BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:15.12.2017 Geldmarktfonds: ESMA konkretisiert Vorgaben der europäischen Verordnung

In der Finanzkrise kam es insbesondere in den USA zu sogenannten Runs auf Geldmarktfonds (Money Market Funds – MMFs), also massiven und abrupten Rücknahmeforderungen zahlreicher Anleger. Alles fing damit an, dass ein MMF, der in Papiere der Investmentbank Lehman Brothers investiert hatte, in Liquiditätsschwierigkeiten geriet und letztlich abgewickelt werden musste. Um eine Ansteckung anderer Geldmarkfonds zu verhindern, sah sich die US-Regierung dazu genötigt, die Liquidität und den Werterhalt US-amerikanischer MMFs zu garantieren.1)

Vor diesem Hintergrund haben das Europäische Parlament und der Rat am 14. Juni 2017 die Geldmarktfondsverordnung verabschiedet. Ziel der Verordnung ist es, MMFs stabiler und weniger anfällig für Runs zu machen. Sie ist ab dem 21. Juli 2018 auf neu aufgelegte MMFs und ab dem 21. Januar 2019 auf bereits bestehende MMFs unmittelbar anwendbar.

Konkretisierung der Anforderungen, Vorlagen und Leitlinien

Ergänzend dazu hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA nun einen Bericht mit Technischen Empfehlungen, Technischen Durchführungsstandards sowie Leitlinien veröffentlicht, die die Verordnung konkretisieren.

Der Bericht enthält insbesondere Anforderungen an die Liquidität und Kreditqualität von Vermögenswerten (Assets), die im Rahmen umgekehrter Pensionsgeschäfte (Reverse Repurchase Agreements) als Sicherheiten akzeptiert werden dürfen, eine Berichtsvorlage, anhand derer Geldmarktfonds die abgefragten Informationen künftig elektronisch an die Aufsichtsbehörden übermitteln können, und Leitlinien für die Durchführung von Stresstests, welche die Auswirkungen hypothetischer Veränderungen der Zinsen und Wechselkurse, der Rückgabequote und der Liquidität der Vermögenswerte aufzeigen sollen.

Was sind Geldmarktfonds?

MMFs sind Fonds, die in kurzfristige Vermögenswerte investieren und auf eine geldmarktsatzkonforme Rendite und/oder Wertbeständigkeit der Anlage abstellen. Insbesondere institutionelle Anleger wie Industrieunternehmen, Vermögensverwalter und Finanzinstitute nutzen Geldmarktfonds regelmäßig zum kurzfristigen Liquiditätsmanagement. Europäische MMFs verwalten über 1 Billion Euro.

Der Vorteil eines Geldmarktfonds gegenüber einer Bankeinlage liegt darin, dass er ein Sondervermögen ist und der Anleger deshalb zumindest keinen unmittelbaren Bail-in-Risiken ausgesetzt ist, also der Gefahr, im Sanierungs- oder Abwicklungsfall an den Verlusten der Bank beteiligt zu werden. Diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass ein Geldmarktfonds ein Finanzinstrument und Wertpapier ist, dessen Wert Marktschwankungen unterliegt.

Kernvorgaben der Verordnung

Zu den wesentlichen Vorgaben der Verordnung zählt, dass sie jedwede finanzielle Unterstützung von Geldmarktfonds verbietet. Dies soll Ansteckungsrisiken für Banken und das gesamte Finanzsystem schon im Keim ersticken. In Schieflage geratene MMFs dürfen künftig weder von Banken noch von Staaten oder anderer Seite gerettet oder gestützt werden.

Um die Qualität und Widerstandskraft von MMFs zu stärken, müssen diese künftig verschärfte Liquiditätsanforderungen einhalten. So müssen ein bestimmter Anteil ihrer Assets binnen Tagesfrist und ein weiterer Anteil innerhalb einer Woche ohne nennenswerte Kursverluste in Bargeld umgewandelt werden können. Außerdem verlangt die Verordnung, dass MMFs ihre Investoren und deren Liquiditätsanforderungen und Risikotoleranz kennen und ihr Liquiditätsprofil entsprechend anpassen.

