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Erscheinung:15.04.2017 | Thema Informationspflichten für Emittenten Systematische Internalisierung: Eckpunkte des neuen Aufsichtsregimes nach MiFID II/ MiFIR

Ab dem 3. Januar 2018 wird – einhergehend mit der neu gefassten Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) und -verordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR) – auch ein erheblich überarbeitetes Regelwerk für die systematische Internalisierung anwendbar sein.

Zwar ist der unmittelbar geltende aufsichtliche Rahmen in Gestalt der EU-Rechtsakte selbst (Level 1) und der auf ihrer Grundlage ergangenen delegierten Rechtsetzung (Level 2) bereits festgezurrt. Doch stehen Aufsicht und Industrie noch zu zahlreichen Auslegungs- und Anwendungsfragen (Level 3) in intensivem Dialog. Aus diesem Dialog heraus ist der vorliegende Beitrag entstanden.

Auf einen Blick:Die neue Handelsplatzlandschaft nach MiFID II

Die schon unter der ersten Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive I – MiFID I) bekannten Handelsplätze, die regulierten Märkte und die multilateralen Handelssysteme (Multilateral Trading Facilites – MTFs), sind dem multilateralen Handel zuzuordnen. Unter MiFID II neu hinzugekommen sind die Organisierten Handelssysteme, die sogenannten OTFs (Organised Trading Facilities). Demgegenüber findet ausschließlich bilateraler Handel (Over the Counter – OTC) außerhalb von Handelsplätzen statt. Handelt eine Wertpapierfirma im Kundenauftrag gegen ihr eigenes Buch OTC, spricht man von Internalisierung. Erfolgt dies – verkürzt dargestellt – in erheblicher Dimension mit Instrumenten, die auch an Handelsplätzen gehandelt werden, findet aufsichtsrechtlich systematische Internalisierung statt.

Wann gilt eine Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer?

Nach Artikel 4 Absatz 1 Nr. 20 MiFID II gilt als systematischer Internalisierer eine Wertpapierfirma, die in organisierter und systematischer Weise häufig in erheblichem Umfang mit an einem Handelsplatz gehandelten Finanzinstrumenten Handel für eigene Rechnung treibt, wenn sie Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines Multilateralen beziehungsweise Organisierten Handelssystems (Multilateral / Organised Trading Facility – MTF / OTF) ausführt, ohne selbst ein MTF zu betreiben.

Systematische Internalisierer

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Von herausgehobener Bedeutung sind die neu eingeführten quantitativen Kriterien, anhand derer die Merkmale „in organisierter und systematischer Weise häufig“ einerseits und „in erheblichem Umfang“ andererseits zu bestimmen sind. Wertpapierfirmen, die Internalisierung betreiben, haben für jedes von ihnen internalisierte Finanzinstrument Berechnungen durchzuführen. Dabei ist das Eigenhandelsaufkommen, das bei ihnen in einem definierten Zeitraum mit einem bestimmten Finanzinstrument außerhalb eines Handelsplatzes anfällt (Zähler), in Relation zum EU-weiten Handelsaufkommen mit diesem Finanzinstrument (Nenner) zu setzen. Einzelheiten dazu sind instrumentenabhängig in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2017/565 niedergelegt.

Das Berechnungsergebnis ist Maßstab dafür, ob die beiden Merkmale durch die Handelstätigkeit eines Internalisierers erfüllt sind. Das ist dann der Fall, wenn das Ergebnis den Schwellenwert erreicht oder überschreitet, den die Delegierte Verordnung für das jeweilige Finanzinstrument festlegt. Die Wertpapierfirma gilt dann als systematischer Internalisierer für dieses Finanzinstrument.

Daneben hat der Gesetzgeber auch die Möglichkeit eines freiwilligen „Opt-in“ geschaffen. Eine Wertpapierfirma kann sich also auch dafür entscheiden, sich zum 3. Januar 2018 den Regeln für die systematische Internalisierung zu unterwerfen.

Rechtsfolgen

Gilt eine Wertpapierfirma mit Sitz in Deutschland als systematischer Internalisierer, so hat sie der BaFin dies mitzuteilen. Das entsprechende Anzeigeverfahren ist derzeit noch in Arbeit.

Die BaFin leitet die notwendigen Informationen an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA weiter. Diese führt bereits heute auf ihrer Internetseite ein Register aller auf dem europäischen Markt tätigen systematischen Internalisierer. ESMA wird das Verzeichnis um Angaben zur Anlageklasse ergänzen, in der eine Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer gilt.

