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Erscheinung:16.10.2017 Europäische Aufsichtsbehörden: Überblick über die Änderungsvorschläge der EU-Kommission

In Reaktion auf die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise wurden 2011 drei europäische Aufsichtsbehörden geschaffen (ESAs). Diese haben seitdem bereits viel geleistet und die ihnen zugedachte Rolle mehr und mehr ausgefüllt.

Um die Arbeitsergebnisse der ESAs zu optimieren und die Effektivität der Aufsicht zu steigern, war von Anfang an vorgesehen, die Notwendigkeit weiterer Reformen regelmäßig zu überprüfen. Im Mittelpunkt dieser ESA-Reviews steht das rechtliche Rahmenwerk, das die Grundlage für die Tätigkeit der ESAs bildet. Laut De-Larosière-Bericht sind dabei insbesondere die Aufgaben und Befugnisse der ESAs sowie ihr Governance- und Finanzierungssystem zu betrachten und gleichzeitig die europäische Aufsichtsarchitektur in ihrer Gesamtheit im Auge zu behalten.

Entlang dieser Vorgaben startete die EU-Kommission im März eine Konsultation zur Zukunft der ESAs (siehe BaFinJournal April 2017), die nun in einen Entwurf zur umfangreichen Änderung der ESA-Verordnungen mündete. Nicht zuletzt der seit dem 23. Juni 2016 zu erwartende und inzwischen eingegangene britische Austrittsantrag bewog die EU-Kommission, danach zu fragen, wie Aufsichtskapazitäten in einer EU mit 27 Mitgliedstaaten verbessert werden können, um für ein effektives und integriertes Finanzsystem zu sorgen. Auch die Pläne zur Europäischen Kapitalmarktunion (siehe unter anderem BaFinJournal Februar 2017 und Juni 2017) und die damit verbundene Idee, durch eine stärkere Aufsichtskonvergenz die Integration der Kapitalmärkte und die Finanzstabilität zu sichern, spielten bei den Überlegungen der Kommission eine Rolle.

Auf einen Blick:Europäische Aufsichtsbehörden: Regelmäßige Überprüfung

Am 1. Januar 2011 wurden drei europäische Aufsichtsbehörden (ESAs) gegründet: Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit Sitz in London, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) in Frankfurt am Main sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Paris. Sie erhielten den Auftrag, gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden für eine verbesserte und harmonisierte Finanzaufsicht im europäischen Binnenmarkt zu sorgen. Grundlage war ein Bericht, den die Expertengruppe um den ehemaligen Leiter der französischen Zentralbank, Jacques de Larosière, 2009 veröffentlicht hatte. Dieser sah bereits vor, die Notwendigkeit weiterer Reformen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen (ESA-Reviews).

Aufgaben und Befugnisse

Um die Aufsichtskonvergenz innerhalb der EU zu stärken, schlägt die Kommission vor, den ESAs zusätzliche Aufgaben und Befugnisse zu übertragen. So sollen sie künftig EU-weit gültige aufsichtsrechtliche Ziele (Strategic Supervisory Plans) festlegen, an denen die zuständigen Behörden gemessen werden. Die ESAs hätten spezifische Aufsichtsziele und deren Priorisierung sowie qualitative und quantitative Kriterien für die Auswahl der Aufsichts- und Prüfungsschwerpunkte (Unternehmen, Märkte und Verhaltensnormen) zu benennen.

Überdies plant die EU-Kommission eine Einbindung der ESAs bei wesentlichen Auslagerungen (Outsourcing) durch Unternehmen, die in der EU beheimatet sind, in Drittstaaten. Die ESAs sollen zu den Erlaubnisverfahren Stellung nehmen können. Auch bei Entscheidungen der EU-Kommission zur Drittstaatenäquivalenz sollen die Befugnisse der ESAs gestärkt werden. Der Kommissionsentwurf sieht unter anderem vor, dass diese die regulatorischen und aufsichtlichen Anforderungen in den relevanten Drittstaaten laufend überprüfen.

Themen wie Cyber-Sicherheit und technologische Innovationen sollen nach Vorstellung der EU-Kommission ebenfalls ausdrücklichen Niederschlag in den ESA-Verordnungen finden. Hier geht es ihr insbesondere um eine koordinierende Funktion der ESAs, beispielsweise mit Blick auf den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden.

In Bezug auf die Versicherungsaufsicht schlägt die Kommission in ihrem Änderungsentwurf eine maßgebliche und frühzeitige Einbindung EIOPAs in den Zulassungsprozess sowie in die laufende Aufsicht über interne Modelle vor. EIOPA soll in diesem Zusammenhang eine Doppelfunktion einnehmen, das heißt einerseits Stellungnahmen abgeben können und andererseits bei Meinungsverschiedenheiten die betroffenen Aufsichtsbehörden dabei unterstützen, zu einer Einigung zu kommen.

