieren, die allerdings noch ausstehen.

Großkreditregeln, Konsolidierung und Banken aus Drittstaaten

Auch für die Großkreditregeln schlägt die Kommission in ihrem Entwurf weitreichende Änderungen vor. Diese sollen insbesondere das Großkreditregelwerk umsetzen, das der BCBS im April 2014 veröffentlicht hat. Ein zentraler Aspekt ist dabei, dass Ergänzungskapital nicht mehr zur Bestimmung der Großkreditobergrenze herangezogen werden und die Bezugsgröße künftig nur noch das Kernkapital eines Instituts sein soll. Ebenso sieht der Entwurf eine neue Obergrenze für Kredite systemrelevanter Institute an andere systemrelevante Institute in Höhe von 15 Prozent des Kernkapitals vor. Eine Erleichterung für kleine Institute soll es nach dem Willen der EU-Kommission bei den Meldepflichten geben. Kleine Institute sollen ihre Großkreditmeldungen nur noch jährlich statt vierteljährlich abgeben.

Im Bereich Konsolidierung sollen durch verschiedene Änderungen an CRR und CRD IV Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften stärker in den aufsichtsrechtlichen Fokus rücken. Insbesondere ist vorgesehen, dass diese zukünftig eine aufsichtliche Genehmigung benötigen. Zudem sollen sie auf konsolidierter Ebene für die Finanzholdinggruppe beziehungsweise gemischte Finanzholdinggruppe, an deren Spitze sie stehen, direkt für die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen verantwortlich sein.

Darüber hinaus sieht der Vorschlag der Kommission vor, dass Drittstaatenbanken, die in der EU mehr als ein Tochterunternehmen haben, unter bestimmten Voraussetzungen ein zwischengeschaltetes europäisches Mutterunternehmen gründen müssen. Dies soll dann gelten, wenn es sich um global systemrelevante Bankengruppen aus Drittstaaten handelt oder die zusammengefasste Bilanzsumme der europäischen Institutstöchter und Niederlassungen 30 Milliarden Euro überschreitet. Die Kommission will so eine etwaige Stabilisierung und Rekapitalisierung von Drittstaatenbankentöchtern erleichtern. Damit greift sie eine vergleichbare Regelung aus den USA auf.

Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit

Weiterer wesentlicher Bestandteil des Reformpakets ist die geplante Umsetzung des globalen Standards zur Gesamtverlustabsorbtionsfähigkeit (Total Loss-Absorbing Capacity –TLAC). Die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit setzt sich aus den Eigenmittelanforderungen nach Basel III und Verbindlichkeiten mit besonderer Eignung für die Umwandlung in Eigenkapital zusammen. Sie soll nach dem Vorschlag der Kommission, an dem die BaFin beratend mitgewirkt hat, in die bereits für alle europäischen Banken geltende Mindestanforderung an berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement of Eligible Liabilities – MREL) eingebunden werden.

Auf einen Blick:TLAC-Anforderungen

Der TLAC-Standard verlangt von den global systemrelevanten Banken, ab 2019 Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten von mindestens 16 Prozent der risikogewichteten Aktiva und 6 Prozent der Berechnungsgröße für die Verschuldungsquote (Leverage Exposure) vorzuhalten. Ab 2022 liegt die Anforderung dann bei 18 beziehungsweise 6,75 Prozent.

Derzeit legen die zuständigen Abwicklungsbehörden MREL individuell für jedes Institut fest, unter anderem unter Berücksichtigung der für das Institut vorgesehenen Abwicklungsstrategie. Die Mindestanforderungen des TLAC-Standards sollen nach dem Gesetzentwurf nun das gesetzliche Minimum für die MREL-Anforderungen global systemrelevanter Institute werden. Bei allen anderen Instituten bleibt es bei der rein individuellen Festlegung. Geregelt wird das gesetzliche Minimum in der CRR; die Regelungen zur institutsindividuellen Festlegung von MREL werden weiterhin in der BRRD zu finden sein.

MREL hat eine große Bedeutung für die wirksame Anwendung des Bail-in. Dabei werden im Abwicklungsfall Verbindlichkeiten herabgeschrieben und in Eigenkapital umgewandelt, um Verluste zu decken und dem Institut neues Eigenkapital zuzuführen, ohne den Steuerzahler in Anspruch nehmen zu müssen. MREL stellt sicher, dass dafür genügend geeignete Verbindlichkeiten vorhanden sind. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, die im nationalen Insolvenzrecht festgelegte Rangfolge von Verbindlichkeiten, bei denen es sich um unbesicherte Schuldtitel handelt, zu harmonisieren, um den Bail-in zu erleichtern. In welcher Reihenfolge Eigentümer und Gläubiger in Deutschland bei einer Abwicklung haften und in der Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder umgewandelt werden, ist der Haftungskaskade zu entnehmen, die die BaFin auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat.