Außerdem haben Wertpapierfirmen, die als systematische Internalisierer gelten, neben den für alle Wertpapierfirmen verbindlichen MiFIR-Regelungen zur Nachhandelstransparenz besondere Vorschriften zur Vorhandelstransparenz zu beachten.

Erste Schwellenwertberechnungen ab September 2018

Die Regeln für die Berechnung der Schwellenwerte gelten zwar mangels Übergangsbestimmungen ab dem 3. Januar 2018. Die EU-bezogenen Zahlen für die relevanten Finanzinstrumente, die für die Durchführung dieser Berechnung notwendig sind, werden somit aber erst ab diesem Zeitpunkt für die jeweilige Berechnungsperiode erhoben. Sie werden erstmalig am 1. August 2018 zur Verfügung stehen und den Zeitraum vom 3. Januar bis zum 30. Juni 2018 abdecken. Auf Grundlage dieser Zahlen und im Interesse einheitlicher Wettbewerbsbedingungen müssen betroffene Wertpapierfirmen die ersten Schwellenwertberechnungen dann zum 1. September 2018 durchführen.

Allerdings stellen sich derzeit noch zahlreiche Einzelfragen zur Auslegung der neuen Regeln in der Praxis. Die Diskussion zwischen Aufsicht und Marktakteuren umfasst die Art und Weise der Schwellenwertberechnung, aber auch die neuen Transparenzpflichten für systematische Internalisierer. Antworten auf diese Fragen finden sich in erster Linie in den Auslegungshinweisen der ESMA.

Einzelfragen der Schwellenwertberechnung

Auf die Frage etwa, wie die Schwellenwertberechnung bei gruppenzugehörigen Wertpapierfirmen vorzunehmen ist, erläutert ESMA, dass sie für jede Wertpapierfirma gesondert durchzuführen ist. Jeder Wertpapierfirma wird also nur ihre eigene Handelsaktivität zugerechnet. Dieser Logik folgend werden ihr darüber hinaus aber auch alle Handelsaktivitäten ihrer unselbstständigen EU-Zweigniederlassungen zugeschlagen. Wie mit Zweigniederlassungen in Drittstaaten umzugehen ist, ist allerdings noch nicht geklärt.

Diskussionswürdig ist auch die Frage, welche Art von Transaktionen systematische Internalisierer bei den Schwellenwertberechnungen zu berücksichtigen haben. Gemäß dem Ziel des Gesetzgebers, den OTC-Handel transparenter zu machen, sind die Regelungen zur systematischen Internalisierung jedenfalls immer dann anzuwenden, wenn eine Wertpapierfirma tatsächlich Handel betreibt, also eine Transaktion auf dem Sekundärmarkt durchführt. Grundsätzlich nicht erfasst sind laut ESMA hingegen Primärmarkt-Transaktionen, bei denen beispielsweise eine Aktie neu platziert wird. Der entsprechende Auslegungshinweis beschränkt sich bislang allerdings auf Aktien und börsengehandelte Fonds. Denn nicht immer ist die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärmarkt so eindeutig wie in diesen Fällen.

Wenn ein systematischer Internalisierer schließlich ein OTC-Geschäft mit einem Kunden abschließt, sich das zugrundeliegende Finanzinstrument aber erst noch an einem Handelsplatz beschaffen muss (Back-to-Back-Geschäft), so fragt sich, ob auch tatsächlich zwei Geschäfte in die Schwellenwertberechnung für ein bestimmtes Finanzinstrument einzubeziehen sind:

  • das Geschäft mit dem Kunden, zu zählen als Geschäft der Wertpapierfirma für die Bemessung der von ihr getätigten OTC-Transaktionen;
  • das Geschäft am Handelsplatz, zu zählen für das Gesamthandelsvolumen in der EU.

In einem solchen Fall hat die Wertpapierfirma das Geschäft am Handelsplatz tatsächlich nicht nach Art eines systematischen Internalisierers gegen ihren vorher bestehenden eigenen Bestand ausgeführt. Außerdem stellen sich beide Geschäfte bei rein wirtschaftlicher Betrachtung als ein Geschäft dar, wenn die Wertpapierfirma das beschaffte Instrument gleichzeitig und zum selben Preis an ihren Kunden weiterreicht. Deshalb hat die ESMA klargestellt, dass das Geschäft in dieser Konstellation lediglich für den EU-weiten Handel im Nenner, nicht aber für den Eigenhandel der Wertpapierfirma im Zähler zu berücksichtigen ist.