Die umfangreichsten Änderungsvorschläge betreffen die ESMA: Geplant ist zum einen die Einführung einer direkten Aufsichtskompetenz über Zentrale Gegenparteien im Wege einer Änderung der Marktinfrastruktur-Verordnung (European Market Infrastructure RegulationEMIR). Zum anderen will die Kommission, dass die ESMA eine originäre Zuständigkeit für die Genehmigung, Überwachung – einschließlich der Markt- und Werbungs-Überwachung – und Sanktionierung bestimmter Prospektarten erhält. Dies betrifft gemäß der neuen Prospektverordnung (siehe BaFinJournal Juli 2017) Großkunden-Prospekte für Nicht-Dividendenwerte, Prospekte für forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-Backed Securities) sowie Prospekte sogenannter spezialisierter Emittenten (Immobilien-, Bergbau-, Schifffahrtsgesellschaften und in der wissenschaftlichen Forschung tätige Gesellschaften) und von Drittstaaten-Emittenten. Darüber hinaus soll die ESMA künftig für die Genehmigung und Aufsicht über Datenbereitstellungsdienste (Data Reporting Service Providers) sowie für die Genehmigung/Registrierung und Aufsicht über bestimmte Fonds beziehungsweise deren Investmentmanager zuständig sein, nämlich für Risikokapitalfonds (European Venture Capital Funds – EuVECA), Fonds für soziales Unternehmertum (European Social Entrepreneurship Funds – EuSEF) und langfristige Investmentfonds (European Long-Term Investments Funds – EL-TIF). Ferner soll die ESMA kritische Referenzwerte (Critical Benchmarks) beaufsichtigen und Meldungen von Wertpapierfirmen und Betreibern von Handelsplätzen zu Geschäften in Wertpapieren zentral entgegennehmen.

Governance der ESAs

In Bezug auf die interne Steuerung (Governance) der ESAs plädiert die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für eine teilweise Abkehr vom Grundsatz mitgliedergeführter Organisationen.

Die Räte der Aufseher (Boards of Supervisors – BoS), die aus den Leitern der zuständigen nationalen Behörden bestehen, sollen zwar Hauptentscheidungsorgane der ESAs bleiben, insbesondere bei der Regulierung. Allerdings soll es zusätzlich jeweils eine Geschäftsleitung (Executive Board) geben, und zwar anstelle der derzeit bestehenden Verwaltungsräte (Management Boards), die sich, wie die Räte der Aufseher, derzeit aus Leitern der zuständigen Behörden zusammensetzen. Dem Executive Board sollen nach Vorstellung der Kommission der ESA-Vorsitzende und bei EBA und EIOPA jeweils drei beziehungsweise bei der ESMA fünf weitere ESA-Vertreter angehören. Sie sollen sämtliche Entscheidungen des BoS mit einer Stellungnahme vorbereiten. Ferner ist geplant, wichtige Kompetenzen auf das neue Executive Board zu übertragen, beispielsweise neben der Erstellung der bereits erwähnten Strategic Supervisory Plans – einschließlich der Kontrolle der Aufsichtsplanung der zuständigen Behörden sowie der Überwachung von Delegations- und Outsourcing-Verträgen in Drittstaaten – auch die Durchführung EU-weiter Stresstests, Vergleichsstudien (Reviews), Rechtsverletzungs- und Mediationsverfahren sowie die Vorbereitung der Arbeitsprogramme, Haushaltsentwürfe und Personalplanung der ESAs. Das BoS soll nur beim Arbeitsprogramm und dem ESA-Haushalt das Letztentscheidungsrecht erhalten; von allen übrigen Entscheidungen des Executive Boards muss es lediglich in Kenntnis gesetzt werden.

Die Mitglieder des Executive Boards sollen durch den Ministerrat ernannt werden, und zwar auf Vorschlag der EU-Kommission und nach Durchlauf eines offenen Auswahlverfahrens; das Europäische Parlament ist zu beteiligen. Sie sollen auch dem BoS angehören, dort aber kein Stimmrecht haben. Das Amt des Exekutivdirektors will die Kommission abschaffen. Seine Aufgaben soll ein Mitglied des Executive Boards übernehmen, das sogenannte Member in Charge.

Abgestimmt wird in beiden Organen grundsätzlich mit einfacher Mehrheit; jedes stimmberechtigte Mitglied verfügt über eine Stimme. Abweichend davon wird das BoS insbesondere Technische Standards, Leitlinien und Empfehlungen sowie den Haushalt weiterhin mit qualifizierter Mehrheit beschließen.

Finanzierung

Hinsichtlich der Finanzierung der ESAs spielte die EU-Kommission bereits seit längerem mit dem Gedanken, die Unternehmen zu beteiligen. Derzeit werden die ESAs zu 60 Prozent durch die nationalen Aufsichtsbehörden und zu 40 Prozent aus dem Gesamthaushalt der Europäischen Union finanziert, soweit nicht direkte Aufsichtskompetenzen – wie bei der ESMA – betroffen sind.

In ihrem Änderungsentwurf schlägt die EU-Kommission vor, die Beiträge der nationalen Aufsichtsbehörden durch eine Industriefinanzierung zu ersetzen. Die Beiträge der EU sollen künftig variabel sein und bis zu 40 Prozent des Budgets der ESAs betragen. So würde die EU die Kontrolle über ihre Ausgaben behalten, während die ESAs gleichzeitig die Möglichkeit erhielten, aus anderen Quellen ihr Budget zu erhöhen.

Die Beiträge der Unternehmen sollen jährlich erhoben werden. Ihre Berechnung erfolgt auf Basis des von den ESAs geschätzten Arbeitsaufwands für die einzelnen Unternehmenskategorien. Die Größe der Finanzinstitute wird bei der Berechnung eine zentrale Rolle spielen; kleinere Institute sollen befreit werden. Einzelheiten hierzu will die Kommission in einem Delegierten Rechtsakt regeln.

Aufsichtsarchitektur

Das derzeitige System der getrennten Beaufsichtigung von Banken, Versicherern und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sowie Wertpapierunternehmen und Finanzmärkten ist in den ESA-Verordnungen weiterhin enthalten. Die Idee einer Verschmelzung von EBA und EIOPA scheint damit aufgegeben zu sein. Eine Entscheidung über den Sitz der EBA ist im November zu erwarten.

Die Vorschläge der EU-Kommission werden nun im Rat der Europäischen Union erörtert. Dort dürfte es in den kommenden Monaten kontroverse Diskussionen geben.

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