Ferner enthält die Verordnung zahlreiche Anforderungen an die Risikomischung und Kreditqualität der Vermögenswerte sowie umfangreiche Berichts- und Stresstest-Pflichten.

Auf einen Blick:Kernelemente der Geldmarktfondsverordnung

  • Verbot finanzieller Unterstützung von notleidenden Geldmarktfonds
  • Strengere Liquiditätsanforderungen
  • Zahlreiche neue Anforderungen an die Risikomischung und Kreditqualität der Vermögenswerte
  • Umfangreiche Berichts- und Stresstest-Pflichten

Die Verordnung unterscheidet zwischen drei Arten von Geldmarktfonds, an die sie unterschiedlich strenge Anforderungen knüpft:

  • Variable Net Asset Value MMFs
  • Low Volatility Net Asset Value MMFs
  • Constant Net Asset Value MMFs

Drei Arten von Geldmarktfonds

Erwähnenswert ist schließlich, dass die Verordnung drei Arten von Geldmarktfonds unterscheidet, an die sie unterschiedlich strenge Anforderungen knüpft. Das Spektrum reicht von Variable Net Asset Value MMFs (VNAV MMFs), deren Wert mit dem Wert ihrer Assets schwankt, über Low Volatiliy Net Asset Value MMFs (LVNAV MMFs) bis hin zu sogenannten Constant Net Asset Value MMFs (CNAV MMFs).

CNAV MMFs dürfen ihre Assets grundsätzlich nach einer Formel bilanzieren, die auf dem Anschaffungspreis basiert (Amortized Cost Accounting). Dies führt dazu, dass der Wert eines Fondsanteils in aller Regel konstant ist. Allerdings gelten gerade CNAV MMFs im Fall einer Krise, nämlich wenn der „wahre“ Wert eines Fondsanteils – also die Summe aller Assets nach ihrem Marktwert geteilt durch die Anzahl der ausstehenden Fondsanteile – doch einmal vom konstanten Net Asset Value (CNAV) abweicht, als besonders run-anfällig. Es gab darum Stimmen, die CNAV MMFs verbieten wollten.

Die Verordnung ist dieser Forderung nicht gefolgt, stellt an CNAV MMFs aber besonders strenge Anforderungen hinsichtlich ihrer Liquiditätsreserven und der Qualität ihrer Vermögenswerte: Diese müssen zu 99,5 Prozent aus „Public Debt“ bestehen. Dazu zählen von Staaten oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Institutionen begebene oder garantierte Geldmarktinstrumente sowie liquide Mittel (Cash).

Außerdem führt die Verordnung für CNAV MMFs drei Möglichkeiten ein, auf mangelnde Liquidität zu reagieren: Sie dürfen Rücknahmegebühren (Liquidity Fees) erheben, die Rücknahme von Fondsanteilen auf einen bestimmten Wert begrenzen (Redemption Gates) und die Rücknahme völlig aussetzen (Suspension of Redemption). Letzteres ist zwar auch schon nach den Richtlinien über gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Richtlinie) beziehungsweise über alternative Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) möglich, die auf Geldmarktfonds weiterhin Anwendung finden. Die Geldmarktfondsverordnung konkretisiert jedoch die Pflicht zur Prüfung der Erforderlichkeit dieser Maßnahme und knüpft sie an das Unterschreiten bestimmter Liquiditätsschwellen. Darüber hinaus müssen CNAV MMFs neben dem CNAV täglich den „wahren“ Wert ihrer Fondsanteile veröffentlichen, was für Transparenz sorgen und als Frühwarnsystem dienen soll.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Siehe die Pressemitteilung des US-amerikanischen Finanzministeriums vom 19. September.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback