BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:19.06.2017 | Thema Investmentfonds, Verbraucherschutz Börsengehandelte Fonds: ETFs in der Niedrigzinsphase – Eine sichere Alternative?

Börsengehandelte Fonds (Exchange-Traded Funds – ETFs) sind derzeit in der Anlageberatung in aller Munde. Der Grund dafür ist simpel, gelten die Deutschen doch als sparfreudiges und kostenbewusstes Volk. Diese Bedürfnisse bedienen ETFs nach Meinung vieler Anlageberater nur allzu perfekt. Doch was ist wirklich dran an den vielbeschworenen Vorteilen von ETFs? Welche Chancen und Risiken sind mit ihnen verbunden, und sind sie wirklich die Wunderwaffe im Kampf gegen die Zinsflaute auf Anlegerkonten? Der vorliegende Beitrag soll darüber Aufschluss geben.

Niedrige Zinsen: Suche nach Alternativen

Bereits seit mehreren Jahren verharren die Zinsen weltweit auf einem extrem niedrigen Niveau. Deutsche Privatanleger sind davon besonders betroffen, da sie ihr Vermögen traditionell lieber konservativ anlegen, also auf Giro- und Sparkonten, in privaten Rentenversicherungen und garantieverzinsten kapitalbildenden Lebensversicherungen sowie Immobilien. Der Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentralen begründet dies mit einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis deutscher Privatanleger sowie geringen Kenntnissen über alternative Anlageprodukte. (Sonderuntersuchung des Marktwächters Finanzen, Seiten 15-17.)

Definition:Exchange-Traded Funds

Ein Exchange-Traded Fund (ETF) ist ein Investmentfonds, der an einer Börse gehandelt wird. Die meisten ETFs sind passiv verwaltete Indexfonds, orientieren sich also an einem Börsenindex.

In der andauernden Niedrigzinsphase führt diese vorsichtige Haltung unweigerlich dazu, dass sich die Kapitaleinkünfte von Privatanlegern verringern oder ganz ausbleiben. Im extremsten Fall, das heißt wenn die Inflation die nominale Verzinsung übersteigt, kann dies sogar zum Verlust von Kaufkraft führen. Dieses Szenario wird als „kalte Enteignung der Sparer“ bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund begeben sich Verbraucher zunehmend auf die Suche nach renditestärkeren Alternativen für die Kapitalanlage. Dabei stoßen viele auch auf die Anlagemöglichkeiten der Wertpapierbörsen.

Investition in Fonds

Auch wenn die meisten deutschen Privatanleger den genannten klassischen Anlagen nach wie vor treu bleiben – einige entscheiden sich auch dafür, ihr Vermögen erstmals in einen Fonds zu investieren. Durch den Kauf von Fondsanteilen erwerben sie üblicherweise eine Miteigentümerschaft an einem großen Warenkorb, dessen Inhalte ein Fondsmanager verwaltet. Seine Aufgabe ist es, den Fonds so zu managen, dass sich der Wert des Warenkorbs und damit der einzelnen Fondsanteile erhöht.

Die für Privatanleger aufgelegten Fonds, deren Anteile während der Laufzeit zurückgegeben werden können, bezeichnet man als offene Investmentfonds, offene Investmentvermögen oder auch offene Publikumsfonds. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Aktienfonds, deren Warenkorb aus Aktien besteht, Rentenfonds, die überwiegend aus festverzinslichen Anleihen von Staaten und Unternehmen bestehen, und Immobilienfonds, bei denen sich der Warenkorb aus Wohn- und Geschäftsgebäuden zusammensetzt.

Seit geraumer Zeit erhalten insbesondere Indexfonds viel Aufmerksamkeit von Privatanlegern. Indexfonds orientieren sich an Börsenindizes wie dem Deutschen Aktienindex (DAX) oder Dow Jones und versuchen, dessen Bestandteile möglichst genau abzubilden (Replikation). Die meisten dieser Fonds werden an der Börse gehandelt, sind also Exchange-Traded Funds. Im Normalfall können Anleger ETFs über ihre Hausbank an der Börse kaufen oder verkaufen.

Nicht immer bilden ETFs allerdings tatsächlich den Börsenindex entsprechend der darin enthaltenen Wertpapiere ab (physische Replikation). Häufig bedienen sie sich auch einer sogenannten synthetischen Replikation. Dabei investiert der ETF in Vermögensgegenstände, die keine oder nur eine geringe Verbindung zu dem nachzubildenden Index aufweisen. Flankierend werden Tauschgeschäfte abgeschlossen, sogenannte Swaps, mit denen die Wertentwicklung der Anlagetitel gegen die des gewünschten Indexes getauscht wird. Hierbei überlässt der Fonds einem Vertragspartner – meist seiner Muttergesellschaft – die Erträge aus seinem Wertpapierkorb, der nicht der Zusammenstellung des Indexes entspricht. Im Gegenzug verpflichtet sich der Vertragspartner, dem Fonds die Wertentwicklung des Referenzindexes zu übertragen. Synthetisch replizierende ETFs gelten deshalb als vergleichsweise komplex und risikoreicher als physisch replizierende ETFs. Sie können Bestandteile enthalten, die nicht annähernd dem Referenzindex entsprechen.

