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Erscheinung:19.06.2017 Internationale Wertpapierregulierung - IOSCO überarbeitet internationale Standards

Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO hat ihre Prinzipien der Wertpapierregulierung und die Methodik zu deren Prüfung und Umsetzung überarbeitet. IOSCO hatte in einem längeren Prozess überprüft, ob die Standards die Veränderungen der Wertpapiermärkte und ihrer Regulierung noch ausreichend berücksichtigen.

Die Änderungen stellen eine Anpassung der Standards dar, jedoch keine grundlegende Reform – Prinzipien und Methodik sind absichtlich so allgemein formuliert, dass sie auch bei veränderten Markt- und Rechtsbedingungen grundsätzlich ihre Gültigkeit behalten. Auf diese Weise ist es IOSCO gelungen, eine globale Vorgabe für die Wertpapierregulierung zu schaffen, die heute kein nationaler oder anderer Gesetzgeber oder Aufseher mehr ignorieren kann und die so einen wesentlichen Beitrag für weltweit konsistente und kompatible Markt- und Aufsichtsstrukturen leistet.

Auf einen Blick:Internationale Wertpapierregulierung

Die Prinzipien der Wertpapierregulierung (IOSCO Objectives and Principles of Securities Regulation) und die zugehörige Methodik (Methodology For Assessing Implementation of the IOSCO Objectives and Principles of Securities Regulation) enthalten die Essenz der internationalen Standards der Wertpapierregulierung, die die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO seit ihrer Gründung 1983 verabschiedet hat. IOSCO benennt in den Prinzipien drei wesentliche Ziele der Wertpapierregulierung: den Schutz der Anleger, faire, effiziente und transparente Wertpapiermärkte und die Reduzierung des systemischen Risikos. Wie diese Ziele zu erreichen sind, bestimmt IOSCO in insgesamt 38 Prinzipien, die ihrerseits in der Methodik erläutert und konkretisiert werden. Beide Dokumente wurden erstmals im September 1998 veröffentlicht und seitdem bereits zweimal überarbeitet (2003 und 2010). Die jetzt verabschiedete Neufassung ist damit die dritte Überarbeitung in rund zwanzig Jahren.

Änderungen

Die jetzt vorgenommenen Änderungen betreffen sehr unterschiedliche Bereiche. So betont die Methodik nun die Bedeutung der Bildung von Anlegern durch die Aufsichtsbehörden, konkretisiert die Hinweise zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Verbriefung von Produkten und postuliert einen Bedarf an formalisierten Verfahren zur Identifizierung systemischer Risiken. Zudem hat IOSCO die Vorgaben zur Unabhängigkeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden klarer gefasst.

Zur Regulierung von Investmentfonds wurden die Vorgaben zum Liquiditätsmanagement und zur regelmäßigen Bewertung der Vermögensbestandteile der Fonds angepasst. Außerdem klassifizieren die Prinzipien nun auch Geldmarktfonds und Exchange-Traded Funds (ETFs) – also Publikumsfonds, die an der Börse gehandelt werden – als Fondskategorien, die besondere Vorgaben erfordern beziehungsweise erfordern können.

In Bezug auf die Regulierung von Intermediären wurden Anforderungen an den Schutz des Kundenvermögens und zur Differenzierung zwischen Kundentypen im Vertrieb von Finanzprodukten ergänzt. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise wurden ferner Vorgaben zum Umgang mit Intermediären hinzugefügt, die im Handel mit OTC-Derivaten (Over-the-Counter-Derivate) tätig sind. Zudem differenziert die Methodik nun im Bereich der Sekundärmarktregulierung feiner zwischen Vorgaben für Wertpapier- und Derivatemärkte einerseits und für die Märkte für OTC- und Warenderivate andererseits. Auch den Besonderheiten der OTC-Derivatemärkte trägt IOSCO Rechnung. Hier gibt es zahlreiche neue Vorgaben, die den organisierten Handel, das zentrale Clearing, die Anforderungen an Sicherheiten (Margins) für nicht zentral geclearte Derivate und die Meldung an Transaktionsregister betreffen.

Darüber hinaus wurden als Reaktion auf die Manipulation wichtiger Referenzwerte für den Wertpapierhandel (Benchmarks) die Vorgaben für Kompetenzen der Aufseher zur Verfolgung solcher missbräuchlichen Praktiken verschärft. In diesem Zusammenhang benennt IOSCO auch den Hochfrequenzhandel als aufsichtlich zu berücksichtigendes Phänomen.

Überarbeitungsprozess

Die Überarbeitung der Prinzipien und der Methodik erfolgte dieses Mal unter Leitung der BaFin. Sie ist ein aufwändiges Verfahren, an dem die gesamte Organisation der IOSCO mit all ihren thematischen Arbeitsgruppen intensiv beteiligt ist – vor allem das IOSCO-Board mit seinen acht ständigen Policy-Unterausschüssen (Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung und weitere Offenlegungspflichten, Sekundärmärkte, Intermediäre, Investmentfonds, internationale Zusammenarbeit, Ratingagenturen, Waren- und OTC-Derivate und Anlegerschutz) und weiteren temporären Arbeitsgruppen.

Wesentlicher Ausgangspunkt der Überprüfung sind unter anderem die Berichte und Beschlüsse, die IOSCO selbst seit der letzten Überarbeitung veröffentlicht hat. An oberster Stelle stehen dabei Detailstandards wie Leitlinien und Technische Standards sowie Empfehlungen. Weniger Bedeutung haben „bewährte Praktiken“ und Trends, die sich aus Befragungen der Mitglieder zu bestimmten aufsichtlichen Themen ergeben.

Ziele der Wertpapierregulierung

IOSCO macht in den Prinzipien drei wesentliche Ziele der Wertpapierregulierung aus. Erstens seien Anleger vor missbräuchlichen Praktiken im Wertpapierhandel zu schützen. Wesentliche Instrumente für einen wirksamen Anlegerschutz seien klare Regeln, auch gegen Marktmanipulation und Insiderhandel, eine konsequente Durchsetzung dieser Regeln durch die Aufsichtsbehörden, Transparenz bei den Informationen, die für Anlageentscheidungen wesentlich sind, sowie angemessene Zulassungsanforderungen für Marktakteure.

Das zweite Ziel, das eng mit dem des Anlegerschutzes verbunden ist, sind faire, effiziente und transparente Märkte. Die beiden Ziele überlappen sich in vielerlei Hinsicht. So kann es faire Märkte nur geben, wenn die Regulierung etwa die Aufdeckung und Verfolgung missbräuchlicher Handelspraktiken ermöglicht. Ferner sind effiziente Märkte ohne Transparenz für Investoren im Vorhandels- und Nachhandelsbereich, aber auch hinsichtlich der Emittenten und Produkte nicht denkbar.

Das dritte Kernziel ist die Reduzierung des systemischen Risikos. Hintergrund sind die Erfahrungen aus der Finanzkrise. So muss die Aufsicht dafür sorgen, dass im Wertpapiermarkt neben prudenziellen Anforderungen an Intermediäre auch Handels- und Abwicklungsinfrastrukturen bestehen, die den Ausfall einzelner Marktakteure auffangen und bei disruptiven Entwicklungen an den Märkten helfen, die Marktordnung aufrechtzuerhalten.

38 Prinzipien

Die drei Ziele konkretisiert IOSCO durch 38 Prinzipien, die jeweils in einem Satz grundsätzliche Vorgaben enthalten, an denen sich Regulierung und Aufsicht orientieren sollten. Sie umfassen alle wesentlichen Bereiche eines Wertpapierhandelssystems im weiteren Sinne und sind in zehn Kategorien eingeteilt.

Die ersten vier Kategorien stellen in gewisser Weise den übergreifenden Teil dar und umfassen fünfzehn Prinzipien. Dazu gehören zum einen Regeln für die Einrichtung einer Stelle, die in einem Wertpapierhandelssystem die Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt – das kann eine Aufsichtsbehörde sein oder eine Selbstregulierungsorganisation der Privatwirtschaft –, zur Regeldurchsetzung selbst (Enforcement) und zu den Bedingungen der nationalen und internationalen Zusammenarbeit von Aufsehern. Die übrigen sechs Kategorien enthalten Prinzipien mit Vorgaben zum Umgang mit Emittenten von Finanzinstrumenten, mit Marktakteuren, die für die Transparenz des Systems eine zentrale Rolle spielen – etwa Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen –, mit Investmentfonds, mit Wertpapierdienstleistern wie Banken und sonstigen Wertpapierhändlern (Marktintermediäre) und mit Sekundärmärkten wie Börsen und anderen Handelssystemen. Die Prinzipien zu Sekundärmärkten enthalten auch Aussagen zur Abwicklung von Geschäften (Clearing).

Die Prinzipien geben zwar eine klare Richtung für die Regulierung des Wertpapierhandels vor, setzen allerdings voraus, dass ein Land Rechtssicherheit im Gesellschafts-, Handels-, Bank- und Insolvenzrecht gewährleisten kann. Außerdem sind sie allein zu abstrakt, um einen Gesetzgeber oder eine Aufsichtsbehörde konkret bei der Gestaltung des Aufsichtssystems zu unterstützen. Zwar weist IOSCO darauf hin, dass die zahlreichen Beschlüsse und Berichte, die sie seit ihrer Gründung veröffentlicht hat, zum besseren Verständnis der Prinzipien herangezogen werden können und sollen. Allerdings ist es angesichts der Menge und Heterogenität der über 500 Veröffentlichungen fast unmöglich, ad hoc die jeweils relevanten Berichte und Beschlüsse zu finden.

Methodik

Vor diesem Hintergrund ist es ein wesentlicher Zweck der Methodik, diese Detailstandards zu bündeln und für die konkrete Umsetzung der Prinzipien fruchtbar zu machen: Sie konkretisiert jedes der 38 Prinzipien auf Grundlage der von IOSCO bereits veröffentlichten Detailstandards. Auf diese Weise soll sie nationalen und anderen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden einen hinreichend detaillierten und klaren Rahmen für die Konzeption eines konsistenten, funktionstüchtigen und international kompatiblen Systems der Wertpapierhandelsaufsicht geben. Insoweit bietet IOSCO gerade den sogenannten Schwellenländern wichtige technische Unterstützung bei der Einrichtung und Förderung ihrer Wertpapiermärkte.

Gleichzeitig ist die Methodik aber auch ein Instrument zur objektiven Überprüfung, inwieweit ein Land die Prinzipien und die zugrundeliegenden Standards tatsächlich umgesetzt hat. Dieses Instrument nutzt nicht nur IOSCO selbst; gewichtiger ist der Umstand, dass auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank die Methodik heranziehen, um im Rahmen ihres Financial Sector Assessment Programs (siehe BaFinJournal Juli 2016) zu prüfen, ob das Aufsichtssystem eines Landes internationalen Standards genügt. Die Prinzipien sind – neben den Prinzipien der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS und den Prinzipien des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht BCBS – aus Sicht des Finanzstabilitätsrats FSB einer der grundlegenden Standards (Key Standards) für solide Finanzsysteme. In Deutschland wurde die Umsetzung der IOSCO-Prinzipien zuletzt 2011 vollumfassend überprüft.

Einfache Anwendung

Um beiden Zwecken gerecht zu werden, ist die Methodik so aufgebaut, dass ihre Nutzer relativ leicht feststellen können, ob die IOSCO-Prinzipien angemessen umgesetzt sind. Sie besteht aus mehreren Kapiteln, die jeweils ein oder mehrere Prinzipien behandeln. Jedem Kapitel ist eine Einleitung vorangestellt, die einen Überblick über die Regulierung des jeweiligen Bereichs liefert.

Die Methodik enthält zu jedem einzelnen Prinzip Informationen über zentrale Aspekte der Regulierung (Key Issues). Zudem gibt IOSCO grundlegende Fragen (Key Questions) vor, anhand derer der Umsetzungsstatus eines Systems geprüft werden kann. Spezielle Erläuterungen erleichtern das Verständnis und die Anwendung der Key Issues und der Key Questions. Kann eine der Fragen für ein Wertpapieraufsichtssystem nicht mit „Ja“ beantwortet werden, so ist damit klar, dass es Defizite gibt, die sich in der Gesamtbewertung des Umsetzungsstatus eines Prinzips niederschlagen. Wie dieser zu ermitteln ist, regeln die „Benchmarks“. Hier ist für jede Frage festgelegt, wie sich Umsetzungsdefizite auswirken und ob die Umsetzung des jeweiligen Prinzips als vollständig, weitgehend, teilweise oder nicht umgesetzt anzusehen ist.

Am Schluss jedes Kapitels findet sich außerdem eine Liste der IOSCO-Detailstandards, die thematisch von dem Kapitel erfasst und entweder bereits in die Vorgaben eingeflossen sind oder für die weitere Konkretisierung herangezogen werden können.

Hinweis

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