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Erscheinung:15.05.2017 | Thema Sanierung/Abwicklung Bail-in: Gläubigerbeteiligung - Versicherer als Investoren bei Kreditinstituten

Gerät ein Kreditinstitut in Schieflage, so können seit dem 1. Januar 2017 im Falle der Insolvenz auch unbesicherte Schuldtitel herangezogen werden, und zwar unmittelbar nach den Eigentümern – das sind meist die Aktionäre – und nachrangigen Gläubigern. Grundlage ist das Instrument der Gläubigerbeteiligung, auch Bail-in genannt.

Das Thema ist für die Versicherungsbranche von großer Bedeutung. Denn die meisten deutschen Versicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind in Banktitel investiert, insbesondere in Form von Aktien, Pfandbriefen und unbesicherten Schuldtiteln. In den letzten Jahren lag die Investition in unbesicherte Schuldtitel von Banken im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Es ist daher unumgänglich, dass sich die Versicherer mit den neuen regulatorischen Rahmenbedingungen und den damit verbundenen Risiken im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Vorschriften auseinanderzusetzen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich in der jüngeren Vergangenheit erneut gezeigt hat, dass der Bankensektor durchaus in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten kann.

Auf einen Blick:Gesetzliche Grundlage

Mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG) von 2015, das die europäische Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie in deutsches Recht umsetzte, änderte der Gesetzgeber in § 46f Kreditwesengesetz (KWG) die Haftungsrangfolge von Verbindlichkeiten bei Bankeninsolvenzen (siehe dazu auch BaFinJournal Dezember 2015). Hintergrund ist das Instrument der Gläubigerbeteiligung (Bail-in): Im Falle der Insolvenz eines Kreditinstituts besteht die Möglichkeit, dessen Verbindlichkeiten in Eigenmittel umzuwandeln. Dafür können nun unmittelbar nach den Eigentümern und nachrangigen Gläubigern die Investoren mit unbesicherten Schuldtiteln herangezogen werden. Der gesetzliche Rangrücktritt von unbesicherten Schuldtiteln ist zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten; er gilt aber auch für früher getätigte Investitionen. Ein Bestandsschutz für bereits bestehende Investitionen ist in Deutschland also nicht vorgesehen.

Eigene Kreditrisikobewertung

Nach § 28 Absatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Verbindung mit Artikel 5a Absatz 1 der europäischen Ratingverordnung müssen Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung eigene Kreditrisikobewertungen vornehmen und dürfen sich bei der Beurteilung der Bonität eines Unternehmens oder eines Finanzinstruments nicht ausschließlich oder automatisch auf Ratings stützen. Vor dem Hintergrund der anhaltend niedrigen Zinsen und den hiermit verbundenen geringen Renditen ist die Vermeidung eines Kreditausfalls und damit die Erhaltung des Nominalwerts für die Versicherer noch wichtiger geworden. Die eigene Kreditrisikobewertung spielt daher unabhängig von den gesetzlichen Regelungen mittlerweile eine entscheidende Rolle in der Kapitalanlage von Versicherern. Einige Unternehmen haben bereits umfangreiche und komplexe Ratingprozesse installiert.

Bei der Bewertung des Kreditrisikos von Bankschuldtiteln ist neben quantitativen Aspekten wie beispielsweise Bilanzdaten eine Auseinandersetzung mit qualitativen Kriterien geboten. Die Versicherer sollten dabei auch analysieren, inwiefern noch Unterstützungsmechanismen durch gesetzliche oder freiwillige Einlagensicherungen vorhanden sind. Non-Performing Loans des Kreditinstituts können ebenfalls Aufschluss über das Kreditrisiko geben.

Hinweis:Non-Performing Loans

Notleidende Kredite oder Non-Performing Loans sind Kredite, bei denen eine kritische Leistungsstörung vorliegt und keine weiteren Zins- oder Tilgungszahlungen des Schuldners zu erwarten sind. Im März veröffentlichte die Europäische Zentralbank einen Leitfaden zu notleidenden Krediten (siehe BaFinJournal April 2017). Bereits im Sommer 2016 hatte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA einen Bericht zum Thema verfasst.

Solvency II

Spätestens, seitdem das europäische Aufsichtsregime Solvency II am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, müssen Versicherer die gesetzlichen Anforderungen im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht umsetzen. Dies bedeutet zunächst einmal, dass sie nach § 124 Absatz 1 Satz 2 VAG ausschließlich in Vermögenswerte investieren dürfen, deren Risiken sie hinreichend identifizieren, bewerten, überwachen, steuern und kontrollieren können. Außerdem sind sämtliche Vermögensanlagen so zu wählen, dass die Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität des Portfolios als Ganzes sichergestellt sind.

Die BaFin erwartet daher, dass sich die Unternehmen bei unbesicherten Bankschuldtiteln nicht nur mit dem Kreditrisiko beschäftigen, sondern sich auch Gedanken machen, wie sie dieses Risiko reduzieren können. Die Versicherer haben zu prüfen, welchen Einfluss möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehende Sicherungsmechanismen auf die Einhaltung der Anlagegrundsätze der Sicherheit und der Qualität haben.

Darüber hinaus sieht das VAG vor, dass Anlagen – und damit auch unbesicherte Bankschuldtitel – in angemessener Weise so zu mischen und zu streuen sind, dass eine übermäßige Abhängigkeit von einem bestimmten Vermögens-wert oder Emittenten, von einer bestimmten Unternehmensgruppe oder einem geografischen Raum und eine übermäßige Risikokonzentration im Portfolio vermieden werden. Das gilt insbesondere auch für Vermögensanlagen bei ein- und demselben Emittenten oder bei Emittenten, die derselben Unternehmens-gruppe angehören. Dies bedeutet, dass sich das Unternehmen Rahmenbedingungen in Form eines internen Anlagekatalogs auferlegen muss.

Nach den Leitlinien der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA zum Governance-System haben sich die Unternehmen auch mit dem Finanzmarktumfeld auseinanderzusetzen und dieses zu berücksichtigen. Zum Finanzmarktumfeld gehören alle relevanten unternehmensexternen Faktoren, die Einfluss auf den Wert, die Rendite und die Sicherheit von Kapitalanlagen haben.

Solvency I

Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht in den Anwendungsbereich der Solvency-II-Rahmenrichtlinie fallen, stehen vor der Herausforderung, dass sie unbesicherte Bankschuldtitel möglicherweise nicht mehr ohne Weiteres als Schuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen oder Namenspapiere nach der Anlageverordnung (AnlV) einordnen können. Denn durch den Rangrücktritt weisen unbesicherte Bankschuldtitel durchaus Merkmale von Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten auf.

Die BaFin prüft derzeit, ob eine Einordnung unbesicherter Bankschuldtitel nach § 2 Absatz 1 Nr. 9 AnlV geboten ist. Eine Zuführung zum Sicherungsvermögen nach § 2 Absatz 1 Nr. 9 AnlV ist mit einer Anrechnung auf die Risikokapitalanlagenquote nach § 3 Absatz 3 Satz 1 AnlV verbunden. Diese beträgt insgesamt 35 Prozent des Sicherungsvermögens. Sollte die Aufsicht zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich um Forderungen aus nachrangigen Verbindlichkeiten handelt, hat sie darüber hinaus zu klären, ob für unbesicherte Bankschuldtitel, die vor dem 1. Januar 2017 erworben wurden, Bestandschutz gewährt wird. Die BaFin wird Unternehmen und Öffentlichkeit hierzu gesondert informieren.

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