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Erscheinung:15.02.2017 | Thema Versicherungsvermittler Versicherungsmakler: Urteil des Bundesgerichtshofs zur Schadenregulierung

In der Versicherungswirtschaft ist es seit vielen Jahren übliche Praxis, dass Versicherer die Schadenregulierung nicht selbst durchführen, sondern andere Personen oder Unternehmen beauftragen, die sie mit einer Schadenregulierungsvollmacht ausstatten. Häufig handelt es sich um Versicherungsvermittler, mit denen das jeweilige Versicherungsunternehmen zum Vertrieb seiner Produkte zusammenarbeitet. Aufsichtsrechtlich ist eine solche Ausgliederung (Outsourcing) nach § 32 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und den Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo) grundsätzlich erlaubt.

Anfang 2016 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Versicherungsmakler in der Regel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen, wenn sie im Auftrag eines Versicherungsunternehmens Schäden regulieren. Im November bestätigte und ergänzte er die Ausführungen aus dem Urteil in einem Beschluss, mit dem er die Anhörungsrüge des beklagten Versicherungsmaklers nach § 321a Zivilprozessordnung (ZPO) zurückwies.

Definition:Versicherungsvermittler

Versicherungsvermittler sind selbstständige Gewerbetreibende, die gemäß § 34d der Gewerbeordnung (GewO) grundsätzlich eine Erlaubnis benötigen, bevor sie tätig werden dürfen. Versicherungsvermittler ist der Oberbegriff für Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Der Versicherungsvertreter ist von einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Versicherungsvertreter damit betraut, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 59 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz – VVG). Der Versicherungsmakler hingegen tut dies, ohne von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein; in diesem Fall ist also der potenzielle Versicherungsnehmer der Auftraggeber (§ 59 Absatz 3 VVG).

Urteil: Schadenregulierung ist Rechtsdienstleistung

In dem zugrundeliegenden Verfahren ging es um einen Versicherungsmakler, der einem Textilreinigungsunternehmen einen Haftpflichtversicherungsvertrag vermittelt hatte. Er übernahm in einem Schadenfall im Auftrag des Versicherungsunternehmens die Schadenregulierung gegenüber dem geschädigten Kunden des Reinigungsunternehmens. Eine Rechtsanwaltskammer klagte gegen den Versicherungsmakler auf Unterlassung der Regulierung von Versicherungsfällen im Auftrag eines Versicherungsunternehmens wegen Verstoßes gegen das RDG – und damit einhergehend eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes gegen das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Der BGH verurteilte den Versicherungsmakler, die schadenregulierende Tätigkeit zu unterlassen.

In seinem Urteil führte er aus, dass die Schadenregulierung von Versicherungsfällen eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG darstelle. Der Begriff der Rechtsdienstleistung sei weit zu verstehen und erfasse jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgehe; ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handele, sei dabei unerheblich.

Auf einen Blick:Maßgebliche Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes

Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Das RDG definiert die Rechtsdienstleistung als „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“. Außergerichtliche Rechtsdienstleistungen sind nur in dem Umfang zulässig, in dem sie nach dem RDG oder anderen Gesetzen erlaubt sind. Sie dürfen nicht erbracht werden, wenn sie unvereinbar mit einer anderen Leistungspflicht sind. Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Die Regelungen finden sich in §§ 1 bis 5 RDG.

Sachverwalter des Versicherungsnehmers

Die Schadenregulierung im Auftrag eines Versicherungsunternehmens gehöre – jedenfalls im Bereich der Textilhaftpflichtversicherung – im Regelfall nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers und sei daher nicht gemäß § 5 Absatz 1 RDG erlaubt. Für das Berufs- und Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers sei die gesetzliche Definition in § 59 Absatz 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) maßgeblich. Im oben erwähnten Beschluss ergänzte der BGH, es spreche viel dafür, dass eine schadenregulierende Tätigkeit mit jährlich 12.000 bis 15.000 Einzelschadensfällen als weitere Haupttätigkeit anzusehen sei, die für das Versicherungsunternehmen erbracht werde. Eine Anwendung von § 5 Absatz 1 RDG komme auch aus diesem Grund nicht in Betracht.

Der Annahme einer erlaubten Rechtsdienstleistung stehe außerdem § 4 RDG entgegen. Dieser verbietet Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leitungspflicht haben können und deren ordnungsgemäße Erbringung hierdurch gefährdet wird. Die Vorschrift solle Interessenkollisionen vermeiden.