Vorteile von ETFs

Ungeachtet dessen sind die in ETFs investierten Volumina kontinuierlich gestiegen. Im letzten Jahrzehnt hat der ETF-Markt einen regelrechten Boom erlebt. Denn gegenüber „klassischen“ Investmentfonds haben ETFs mehrere entscheidende Vorteile.

Zunächst haben sie einen Kostenvorteil. Denn mit Investitionen in offene Investmentfonds sind grundsätzlich verschiedene Arten von Kosten und Gebühren verbunden, etwa in Form eines Ausgabeaufschlags beim Erwerb, einer Verwaltungsgebühr, einer Verwahrstellenvergütung und gegebenenfalls – je nach Wertentwicklung – einer Gewinnbeteiligung (Performance-Fee). Die Höhe dieser Kosten kann das Anlageergebnis erheblich beeinflussen. Der Kostenvorteil der ETFs gegenüber klassischen Investmentfonds ergibt sich unter anderem daraus, dass beim börslichen An- und Verkauf keine Ausgabeaufschläge oder Rücknahmegebühren an die Kapitalverwaltungsgesellschaft zu zahlen sind. Zudem ist die Verwaltungsgebühr für das passive Management in der Regel erheblich geringer als für aktiv gemanagte Investmentfonds. Informationen zu den Kosten finden Verbraucher im Verkaufsprospekt und in den Wesentlichen Anlegerinformationen (Key Investor Document – KID).

Ein weiterer Vorteil von ETFs ist ihre Transparenz. Da sie an der Börse gehandelt werden, können Verbraucher die Preise für ihre ETF-Fondsanteile während der Öffnungszeiten der Börse ziemlich genau nachvollziehen. Bei klassischen Investmentfonds wird der Anteilspreis hingegen in der Regel nur einmal am Tag bestimmt.

ETFs ermöglichen darüber hinaus eine große Flexibilität. Dank der nahezu ständigen Verkaufs- und Kaufmöglichkeit von Fondsanteilen an der Börse können Verbraucher ihre Investitionen jederzeit an Veränderungen des Umfelds oder ihrer eigenen Präferenzen anpassen. Zudem gibt es – ähnlich wie im Aktienhandel – diverse Auftragsarten, die man beim Handel mit ETF-Anteilen nutzen kann. Anleger können beispielsweise einen Preis angeben, den sie höchstens für einen Anteil bezahlen wollen (Auftragsart „Limit“) oder ohne Angabe eines Preises handeln (Auftragsart „bestens“).

Wie bereits erwähnt, sind physisch replizierende ETFs an einen Referenzindex gekoppelt. Die einzelnen Bestandteile beziehungsweise die im ETF enthaltenen Vermögenswerte sind deshalb grundsätzlich nachvollziehbar. Dies gilt jedoch nicht für die bereits erwähnten synthetisch replizierenden ETFs. Je nach Konstruktion kann es vorkommen, dass sich zum Beispiel hinter einem ETF auf den DAX Wertpapiere verbergen, die nicht im DAX enthalten sind.

Einer der wichtigsten Beweggründe, generell, in Fonds zu investieren, ist darüber hinaus die Verteilung des Vermögens auf einen Warenkorb. Durch die Streuung auf mehrere Anlageklassen lassen sich Risiken reduzieren und verhältnismäßig sichere und stabile Portfolios erzeugen. Bei ETFs wird die Risikostreuung durch die Nachbildung des Indexes erzielt. Dabei gilt in der Regel: Je breiter der Index, desto höher die Streuung. Allerdings ist Risikodiversifikation nicht zwangsläufig mit einem Anlageerfolg verbunden, da Kurse selbstverständlich auch fallen können – und zwar unabhängig davon, ob Anleger ihr Vermögen aktiv oder passiv verwalten lassen.

Risiken

Auch ETFs können sich den Regeln der Märkte nicht entziehen. Für Privatanleger ist es darum wichtig, dass sie über die Risiken Bescheid wissen. Einige dieser Risiken sind im Folgenden aufgeführt; die Liste ist jedoch nicht abschließend.
ETFs und die von ihnen replizierten Indizes sind vor allem abhängig von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen wie der Konjunktur und wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Naturgemäß unterliegen sie deshalb Wertschwankungen. Diese können wegen der Risikodiversifikation zwar milder ausfallen als etwa bei der Investition in einzelne Aktien. Dennoch bemisst sich der Kurs eines ETF-Anteils eben auch an der Entwicklung der einzelnen Bestandteile des Fonds. Investoren können mit einer Investition in ETFs also auch Geld verlieren.

Dass beim Handel mit ETFs verhältnismäßig niedrige Gesamtkosten entstehen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufwand im Zusammenhang mit dem Erwerb dennoch bezahlt werden muss. Auch bei ETFs können Kosten anfallen, die das finale Anlageergebnis wesentlich beeinflussen, zum Beispiel Provisionen, Verkaufsgebühren und direkte Handelskosten. Zudem bedeutet der Kostenvorteil nicht automatisch, dass das Anlageergebnis besser ist als beispielsweise das eines klassischen Investmentfonds, bei dem der Fondsmanager aktiv versucht, ein besseres Ergebnis zu erzielen.

Hinweis:Weitere Informationen

Zusätzliche Informationen zum Thema für Verbraucher.

Der Grad der Liquidität eines ETFs ergibt sich aus den Vermögensgegenständen, die er hält. Ganz allgemein gelten ETFs deshalb als liquide, auch wenn sie im Vergleich zu klassischen Investmentfonds geringere Barreserven vorhalten. Privatanleger sollten bei der Wahl eines ETFs allerdings kritisch hinterfragen, ob sie die Anteile auch wirklich jederzeit zu einem „fairen“ Preis verkaufen können, etwa während Marktturbulenzen. Denn nicht alle ETFs handeln täglich große Mengen ihrer Anteilsscheine. Einige ETFs weisen nur geringe Handelsvolumina pro Tag auf, so dass für die zu (ver)kaufenden Anteile nur schwer ein (Ver)käufer zu finden ist. Dies trifft insbesondere auf kleinere ETFs zu, die teilweise auch eher außergewöhnlichen Referenzwerten folgen. Anleger sollten sich deshalb vor dem Kauf eines ETFs über die Referenzwerte informieren und hinterfragen, ob diese ebenfalls liquide sind.

Auch wenn zwei ETFs den gleichen Markt oder Sektor verfolgen, müssen nicht zwangsläufig die gleichen Referenzwerte zugrundeliegen. Die Bestandteile der Fonds können voneinander abweichen und unterschiedlich gewichtet sein. Das kann zusätzliche Risiken bergen, die nur schwer zu bewerten sind, beispielsweise Risiken aus Wertpapierleihgeschäften, Hebelgeschäften und Leerverkäufen.
Hinzu können, je nach Komposition und Anlagestrategie eines ETFs, weitere Risiken kommen, zum Beispiel Kontrahentenrisiken, Währungsrisiken oder das Risiko einer Handelsaussetzung.

Tipps für Verbraucher

Die perfekte Kapitalanlage, die Sicherheit gewährleistet, jederzeit verfügbar ist und gleichzeitig höchste Renditeversprechen erfüllt, gibt es nicht. Grundsätzlich gilt für alle Anlagen, dass potenziell höhere Renditen mit geringerer Sicherheit „bezahlt“ werden müssen. Auch Privatanleger bewegen sich in diesem Spannungsfeld und müssen deshalb individuell entscheiden, welche Risiken sie zu tragen bereit sind, um gegebenenfalls höhere Zinsen zu erhalten. Dabei gilt es insbesondere, eine klare Vorstellung der eigenen Anlageziele und des eigenen Anlagehorizonts zu entwickeln.

Für langfristig orientierte Privatanleger ist vor allem der Grundsatz der Risikodiversifikation bedeutend. Sie sollten nicht „alle Eier in einen Korb legen“ und ihr Vermögen stattdessen auf verschiedene Anlagen verteilen, beispielsweise Fest- und Tagesgelder, Girokonten, Renten- und Lebensversicherungen und langfristig eben auch börsengehandelte Wertpapiere und Anleihen. ETFs können für risikobereite und kostenbewusste Anleger eine sinnvolle Ergänzung zur Vermögensbildung sein – vor allem in Zeiten niedriger Zinsen. Allerdings sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass ETFs auch Verluste generieren können und deshalb kein Ersatz für sichere Zinsanlagen sind.

Verbrauchern sollte außerdem bewusst sein, dass es viele verschiedene Arten von ETFs gibt. Es ist deshalb wichtig, sich vor der Anlageentscheidung intensiv mit der Funktionsweise und den Inhalten des jeweiligen ETFs zu beschäftigen und sich gründlich über die Risiken zu informieren. Dem Verkaufsprospekt und den Wesentlichen Anlegerinformationen können Anleger entnehmen, ob es sich um einen physisch oder einen synthetisch replizierenden ETF handelt. Zusätzlich sollten sie professionellen Rat einholen. Denn die Weisheit des historischen Philosophen Aristoteles hat an Aktualität bis heute nichts eingebüßt: „Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintreten kann.“

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback