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Erscheinung:15.05.2017 | Thema Marktmanipulation Marktmanipulation: Short-Attacken – Wie Anleger und Emittenten ins Visier von Manipulatoren geraten

In den vergangenen Monaten ist wiederholt ein Phänomen aufgetreten, das Medien gern als „Short-Attacken“ bezeichnen. Hierbei gehen natürliche oder juristische Personen zum Beispiel Short-Positionen in Aktien eines Emittenten ein, bevor sie negative Stellungnahmen zu diesem Emittenten verbreiten. Derartige Stellungnahmen führen in vielen Fällen zu einer massiven Verunsicherung bei Anlegern. Aktien betroffener Emittenten verzeichneten teilweise binnen Sekunden nach Veröffentlichung der Stellungnahmen Kurseinbrüche von mehr als 30 Prozent.

Die Personen, die hinter der Stellungnahme stehen, profitieren von dem Kurseinbruch, indem sie ihre Short-Position(en) durch den Erwerb nunmehr „günstiger“ Aktien wieder schließen. Gelegentlich enthalten die Stellungnahmen sogar den expliziten Hinweis, dass der Ersteller oder mit ihm verbundene Personen Netto-Leerverkaufspositionen in dem jeweiligen Finanzinstrument halten und damit bewusst auf fallende Kurse setzen.

Auf einen Blick:Short-Positionen

Eine Short-Position in einer Aktie liegt vor, wenn der Inhaber der Aktie oder eines Finanzinstruments, dessen Wertentwicklung von der Wertentwicklung der Aktie abhängig ist, auf fallende Kurse setzt. Solche Finanzinstrumente können Optionsgeschäfte, Swaps oder Finanzinstrumente sein, die sich auf Indizes und Baskets beziehen und zumindest zum Teil die benannten Werte beinhalten, sowie entsprechende Anteile an börsengehandelten Fonds (Exchange-Traded Funds – ETFs). Hält jemand – bezogen auf eine bestimmte Aktie – mehr Short- als Long-Positionen, so liegt eine Netto-Leerverkaufsposition vor. Netto-Leerverkaufspositionen sind mitteilungs- und zusätzlich veröffentlichungspflichtig, wenn sie bestimmte Schwellenwerte erreichen. Diese sind in Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 2 der europäischen Leerverkaufsverordnung festgelegt.

Rat für Anleger

Anleger sind aufgrund der meist offensiv und koordiniert über zahlreiche Kommunikationskanäle – etwa Nachrichtenagenturen, soziale Medien und eigens erstellte Internetseiten – verbreiteten Informationen in hohem Maße verunsichert.

Dabei sind die Turbulenzen am Markt, unmittelbar ausgelöst insbesondere durch massenhafte Verkaufsorders von Anlegern, auch dem Umstand geschuldet, dass Anleger nur schwer einschätzen können, ob die Angaben in den Stellungnahmen überhaupt stimmen. Dies gilt vor allem unmittelbar nach der erstmaligen Verbreitung solcher Stellungnahmen, die zudem häufig in englischer Sprache verfasst und äußerst umfangreich sind.

Die BaFin rät Anlegern daher, vor der Veräußerung oder dem Erwerb von Finanzinstrumenten sehr genau zu prüfen, wie seriös die Angaben in den verbreiteten Stellungnahmen sind. Sie sollten sich über die betroffenen Finanzinstrumente auch aus anderen, verlässlichen Quellen informieren, bevor sie ihre Anlageentscheidung treffen.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es sich bei den Autoren der Stellungnahme um bisher weitgehend unbekannte Personen oder Analysehäuser handelt. Anleger sollten auch dann skeptisch sein, wenn bereits das Erscheinungsbild beziehungsweise der Umfang der verbreiteten Informationen darauf schließen lässt, dass es den Erstellern der Stellungnahme darauf ankommt, eine unmittelbare Überprüfung der Angaben zu erschweren.

Emittenten im Visier von Shortsellern

Für Emittenten gilt einmal mehr, dass ein Höchstmaß an Transparenz und gute Kapitalmarktkommunikation das Risiko senkt, ins Visier derartiger Attacken zu geraten.

Wenn Emittenten dennoch von einer Short-Attacke betroffen sind, sollten sie keine Zeit verlieren, verlorenes Marktvertrauen wieder herzustellen, zum Beispiel durch die Veröffentlichung einer Richtigstellung. Da sich Informationen zu Emittenten am Markt sehr schnell verbreiten, ist rasches Handeln geboten, um sich davon zu distanzieren und langfristige Reputationsschäden abzuwenden.

Das gilt nicht nur für negative, sondern auch für positive Stellungnahmen. Denn auch unrichtige positive Informationen schaden dem Emittenten, da sie das Vertrauen in die den Emittenten betreffenden Informationen insgesamt beschädigen.

Warnungen der BaFin

Die BaFin hatte aufgrund von Short-Attacken bereits am 9. Mai 2016 einen Verbraucherhinweis veröffentlicht. Seitdem ist es zu weiteren, gleichartigen Veröffentlichungen von Stellungnahmen gekommen, die einen erheblichen Kursverfall in den betroffenen Finanzinstrumenten ausgelöst haben. Die BaFin erneuerte darum am 6. April ihren Anlegerhinweis, vor Transaktionen zu prüfen, ob die in Researchberichten enthaltenen Informationen zutreffend sind.

Trotz zunehmender Sensibilisierung von Anlegern und Emittenten ist nicht auszuschließen, dass weiterhin Personen aggressiv negative Stellungnahmen verbreiten, um eine am Markt unmittelbar eintretende Verunsicherung gewinnbringend für sich zu nutzen.

Neben den genannten Short-Attacken, bei denen die Verbreitung negativer Informationen zu Emittenten im Vordergrund steht, warnt die BaFin auf ihrer Internetseite auch regelmäßig vor positiven Stellungnahmen beziehungsweise Aktientipps. Diese beziehen sich häufig auf weitgehend unbekannte Emittenten und werden häufig mittels Cold-Calling oder durch den Versand von E-Mail-Spam verbreitet. Infolgedessen werden Anleger erstmalig auf diese Emittenten aufmerksam und treffen allein aufgrund der in der Stellungnahme verbreiteten Informationen ihre Investitionsentscheidung.

Verbotene Marktmanipulation

Werden Stellungnahmen zu Finanzinstrumenten verbreitet, kann es sich dabei um Marktmanipulation handeln. Diese ist verboten – unabhängig davon, ob es sich um eine negative oder eine positive Stellungnahme handelt.

Allerdings ist nicht bereits der Aufbau von Short- oder anderen Positionen in Finanzinstrumenten und die Verbreitung der Stellungnahmen an sich problematisch. Dies gilt zumindest, sofern etwa bei Short-Positionen die gesetzlichen Meldepflichten für Netto-Leerverkaufspositionen beachtet werden.

Der vorherige Aufbau von Positionen kann jedoch einen Interessenkonflikt begründen. Marktmanipulation liegt vor, wenn die Anleger zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Stellungnahme nicht deutlich auf konkrete Interessenkonflikte hingewiesen werden. Der pauschale Hinweis, dass aufgrund zuvor eingegangener (Short-)Positionen möglicherweise Interessenkonflikte bestehen, reicht nicht aus.

Daneben können Anhaltspunkte für eine Marktmanipulation vorliegen, wenn die Veröffentlichungen unrichtig oder irreführend sind. In diesem Fall sind die Informationen zwar inhaltlich richtig, jedoch so dargestellt, dass sie beim Empfänger eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt erzeugen.

Erstattung von Strafanzeigen

Liegen im Zusammenhang mit der Verbreitung von Stellungnahmen zu Finanzinstrumenten Anhaltspunkte für eine Straftat vor, erstattet die BaFin unverzüglich Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Gerade mit Blick auf die Verbreitung positiver Stellungnahmen hat die BaFin bereits eine Vielzahl von Untersuchungen wegen des Verdachts auf Marktmanipulation durchgeführt und Anzeige erstattet, wenn sich der Verdacht erhärtete.

Zahlreiche Verurteilungen – wie die des früheren TV-Börsenexperten Markus Frick – belegen, dass es sich bei der marktmanipulativen Erstellung und Verbreitung von Stellungnahmen keineswegs um ein Kavaliersdelikt handelt. Erst vor wenigen Monaten wurde der Strafrahmen durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (siehe Fachartikel von Juli 2016) verschärft. Bei gewerbsmäßiger Marktmanipulation reicht er nun beispielsweise von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

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