Zu den Aufgaben des Versicherungsmaklers als Sachwalter des (zukünftigen) Versicherungsnehmers gehöre es, den Versicherungsvertrag nach Abschluss weiter zu betreuen, indem er den Vertrag ungefragt auf etwaigen Anpassungsbedarf sowie Verlängerungen hin überprüfe und den Versicherungsnehmer rechtzeitig darauf hinweise, den Zahlungsverkehr fördere, den Versicherungskunden im Schadenfall sachkundig berate, für sachgerechte Schadenanzeigen sorge und die Interessen des Versicherungsnehmers bei der Schadenregulierung wahrnehme. Der Versicherungsmakler sei verpflichtet, die Interessen des Versicherungsnehmers auch bei der Rechtsdienstleistung für das Versicherungsunternehmen zu berücksichtigen. Das könne deren ordnungsgemäße Erbringung gefährden.

Umgekehrt werde das wirtschaftliche Interesse des Versicherungsmaklers an der schadenregulierenden Tätigkeit für ein Versicherungsunternehmen häufig größer sein als sein wirtschaftliches Interesse im Hinblick auf einen einzelnen Versicherungskunden, dessen Vertrag er zuvor gegen Provision vermittelt habe, so der BGH. Unter diesen Umständen habe er einen Anreiz, die Interessen des Versicherungsnehmers, die wahrzunehmen seine Berufspflicht sei, nur zurückhaltend zu vertreten. Vor solchen Einflüssen solle § 4 RDG schützen.

Aufsichtsrechtliche Bedeutung für Versicherungsunternehmen

Das Urteil betrifft nicht nur die Versicherungsmakler selbst, sondern auch Versicherungsunternehmen, die mit Versicherungsmaklern zusammenarbeiten. Aufsichtsrechtlich sind die Versicherer insbesondere in ihrer Compliance (Beachtung gesetzlicher Vorgaben) betroffen. Gemäß § 29 Absatz 2 VAG hat die Compliance-Funktion als Teil der Geschäftsorganisation die möglichen Auswirkungen von Änderungen des Rechtsumfeldes für das Unternehmen zu beurteilen und das Risiko zu identifizieren und zu beurteilen, das mit einer Verletzung der rechtlichen Vorgaben verbunden ist. Insoweit besteht auch eine Schnittstelle zum Risikomanagement.

Für die Versicherungsunternehmen ergeben sich hier mehrere Risiken. Wie in dem vom BGH entschiedenen Fall kann es dazu kommen, dass ein Wettbewerber die schadenregulierende Tätigkeit beanstandet und der beauftragte Versicherungsmakler gezwungen wird, die Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen einzustellen. Verstößt der Versicherungsmakler, den das Unternehmen mit der Schadenregulierung beauftragt hat, gegen das RDG, so führt dies gegebenenfalls zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Beauftragung gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein Versicherungsmakler könnte sich selbst hierauf berufen und die schadenregulierende Tätigkeit einstellen.

Auch besteht das Risiko, dass ein am RDG orientierter (Haftpflicht-)Versicherungsschutz des Versicherungsmaklers diese Tätigkeit nicht (mehr) abdeckt – anknüpfend daran, dass nach dem Urteil des BGH die Schadenregulierung für das Versicherungsunternehmen nicht zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers gehört und gegen das RDG verstößt. Eine solche Absicherung des Versicherungsunternehmens liefe dann ins Leere.

Die Ausführung des BGH, dass einer erlaubten Rechtsdienstleistung des Versicherungsmaklers auch die Vorschrift des § 4 RDG entgegenstehe, ist so zu verstehen, dass § 4 RDG nicht nur den Gläubiger der Rechtsdienstleistung schützen soll, hier das Versicherungsunternehmen, sondern auch den Gläubiger der anderen Leistungspflicht, also den Versicherungsnehmer. Die Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern, die gegen diese Vorschrift verstoßen, berührt somit auch die Belange der Versicherten. Es ist Aufgabe der BaFin sicherzustellen, dass diese ausreichend gewahrt bleiben (§ 294 Absätze 2 und 3 VAG). Das gilt nicht nur für inländische Versicherungsunternehmen, sondern auch für solche, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums haben und durch eine Niederlassung oder im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr in Deutschland tätig sind. Nach § 62 Absatz 1 Satz 1 VAG ist die BaFin bei diesen Unternehmen ebenfalls für die Rechtsaufsicht zuständig.

Auf einen Blick:Grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit aus der EU und dem EWR

Gemäß § 62 Absatz 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) obliegt die Finanzaufsicht über die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit in Deutschland durch Versicherungsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums allein der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats, die Aufsicht im Übrigen – die Rechtsaufsicht – hingegen auch der BaFin. Die Finanzaufsicht umfasst gemäß § 294 Absatz 4 VAG insbesondere die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen, also die Compliance und das Risikomanagement.

Künftige Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern

Nach dem Urteil des BGH bleibt für eine schadenregulierende Tätigkeit von Versicherungsmaklern für Versicherungsunternehmen grundsätzlich kein Raum mehr. Im Hinblick auf die Weite des Begriffs der Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG ist davon auszugehen, dass es sich bei der Schadenregulierung in der Regel um eine Rechtsdienstleistung handelt und das Urteil daher greift, und zwar auch in vermeintlich eindeutigen Schadenfällen.

Auch fällt nicht nur die Schadenregulierung als solche, sondern in der Regel auch die Schadenbearbeitung im Sinne einer Aufbereitung des Versicherungsfalls in den Anwendungsbereich des RDG, wenn die Entscheidung über das Ob und das Wie der Regulierung beim Versicherungsunternehmen verbleibt. Es wird daher kein gangbarer Weg sein, lediglich die Schadenregulierungsvollmacht zu widerrufen und die Schadenbearbeitung im Auftrag des Versicherungsunternehmens beim Versicherungsmakler zu belassen.

Zwar erscheint es dem BGH nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich in bestimmten Bereichen außerhalb der Textilhaftpflichtversicherung das Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers dahin gewandelt hat oder künftig wandeln könnte, dass es eine schadenregulierende Tätigkeit für ein Versicherungsunternehmen umfasst. Auch in einem solchen Fall wäre jedoch § 4 RDG einschlägig, so dass eine schadenregulierende Tätigkeit, jedenfalls im Regelfall, wegen Interessenkonflikten nicht erlaubt sein dürfte. Bislang sind der BaFin keine Fallgestaltungen bekannt, in denen sich bei Anwendung der Maßgaben des BGH für einen Versicherungsmakler, der Schäden für ein Versicherungsunternehmen reguliert, ein solcher Interessenkonflikt nicht ergäbe.

Beabsichtigt ein Versicherungsunternehmen, ein bislang als Versicherungsmakler tätiges Unternehmen weiterhin mit der Schadenregulierung zu beauftragen, so müsste das Unternehmen seinen Status als Versicherungsmakler aufgeben und den Status eines Versicherungsvertreters annehmen, um einen Verstoß gegen das RDG zu vermeiden.

Das Urteil des BGH hat zwar die Tätigkeit der Schadenregulierung zum Gegenstand, gilt jedoch auch für andere Tätigkeiten von Versicherungsmaklern für Versicherungsunternehmen, die sich nach Maßgabe des Urteils als Rechtsdienstleistung darstellen. So weiß die BaFin von Verträgen, die über die Schadenbearbeitung hinaus weitere Dienstleistungen vorsehen, etwa die Risikoprüfung, die Antragsannahme und die Bestandsverwaltung.

Hinweis:Prämienzahlungen

Prämienzahlungen mit Erfüllungswirkung (§ 362 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) dürfen Versicherungsmakler weiterhin für ein Versicherungsunternehmen entgegennehmen. Selbst wenn die Entgegennahme als Inkassodienstleistung gemäß § 2 Absatz 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und damit als Rechtsdienstleistung anzusehen sein sollte, gehörte eine solche Tätigkeit als gemäß § 5 RDG erlaubte Nebenleistung zum Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers. Dies ergibt sich unter anderem aus § 48 Absatz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), der eine solche Bevollmächtigung von Versicherungsvermittlern, also auch Versicherungsmaklern, voraussetzt. Auch ein Interessenkonflikt im Sinne des § 4 RDG ist nicht ersichtlich. Die Entgegennahme von Prämienzahlungen durch den bevollmächtigten Versicherungsmakler ist sogar im Interesse des Versicherungsnehmers, da er dann nicht das Risiko der Weiterleitung an das Versicherungsunternehmen trägt.

Reaktion der BaFin

Die BaFin hat das Urteil des BGH im Versicherungsbeirat und im Gespräch mit den Aufsichtsbehörden der Bundesländer thematisiert. Um sich einen Überblick über den Umgang der Versicherungsunternehmen mit dem Urteil zu verschaffen, bat sie darüber hinaus mehrere stichprobenhaft ausgewählte Unternehmen um Stellungnahme. Alle haben angekündigt, das Urteil anzuwenden.

Die BaFin erwartet, dass die Versicherungsunternehmen das Urteil auch im Hinblick auf bestehende Vollmachten umsetzen. Dabei berücksichtigt sie, dass einige Versicherungsunternehmen hierfür zeitaufwändig Geschäftsabläufe prüfen, bewerten und gegebenenfalls neu gestalten müssen. Als Lösung käme beispielsweise eine Schadenregulierung durch das Versicherungsunternehmen selbst oder durch einen Rechtsanwalt in Frage. Mit einigen der befragten Versicherungsunternehmen steht die BaFin dazu weiterhin in Kontakt.

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