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Erscheinung:15.03.2017 | Thema Versicherungsvermittler Versicherungsvertrieb: Auswirkungen des geplanten Umsetzungsgesetzes auf die Aufsicht

Bis Februar 2018 müssen die Mitgliedstaaten der EU die neuen Regelungen der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie umsetzen. Die Bundesregierung hat dazu nun einen entsprechenden Gesetzentwurf veröffentlicht. Dieser sieht Änderungen am Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und der Gewerbeordnung (GewO) vor.

Im Zuge der Umsetzung will der Gesetzgeber außerdem zwei Themenkomplexe neu regeln, die nicht Teil der europäischen Richtlinie sind: das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot und die Vorschriften für Versicherungsberater.

Welche Auswirkungen werden die neuen Regelungen auf die Aufsicht der BaFin über Versicherungsunternehmen haben? Der vorliegende Beitrag erläutert dies anhand ausgewählter Beispiele.

Auf einen Blick:Versicherungsvertriebsrichtlinie

Die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive – IDD, siehe BaFinJournal August 2015 und Februar 2016) ersetzt die Versicherungsvermittlerrichtlinie von 2002. Anders als diese regelt sie die gesamte Vertriebskette. Sie gilt somit für alle Vertreiber von Versicherungsverträgen, also nicht nur für Makler und gebundene Vermittler, sondern auch für den Direktvertrieb. Die Mitgliedstaaten der EU müssen die Richtlinie bis zum 23. Februar 2018 umsetzen.

Produktentwicklungsprozesse

Den Produktentwicklungsprozess, das sogenannte Produktfreigabeverfahren nach dem neuen § 23 VAG, müssen Versicherer der Aufsicht gegenüber künftig transparent darstellen. Die Vorschriften für das Produktfreigabeverfahren gelten für alle Produkte, die die Unternehmen ab dem Inkrafttreten des Gesetzes neu konzipieren und vertreiben. Eine Rückwirkung ist nicht vorgesehen.

Was bedeutet Produktfreigabeverfahren? Dieses geht auf Artikel 25 der Versicherungsvertriebsrichtlinie zurück, die sogenannten Aufsichts- und Lenkungsanforderungen. Das Produktfreigabeverfahren setzt einen strukturierten Prozess voraus, der es dem Versicherer ermöglicht, beispielsweise Risiken für bestimmte Zielmärkte – also auch für Kunden – zu identifizieren und zu bewerten. Es handelt sich um unternehmensinterne Anforderungen an die Geschäftsorganisation, welche die BaFin prüfen kann. Weitergehende zivilrechtliche Pflichten der Versicherungsunternehmen gegenüber einzelnen Kunden ergänzen diese Anforderungen. Hierzu zählen beispielsweise Aufklärungs- und Informationspflichten aus dem VVG und der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV).

Delegierte Rechtsakte

Wie sich das Produktfreigabeverfahren genau ausgestalten wird, ist derzeit noch unklar. Dies hat einen einfachen Grund: Die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen gehören zu den Vorschriften der Richtlinie, für die die Europäische Kommission erst im Laufe dieses Jahres Delegierte Rechtsakte erlassen wird. Diese sollen die Vorschriften konkretisieren und ergänzen. Einigermaßen verlässliche Vorhersagen über den Regelungsgehalt sind derzeit leider nicht möglich. Das wird auch deutlich, wenn man einen kurzen Blick in den Bericht der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA an die Kommission zum Thema Delegierte Rechtsakte wirft – dieser umfasst 837 Seiten.

Bei allen Unwägbarkeiten hinsichtlich der kommenden Regelungen: Die deutschen Versicherer können zumindest teilweise auf bereits vorhandene interne Abläufe aufbauen, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren umsetzen. Sie haben bereits heute strukturierte Produktentwicklungsprozesse, die sie künftig „nur noch“ auf eine bestimmte Art und Weise für die Aufsicht dokumentieren, also sichtbar machen müssen. Dies ist sicherlich noch nicht die ganze Arbeit, aber ein Stück des Weges ist bereits geschafft.

Direktvertrieb

Neu ist auch, dass die BaFin künftig den Direktvertrieb von Versicherern prüfen wird. Dabei spielen insbesondere die Zuverlässigkeit und angemessene Qualifikation der Angestellten, die im Vertrieb beschäftigt sind, eine wichtige Rolle. Die Aufsicht wird hier auf Prozesse aufsetzen, die sich bereits bei der Prüfung der angemessenen Qualifikation und Zuverlässigkeit gebundener Vermittler bewährt haben, die derzeit noch in § 34d Absatz 4 GewO geregelt ist. Die Versicherer müssen also – wie schon bei den gebundenen Vermittlern – zunächst selbst prüfen, ob die gewerberechtlichen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit den Angestellten vorliegen. Eine Vorabkontrolle durch die BaFin wird es hier nicht geben. Diese kann – und wird – vielmehr entsprechende Prozessabläufe prüfen und die Zusammenarbeit mit bestimmten Vermittlern im Einzelfall auch untersagen.

Wer genau als Mitarbeiter im Vertrieb gilt, ist für die Aufsichtspraxis der BaFin noch nicht abschließend beantwortet. Die Versicherungsvertriebsrichtlinie enthält in Artikel 2 Absatz 1 Nr. 1 eine sehr weit gefasste Definition zum Versicherungsvertrieb. Denkbar ist daher, dass die neuen Vorschriften auch für Angestellte in einem Kundencenter gelten, wenn sie etwa auf eine telefonische Anfrage hin den Versicherungsschutz eines Kunden erweitern.

Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot

Eine in den letzten Jahren viel diskutierte Vorschrift ist das bereits erwähnte Provisionsabgabeverbot. Die Regelung findet sich im Gesetzgebungspaket im geplanten § 48b des VAG zum Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot, also des Verbots unmittelbarer oder mittelbarer Zuwendungen zusätzlich zu der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung. Das Verbot richtet sich an die Versicherer, gilt aber – unter Anwendung des künftigen § 34d Absatz 1 GewO – auch für Versicherungsvermittler. Bei Verstößen von Versicherungsvermittlern gegen das Verbot sind künftig die Industrie- und Handelskammern (IHKs) beziehungsweise die Gewerbeämter der Bundesländer für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig (künftig § 144 GewO).

Eine Herausforderung für die BaFin und die Behörden der Länder wird darin liegen, das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot einheitlich auszulegen. Sie werden sich dazu in den kommenden Monaten abstimmen.

Inhaltliche Änderungen

Daneben hat das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot auch inhaltliche Änderungen zur Folge. Dabei ist das Provisionsabgabeverbot eine bestimmte Form des Verbots der Gewährung von Sondervergütungen. Erlaubt sind lediglich Zuwendungen, die als geringwertig gelten, nämlich bis zu 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr. Auch gibt es die Möglichkeit, beispielsweise Vermittlerprovisionen zu verwenden, um dauerhaft die Leistung zu erhöhen oder die Prämien des vermittelten Vertrags zu reduzieren.

Neu, aber bisher in der Öffentlichkeit wenig beachtet, ist der Umstand, dass es sich bei dem Verbot ausdrücklich um eine Marktverhaltensregel handelt. Dieser Hinweis findet sich in der Begründung zum Regierungsentwurf (Seite 44). Was bedeutet das? In wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen ging es in den letzten Jahren auch um die Frage, ob das Provisionsabgabeverbot überhaupt eine Marktverhaltensregel sein kann – also eine Vorschrift, die Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen schützt. Oder anders formuliert: Kann beispielsweise ein Vermittler gegen einen anderen Vermittler klagen und sich darauf berufen, dass dieser gegen das Provisionsabgabeverbot verstoßen habe? Diese Frage dürfte künftig mit Ja zu beantworten sein.

Für die Praxis bedeutet das: Unabhängig von den Sanktionsmöglichkeiten der BaFin und der IHKs wird es künftig vermutlich vermehrt wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen geben, in denen es um Verstöße gegen das Provisionsabgabeverbot geht. Entsprechende zivilrechtliche Urteile sollten dann dafür sorgen, dass sich das Verbot schnell durchsetzt und entsprechend beachtet wird.

Versicherer, aber auch Vermittler sind gut beraten, wenn sie sich mit den neuen Regelungen zum Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot rechtzeitig auseinandersetzen. Der neue § 48b VAG tritt nämlich bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Dies ist voraussichtlich noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2017. Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen.

Versicherungsberater

Die ebenfalls bereits erwähnte Vorschrift zum Versicherungsberater1) findet sich in der Neufassung des § 34d GewO. Ziel der Änderung ist es, die unabhängige Honorarberatung im Versicherungsbereich zu stärken. Gegenüber dem Versicherungsvermittler, der auf Provisionsbasis arbeitet, soll der Verbraucher eine provisionsunabhängige Alternative haben, die sich teilweise auch Versicherungsmaklern eröffnet. Der Versicherungsberater wird die Erlaubnis einer IHK benötigen und nicht von der BaFin beaufsichtigt werden.

Diese wird jedoch prüfen, ob sich Versicherungsunternehmen an das sogenannte Durchleitungsgebot (künftig § 48c VAG) halten. Nach der derzeit geltenden Rechtslage muss ein Kunde, der die Dienste eines Versicherungsberaters in Anspruch nimmt, diesen für die Beratungstätigkeit bezahlen, denn der Berater darf vom Versicherer keine Vergütung erhalten. Schließt der Kunde nach der Beratung einen Versicherungsvertrag ab, so zahlt er jedoch in der Regel auch die Kosten für die Versicherungsvermittlung, die in seine Versicherungsprämie eingerechnet werden.

Diesem Nachteil soll das Durchleitungsgebot entgegenwirken: Der Kunde, also der Versicherungsnehmer, soll als Ausgleich für die Bezahlung des Beraters vom Versicherer eine Gutschrift erhalten, deren Höhe sich an den Kosten des Versicherers für die Versicherungsvermittlung orientiert. Dadurch reduziert sich die Prämie des Versicherungsnehmers. Der Kunde erhält somit ein „nettoisiertes“ Produkt. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Gutschrift für den Versicherungsnehmer höher ist als die Kosten für den Berater. Der Kunde kann also durch die Inanspruchnahme eines Beraters sogar einen Kostenvorteil haben.

Die BaFin soll nach dem Willen des Gesetzgebers darüber wachen, dass die Durchleitung gesetzeskonform erfolgt. Ob und in welchem Umfang sich Honorarberatung am Markt durchsetzen kann, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar. Nach einer Statistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) gab es im Januar 227.978 Versicherungsvermittler und lediglich 311 Versicherungsberater. Diese arbeiten, in etwa vergleichbar mit dem künftigen Versicherungsberater, schon jetzt auf Honorarbasis, allerdings bisher ohne Durchleitungsregelung.

Ausblick

Wie bereits erläutert, werden die Delegierten Rechtsakte der Kommission die bestehenden europäischen Vorgaben zum Versicherungsvertrieb ergänzen und konkretisieren. Dies betrifft neben den Aufsichts- und Lenkungsanforderungen (Produktentwicklungsprozesse) auch die zusätzlichen Anforderungen im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten. Die Kommission hat noch nicht entschieden, welche Rechtsform ihre Delegierten Rechtsakte haben werden, also ob Verordnung oder Richtlinie. Letztere wären dann noch in deutsches Recht umzusetzen.

Auch die BaFin wird sich zu mehreren gesetzlichen Neuerungen noch äußern. Geplant ist, das Vermittlerrundschreiben von 2014 um entsprechende Hinweise und Empfehlungen zur Aufsichtspraxis zu ergänzen. Dazu plant die BaFin auch eine öffentliche Konsultation. Diese kann sie aber erst dann durchführen, wenn das neue Gesetz, die Delegierten Rechtsakte sowie die geplante neue Versicherungsvermittlungs-Verordnung (VersVermV) verabschiedet sind.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wird derzeit diskutiert, ob sich der Begriff durch eine passendere Formulierung ersetzen lässt.

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