Entlastung kleinerer Institute und Förderung der europäischen Wirtschaft

Darüber hinaus will die Kommission mit einigen spezifischen Maßnahmen dafür sorgen, dass die Kreditvergabekapazität der Banken zugunsten der europäischen Wirtschaft gestärkt wird.

Zu diesen Maßnahmen gehört die Verbesserung der Kapazitäten der Banken zur Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen und zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Im Hinblick auf kleine, weniger komplexe Banken will die Kommission den ihrer Ansicht nach unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verringern, der infolge einiger Vergütungsvorschriften entsteht, beispielsweise bei der Zurückbehaltung von Vergütungsbestandteilen und der Vergütung in Form von Instrumenten wie Aktien.

Außerdem sollen CRD IV und CRR den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz künftig stärker berücksichtigen, um kleine, weniger komplexe Institute zu entlasten. Diese unterliegen derzeit einigen Offenlegungs- und Berichterstattungsvorschriften sowie komplexen Anforderungen bezüglich des Handelsbuchs, die der Kommission zufolge aus Aufsichtsperspektive nicht zu rechtfertigen sind.

Statement:Valdis Dombrovskis

Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion

„Europa braucht einen starken, diversifizierten Bankensektor, der unsere Wirtschaft finanziert. Wir brauchen Bankenkredite, damit Unternehmen investieren, wettbewerbsfähig bleiben und auf größeren Märkten aktiv werden können und damit Privathaushalte vorausplanen können. Die neuen Vorschläge dienen der Risikominderung; sie basieren auf internationalen Standards und tragen den Besonderheiten des europäischen Bankensektors Rechnung.“

Schaffung tieferer, liquiderer Kapitalmärkte

Um das Ziel der Kapitalmarktunion weiter voranzutreiben, schlägt die Kommission schließlich einige spezifische Anpassungen vor, die die Banken dabei unterstützen sollen, tiefere, liquidere EU-Kapitalmärkte zu schaffen.

So müssen laut Kommission unverhältnismäßige Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuchpositionen, darunter Positionen aus Market-Making-Tätigkeiten, vermieden werden. Die Kosten für das Begeben und Halten bestimmter Instrumente wie gedeckte Schuldverschreibungen, Verbriefungsinstrumente hoher Qualität, öffentliche Schuldtitel und Derivate zu Sicherungszwecken seien zu verringern. Zudem dürften keine Negativanreize für Institute entstehen, die bei Transaktionen, die von Zentralen Gegenparteien gecleart werden, als Mittler für Kunden auftreten.

Hinweis:Nachbesserung der Vorschriften für Finanzdienstleistungen

Ergänzend zu den Legislativvorschlägen für den Bankensektor hat die Europäische Kommission eine Reihe von Vorschlägen zur Nachbesserung der Vorschriften für Finanzdienstleistungen vorgelegt. Sie sind das Ergebnis einer umfassenden Anhörung (Sondierung), bei der die Kommission die kumulative Wirkung der seit der Krise eingeführten Vorschriften auf den Finanzsektor untersucht hatte. Insgesamt wurden seit 2009 mehr als 40 Rechtsakte erlassen.

Die Sondierung ergab, dass der Gesamtrahmen gut funktioniert. Die Reformen haben demnach die Märkte stabilisiert, für eine bessere Kapitalisierung der Banken gesorgt, neues Vertrauen geschaffen und das Finanzsystem der EU stärker und widerstandsfähiger gemacht. Zudem dienen sie der Transparenz und dem Schutz von Anlegern und Verbrauchern.

Gezielte weitere Maßnahmen sollen nun nach dem Willen der Kommission das Wachstum fördern und dazu beitragen, dass die Rechtsvorschriften besser greifen können. So seien unnötige Regulierungszwänge bei der Finanzierung der Wirtschaft zu beseitigen, auf eine bessere Verhältnismäßigkeit der Vorschriften zu achten, unnötige regulierungsbedingte Lasten zu reduzieren und Vorschriften kohärenter und vorausschauender zu gestalten. Die Kommission will die Fortschritte überwachen und bis Ende 2017 einen Bericht über die Ergebnisse und mögliche nächste Schritte veröffentlichen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback