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Erscheinung:16.08.2017 Versicherungsanlageprodukte - Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt

Mit der zweiten Finanzmarktrichtlinie (MiFID II), der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) sowie der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs-Verordnung, siehe unter anderem BaFinJournal Mai 2017)1) hat der europäische Gesetzgeber einen neuen Terminus Technicus im Versicherungsrecht geschaffen: das Versicherungsanlageprodukt, kurz IBIP (Insurance-based Investment Product). Damit trug er dem Umstand Rechnung, dass Lebensversicherungsverträge nicht nur der Abdeckung biometrischer Risiken dienen, sondern oft auch eine Kapitalanlagekomponente mit Chancen und Risiken beinhalten, um für den Versicherungsnehmer im Todes- wie im Erlebensfall einen Wert zu bieten.

Ob sich ein Versicherungsvertrag als IBIP qualifiziert, ist entscheidend für die Frage, welcher Regulierung er ab 2018 unterliegt. Für Versicherungsanlageprodukte gelten künftig nicht nur die Pflicht zur Erstellung eines Basisinformationsblatts nach der PRIIPs-Verordnung, sondern auch zusätzliche Anforderungen an den Vertrieb, die ab dem 23. Februar 2018 aufgrund des Umsetzungsgesetzes zur IDD (siehe BaFinJournal März 2017) im Beratungs- und Verkaufsprozess einzuhalten sind.

Die Frage, welche Verträge als Versicherungsanlageprodukte einzustufen sind, ist nicht leicht zu beantworten. Der vorliegende Beitrag erläutert die Gründe und gibt abstrakt die derzeitige Einschätzung der BaFin für die im deutschen Markt gängigen Versicherungsverträge wieder. Dies ersetzt jedoch nicht die individuelle Prüfung durch den Hersteller.

Was ist ein IBIP?

Auf einen Blick:Explizite Ausnahmen

  • Versicherungsverträge, deren vertragliche Leistungen nur im Todesfall oder bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Körperverletzung, Krankheit oder Gebrechen zahlbar sind,
  • Nicht-Lebensversicherungsprodukte gemäß Anhang I der Solvency-II-Richtlinie,
  • Altersvorsorgeprodukte, die nach nationalem Recht als Produkte anerkannt sind, deren Zweck in erster Linie darin besteht, dem Anleger im Ruhestand ein Einkommen zu gewähren, und die dem Anleger einen Anspruch auf bestimmte Leistungen einräumen,
  • amtlich anerkannte betriebliche Altersversorgungssysteme nach der Pensionsfondsrichtlinie und der Solvency-II- Richtlinie sowie
  • individuelle Altersvorsorgeprodukte, für die nach nationalem Recht ein finanzieller Beitrag des Arbeitgebers erforderlich ist und die – beziehungsweise deren Anbieter – weder der Arbeitgeber noch der Beschäftigte selbst wählen kann.

Nach der PRIIPs-Verordnung ist ein IBIP jeder Lebensversicherungsvertrag, der einen Fälligkeits- oder Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist. Darüber hinaus sind bestimmte Finanzprodukte explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen.

Der europäische Gesetzgeber hat Versicherungsanlageprodukte also nicht konkret definiert, sondern sich auf die Bestimmung von Produktkriterien beschränkt. Dies ist der Heterogenität des europäischen IBIP-Markts geschuldet, die es nahezu unmöglich macht, alle IBIPs konkret zu benennen. Für die Klassifizierung eines Vertrags als IBIP kommt es somit auf die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben an.

Die Europäische Kommission hat dazu im Juli Leitlinien veröffentlicht. Demnach ist die Ermittlung der Produkte, die die Bestimmungen der PRIIPs-Verordnung erfüllen müssen, Aufgabe der Hersteller von Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsprodukten sowie der Personen, die Kleinanleger über diese Produkte beraten oder ihnen diese verkaufen. Bei der Bewertung ist insbesondere den wirtschaftlichen Merkmalen und Geschäftsbedingungen des jeweiligen Produkts Rechnung zu tragen.

Kapitalbildende Lebensversicherungen

Zu den Produkten, die die BaFin im deutschen Markt typischerweise als IBIPs klassifiziert, zählen alle kapitalbildenden Lebensversicherungen. Bereits in der Begründung zum Vorschlag für die PRIIPs-Verordnung hatte die EU-Kommission deutlich gemacht, dass es keine Rolle spielen soll, ob der Kleinanleger ein direktes Kapitalverlustrisiko trägt. Entscheidend ist, ob ein IBIP direkt oder indirekt Marktschwankungen unterliegt. Dies ist sowohl bei klassischen Kapitallebensversicherungen als auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen und Hybridprodukten der Fall, so dass sich eine Differenzierung zwischen fondsgebundener und klassischer Kapitallebensversicherung verbietet. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle die Zielrichtung der Verordnung, als IBIPs solche Produkte zu erfassen, bei denen der Kunde ein Finanzprodukt nicht unmittelbar kauft, sondern verpackt, also über einen Vertragsmantel. Die Wahl eines konkreten Investments oder der konkreten Gesamtheit an Investments ist also keine Bedingung für die PRIIPs-Eigenschaft. IBIPs mit einer Vielzahl an Anlageoptionen spielen eine Sonderrolle; für sie erlaubt die PRIIPs-Verordnung Abweichungen im Basisinformationsblatt.

Die Klassifikation einer kapitalbildenden Lebensversicherung als IBIP ist unabhängig davon, ob die Prämie laufend oder als Einmalbetrag zu zahlen ist. Entscheidend ist, ob sie einen Fälligkeits- oder Rückkaufswert enthält, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist. Dies ist sowohl bei fondsgebundenen Lebensversicherungen zu bejahen, deren Fälligkeits- und Rückkaufswert von den Schwankungen der Fondsanteilswerte abhängt, als auch bei allen Verträgen, die eine Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers aus Kapitalerträgen vorsehen. Nicht-fondsgebundene Verträge ohne Beteiligung an Überschüssen aus Kapitalerträgen sind hingegen nicht als IBIP einzustufen.

Private Rentenversicherungen

Aufgeschobene private Rentenversicherungen der dritten Schicht2) qualifizieren sich aufgrund der gleichen Kriterien als IBIP wie die kapitalbildende Lebensversicherung, da der deutsche Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine nationale Ausnahmevorschrift zur Anerkennung der vorrangigen Zweckbestimmung zur Altersvorsorge zu schaffen.

Die steuerliche Privilegierung eines Produkts allein reicht hingegen zur Anerkennung nicht aus, zumal sie kein allgemeines Produktmerkmal darstellt, sondern an die individuelle Situation und den individuellen Vertrag des Steuerpflichtigen anknüpft.

Sofort beginnende Rentenversicherungen und abgekürzte Leibrenten

Demgegenüber qualifizieren sich sofort beginnende Rentenversicherungen mit oder ohne Entnahmemöglichkeit und sofort beginnende abgekürzte Leibrenten nicht als IBIPs, da sie keinen Anlagecharakter im Sinne einer vermögensmehrenden Investition aufweisen.

Statt einen Vermögenszuwachs zu erzielen, wird das eingezahlte Kapital bei diesen Versicherungsformen durch die Rentenzahlungen aufgezehrt.

Die EU-Vorschriften schließen zudem reine Risikolebensversicherungen ohne Rückkaufswert explizit vom IBIP-Anwendungsbereich aus. Zu diesen zählen auch die abgekürzte Todesfallversicherung und die selbstständige Hinterbliebenen-/Witwenversicherung.

Versicherungsverträge, die dem Bereich Lebensversicherung zuzuordnen sind, ein Risiko absichern und zudem bei vorzeitiger Beendigung einen Rückkaufswert bieten – beispielsweise Berufsunfähigkeits- und Sterbegeldversicherungen – sind aus Sicht der BaFin wie folgt einzuordnen:
Bei Produkten, die nicht einem Sparprozess oder der Realisierung einer Chance zur Gewinnerzielung dienen, qualifiziert sich ein Rückkaufswert, der Marktschwankungen unterliegt, nicht als IBIP-Kriterium. Denn wenn es bei einer im Übrigen reinen Invaliditätsversicherung, etwa einer Berufsunfähigkeits- oder Dread-Disease-Versicherung3) ohne Ablaufleistung, oder bei einer Sterbegeldversicherung einen Rückkaufswert gibt, ist dies darauf zurückzuführen, dass eine Reserve zur Glättung der Beiträge gebildet wird. Werden solche Verträge frühzeitig gekündigt, stellt der Rückkaufswert die Rückzahlung von Beiträgen dar, die im Hinblick auf die außerplanmäßig kürzere Vertragsdauer zu viel gezahlt wurden.

Charakteristikum von IBIPs ist zudem neben dem Todesfall- auch ein Erlebensfall-Szenario mit Ablaufleistung. Sofern der Auslöser für Leistungen von im Übrigen reinen Risikolebensversicherungen nur der Eintritt des Versicherungsfalls ist und eine Ablaufleistung gerade nicht vorgesehen ist, handelt es sich daher nicht um ein IBIP. Liegt eine Ablaufleistung vor, so kommt es darauf an, ob dem Produkt ein Sparprozess zugrunde liegt und es damit aus Verbrauchersicht andere Anlageprodukte nach der PRIIPs-Verordnung ersetzen kann. Ein Beispiel wäre eine lebenslange Todesfallversicherung, bei der die Überschussbeteiligung dazu dient, den Vertrag gegebenenfalls bereits zur Lebenszeit zu beenden (Verwendung der Überschussbestandteile zur Laufzeitverkürzung).

Statt an den Erlebensfall kann der Sparprozess auch an andere Bedingungen geknüpft sein, wie es beispielweise bei Versicherungen auf festen Termin (Termfix-Versicherungen) der Fall ist. Diese zählen in der Regel zu den IBIPs.

Altersvorsorgeprodukte

Die betriebliche Altersversorgung ist gemäß Artikel 2 Absatz 2 lit. f PRIIPs-Verordnung und Artikel 2 Absatz 1 Nr. 17 lit. d IDD explizit nicht als IBIP qualifiziert. Somit sind neben Pensionskassen und Pensionsfonds auch Direktversicherungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Ebenso schon vom Wortlaut ausgeschlossen sind gemäß Artikel 2 Absatz 2 lit. e der PRIIPs-Verordnung zertifizierte Produkte nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), also Riester- und Basisrenten. Die nationale Anerkennung als Produkte, deren Zweck in erster Linie die Versorgung im Alter ist, liegt bei Riester- und Basisrenten in deren staatlicher Zertifizierung, kombiniert mit der steuerlichen Anerkennung und – bei der Riesterrente – den staatlichen Zulagen.

Erteilt der Arbeitgeber seinem Beschäftigten eine Zusage auf eine Betriebsrente aus einer Unterstützungskasse, so erwirbt der Beschäftigte keine Anlage im Sinne eines IBIP, denn die Unterstützungskasse ist praktisch nur der verlängerte Arm des Arbeitgebers. Sie gewährt nach § 1b Absatz 4 Betriebsrentengesetz nur Leistungen ohne Rechtsanspruch für den Arbeitnehmer. Der Beschäftigte hat einen gesetzlichen Leistungsanspruch gegen den Arbeitgeber, unabhängig davon, ob die Anwartschaft von diesem finanziert wurde oder im Wege der Entgeltumwandlung. Daher knüpft der Insolvenzschutz auch an die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers und nicht an die der Unterstützungskasse an.

Rückdeckungsversicherungen werden geschlossen, um Zusagen zur betrieblichen Altersversorgung wirtschaftlich abzusichern. Sie sind als Finanzierungshilfen und gegebenenfalls Risikoauslagerung für die Erfüllung einer Leistung der betrieblichen Altersversorgung anzusehen. Sie dienen nicht einem Sparvorgang und qualifizieren sich somit nicht als IBIP. Diese Argumentation wird ferner gestützt durch Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen der PRIIPs-Verordnung, die Produkte für die Altersvorsorge des Arbeitnehmers mit Beteiligung des Arbeitgebers grundsätzlich ausschließen. Diese Überlegung gilt für Rückdeckungsversicherungen unabhängig vom Zweck, also für Rückdeckungsversicherungen zur rückgedeckten Unterstützungskasse ebenso wie für Rückdeckungsversicherungen für Direktzusage/Pensionskasse sowie Altersteil- und Zeitwertkontorückdeckung.

Die Altersvorsorge über berufsständische Versorgungswerke wiederum beruht auf einer Pflichtmitgliedschaft. Dies rechtfertigt es, die Ausnahme des Artikels 2 Absatz 2 lit. g PRIIPs-Verordnung beziehungsweise Artikel 2 Absatz 1 Nr. 17 lit. e IDD in weiter Auslegung heranzuziehen. Demnach sind individuelle Altersvorsorgeprodukte, für die nach nationalem Recht ein finanzieller Beitrag des Arbeitgebers erforderlich ist und die – beziehungsweise deren Anbieter – weder der Arbeitgeber noch der Beschäftigte selbst wählen kann, keine IBIPs. Selbstständige sind für ihre Altersversorgung eigenverantwortlich; sie erbringen daher sinngemäß auch den finanziellen Beitrag des Arbeitgebers in Eigenregie.

Kapitalisierungsgeschäfte

Kapitalisierungsgeschäfte – auch Versicherungssparen genannt – bilden einen Zweig der Lebensversicherung, auf den die Vorschriften der Solvency-II-Richtlinie Anwendung finden. Somit sind sie Versicherungsprodukten aufsichtlich gleichgestellt.

Bei aufsichtsrechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtung, die nach den Leitlinien der EU-Kommission geboten ist, sind Kapitalisierungsprodukte daher als Versicherungsanlageprodukte zu qualifizieren, wenn sie eine Überschussbeteiligung vorsehen, die bei Vertragsbeginn noch nicht feststeht. Enthalten sie keine Beteiligung an Überschüssen aus Kapitalerträgen oder steht die Höhe der Überschussbeteiligung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits fest, so qualifizieren sie sich nicht als IBIP.

Nicht-Lebensversicherungsprodukte

Versicherungsverträge, die nach der Solvency-II–Richtlinie Nicht-Lebensversicherungsprodukte (non-Life) sind, sind explizit vom Anwendungsbereich der IBIPs ausgenommen. Krankenversicherungen in allen Produktvarianten, beispielsweise Wahltarife zur gesetzlichen Krankenversicherung, sind somit keine IBIPs. Das Gleiche gilt für Unfallversicherungen, auch solche mit Beitragsrückgewähr.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten:

  1. 1) MiFID II: Markets in Financial Instruments Directive II. IDD: Insurance Distribution Directive. PRIIPs: Packaged Retail and Insurance-based Investment Products.
  2. 2) Rentenversicherungen der dritten Schicht sind Kapitalanlageprodukte zur privaten Vorsorge im Alter, die nicht unter die staatliche Förderung fallen.
  3. 3) Lebensversicherung, die die Versicherungssumme oder Teile davon nicht nur im Todesfall der versicherten Person, sondern auch bereits bei der Diagnose einer im Vertrag beschriebenen schweren Erkrankung auszahlt.

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