Die „Kategorie“ am Beispiel der Schuldverschreibung

Artikel 13 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2017/565 regelt, wie der Schwellenwert zu berechnen ist, ab dem eine Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer für Schuldverschreibungen gilt. Gilt sie als systematischer Internalisierer für eine Schuldverschreibung eines Unternehmens, so ist sie auch systematischer Internalisierer für alle Schuldverschreibungen derselben Kategorie, die das Unternehmen selbst oder ein anderes Unternehmen seiner Gruppe begibt. Man spricht hier auch vom Trigger-Mechanismus.

Zur Klärung, was konkret unter einer Kategorie von Schuldverschreibungen zu verstehen ist, stellt die ESMA in einem Auslegungshinweis auf die Anleihetypen ab, wie sie in Anhang III der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2017/583 (Tabelle 2.2) definiert sind. Als Kategorien von Schuldverschreibungen gelten Staatsanleihen, sonstige öffentliche Anleihen, Wandelschuldverschreibungen, Pfandbriefe, Unternehmensanleihen sowie sonstige Anleihen.

Zum Begriff der Kategorie bei strukturierten Finanzprodukten (Artikel 14 der Delegierten Verordnung) und Derivaten (Artikel 15) hat die ESMA ebenfalls Auslegungshinweise veröffentlicht.

Nicht-Eigenkapitalinstrumente

Qualifiziert sich eine Wertpapierfirma als systematischer Internalisierer für ein bestimmtes Finanzinstrument, so ergeben sich wesentliche Rechtsfolgen aus den Artikeln 14 ff. MiFIR. Eine davon ist die in Artikel 18 näher geregelte Quotierungspflicht für Nicht-Eigenkapitalinstrumente, die die MiFID II neu eingeführt hat.

Hinweis:Zahl der systemischen Internalisierer

Die tatsächliche Zahl der systematischen Internalisierer, die künftig nach den neuen Regeln aktiv sein werden, lässt sich noch nicht eindeutig bestimmen. Das Register, das die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA nach der ersten Finanzmarktrichtlinie (MiFID I) führt, hat derzeit elf Einträge, darunter keinen deutschen.

Sie besagt, dass ein systematischer Internalisierer bei liquiden Nicht-Eigenkapitalinstrumenten feste Kursofferten zu veröffentlichen hat, sofern diese für eine Kursofferte für einen seiner Kunden erforderlich sind und er mit ihrer Abgabe einverstanden ist. Für illiquide Nicht-Eigenkapitalinstrumente hat er seinen Kunden Kursofferten auf Anfrage anzubieten, sofern er mit der Abgabe einer Kursofferte einverstanden ist.

Seine Kursofferten kann der systematische Internalisierer jederzeit aktualisieren und sie auch wieder zurückziehen, wenn außergewöhnliche Marktbedingungen eintreten. Welchen Kunden er seine Kursofferten bekannt gibt, entscheidet er selbst. Dazu hat er aber vorab objektive, nicht-diskriminierende Kriterien festzulegen. Auf gleiche Weise kann er auch die Anzahl der Geschäfte vorab beschränken, die er auf Grundlage der Kursofferte eingehen will.

Liquide Nicht-Eigenkapitalinstrumente

Was macht eine feste Kursofferte aus? Dies ist ein Beispiel für die Auslegungsfragen, über die Aufsicht und Industrie hinsichtlich der Quotierungspflicht für liquide Nicht-Eigenkapitalinstrumente diskutiert haben. Hier hat sich etwa die Frage ergeben, ob Wertpapierfirmen auch mit dem sogenannten Quote-Streaming ihrer Quotierungspflicht nachkommen können. Dabei handelt es sich um die fortlaufende Veröffentlichung von Preisinformationen zu handelbaren Finanzinstrumenten in Echtzeit nach Art eines Web-Streams, und zwar unabhängig davon, ob dazu gerade eine Kundenanfrage vorliegt oder nicht. Nach Ansicht der ESMA ist damit die Quotierungspflicht grundsätzlich erfüllt, soweit ein Kunde die Finanzinstrumente zum veröffentlichten Preis und in der angebotenen Menge auch tatsächlich ordern kann.

Des Weiteren greifen Käufer von Wertpapieren auf der Suche nach dem besten Preis für ein Finanzinstrument häufig auf Automated-Order-Routing-Systeme zurück. Von ihnen versprechen sie sich, das Wertpapier auf Grundlage eines automatisierten Preisvergleichs zu einem bestimmten Zeitpunkt an dem Handelsplatz zu ordern, an dem es in diesem Moment am günstigsten angeboten wird. Für einen systematischen Internalisierer stellt sich in dem Moment, in dem eine solche automatisierte Order eines seiner Kunden bei ihm eingeht, die Frage, ob er eine daraufhin abgegebene feste Kursofferte veröffentlichen muss. Die Order stammt ja hier nicht, wie der Wortlaut der MiFIR vorsieht, vom Kunden selbst, sondern von einem automatisierten elektronischen System. Eine solche Auslegung erscheint allerdings in der heutigen Handelswelt eher lebensfremd. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung bestimmte Technologien, die im Wertpapierhandel gebräuchlich sind, ausschließen wollte. Die ESMA geht daher davon aus, dass die Vorschriften an dieser Stelle technologieneutral formuliert sind.

Schließlich hat ein systematischer Internalisierer nach Artikel 18 Absatz 1 MiFIR feste Kursofferten zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich rechtlich um die Abgabe eines Angebots, das nun angenommen werden kann. Eine wichtige Frage ist, wie lange es ab diesem Zeitpunkt gültig sein muss, die Wertpapierfirma also daran gebunden ist. Ein Hinweis zur Gültigkeitsdauer abgegebener Kursofferten findet sich lediglich in Artikel 18 Absatz 3 MiFIR. Dort heißt es, dass einmal abgegebene Kursofferten jederzeit aktualisiert und im Falle außergewöhnlicher Marktbedingungen auch ganz zurückgezogen werden dürfen. Eine interessengerechte Auslegung wird beide Interessenlagen zum Ausgleich bringen müssen: Die des Kunden, der gegen eine veröffentlichte feste Kursofferte handeln möchte, und die des systematischen Internalisierers, der nicht unbegrenzt an seine Offerte gebunden sein will.

In diesem Sinne hat auch die ESMA kürzlich in einem Auslegungshinweis erklärt, dass veröffentlichte Kursofferten für eine angemessene Frist gültig beziehungsweise ausführbar sein sollen. Das lässt zwar wiederum Auslegungsspielraum zu. Maßstab soll aber sein, dass der Kunde tatsächlich Gelegenheit haben muss, die veröffentlichte Offerte anzunehmen. Ein systematischer Internalisierer darf also sein Recht, die Kursofferten jederzeit zu aktualisieren, nicht auf eine Weise missbrauchen, die einzelne Kunden diskriminiert und von der Möglichkeit ausschließt, die Offerten auch tatsächlich anzunehmen. Inwieweit diese eher allgemeinen Hinweise künftig weiter konkretisiert werden müssen, wird die Praxis zeigen.

Illiquide Nicht-Eigenkapitalinstrumente

Die gesetzliche Formulierung zur Quotierungspflicht für illiquide Nicht-Eigenkapitalinstrumente in Artikel 18 Absatz 2 MiFIR ist in zweierlei Hinsicht unklar ausgefallen. Zum einen wird nicht hinreichend deutlich, wem genau eine abgegebene Kursofferte zugänglich gemacht werden muss. Der Gesetzeswortlaut regelt zwar, dass Kursofferten den Kunden angeboten werden müssen. Nicht eindeutig ist aber, ob dies alle Kunden umfasst oder nur solche, die Kursofferten auch tatsächlich anfragen.

Zum anderen bleibt unklar, gegenüber welchen Kunden die mitgeteilte Kursofferte schließlich verbindlich zu sein hat. Nach dem Gesetzeswortlaut ist denkbar, dass sie nur dem jeweils anfragenden Kunden gegenüber verbindlich sein muss, nicht aber auch anderen Kunden, denen die Kursofferte im Anschluss – gegebenenfalls auf ihre Anfrage hin – mitzuteilen ist. Alternativ kann die Formulierung aber auch dahingehend verstanden werden, dass die Kursofferte für jeden Kunden des systematischen Internalisierers verbindlich sein muss. Diese Fragen sind bislang nicht eindeutig geklärt.

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