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Erscheinung:15.01.2018 | Thema Liquiditätsanforderungen Investmentfonds: Umgang mit Liquiditätsrisiken

Die BaFin befasst sich derzeit verstärkt mit dem Liquiditätsrisiko von Fonds und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Dahinter steht vor allem die Sorge, dass sich sogenannte Liquiditätsspiralen bilden und die Finanzstabilität beeinträchtigen könnten. Liquiditätsspiralen sind ein selbstverstärkender Effekt: Kommt es zu massiven Rückgaben von Fondsanteilen, so kann dies in einzelnen oder mehreren Segmenten Verkäufe von Vermögenswerten notwendig machen. Dadurch kann es zu starken Preissenkungen kommen, was weitere Verkäufe auslösen kann.

Um diese Risiken besser verstehen zu können, hat die BaFin die unternehmensspezifischen Vorgaben offener Fonds zu Liquiditätsmanagement und Liquiditätsstresstests näher untersucht. Denn aus ihrer Sicht stellt ein solides Risikomanagement auf Fondsebene die erste Abwehrposition gegen Ansteckungsgefahren im Finanzsystem dar. Der vorliegende Beitrag betrachtet maßgeblich das Liquiditätsrisikomanagement. Die Ergebnisse für den Bereich der Liquiditätsstresstests finden sich ausführlich in einem Bericht, den die BaFin kürzlich veröffentlicht hat (siehe BaFinJournal Dezember 2017). Dieser enthält auch Leitlinien für Kapitalverwaltungsgesellschaften.

Die wesentliche Aussage der Leitlinien zum Liquiditätsrisikomanagement ist, dass dessen sinnvolle Ausgestaltung maßgeblich vom Geschäftsmodell der einzelnen Kapitalverwaltungsgesellschaft und der dort verwalteten Fonds abhängig ist. Meldewege und Verantwortlichkeiten allerdings müssen stets klar geregelt sein. Insbesondere die Beurteilung der Liquiditätsrisiken sollte auf Basis eigener Überlegungen und Einschätzungen erfolgen. Es gibt somit aus gutem Grund keinen allgemeingültigen Königsweg für das Liquiditätsrisikomanagement. Dies stellt die Kapitalverwaltungsgesellschaften selbst in die Verantwortung, für die Risikosteuerung jeweils die am besten geeigneten Werkzeuge zu entwickeln.

Begriff des Liquiditätsrisikos

Das Liquiditätsrisiko bei Investmentfonds unterscheidet sich von anderen Liquiditätsrisikobegriffen im Finanzsektor. Bankkunden erwarten beispielsweise von ihren Instituten, dass ihre Einlagen je nach Fälligkeit immer in voller Höhe bedient werden können. Investmentfonds hingegen investieren das Geld ihrer Anleger in Vermögenswerte, die im Wert schwanken. Ein Investmentfonds ist so lange liquide, wie sichergestellt ist, dass er die Rückgabeverlangen der Anleger und sonstige Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen kann.

Das Fondsvermögen unterliegt dabei einer Reihe von Risiken, die Einfluss auf die Rendite und somit den Rückzahlungswert der Fondsanteile haben (siehe Tabelle: Liquiditätsrisiken im Finanzsektor). Diese Risiken managen die Kapitalverwaltungsgesellschaften im besten Interesse des Anlegers, wobei ihr Risikomanagement gesetzlichen und weiteren regulatorischen Anforderungen unterliegt.

Liquiditätsrisiken im Finanzsektor
InvestmentfondsMissverhältnis zwischen Liquidität des Investmentvermögens (vor allem Marktliquiditätsrisiko) und Zahlungsverpflichtungen (insbesondere Rückgabeverlangen)
Banken

Zahlungsunfähigkeitsrisiko:
Bank kann ihren gegenwärtigen und künftigen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr vollständig oder nicht mehr fristgerecht nachkommen

Refinanzierungsrisiko:
Bank kann zusätzliche Refinanzierungsmittel nur zu erhöhten Marktzinsen beschaffen

Marktliquiditätsrisiko:
Bank kann Vermögenswerte durch außergewöhnliche Begebenheiten nur mit Abschlägen am Markt liquidieren

Kapitalmarkt

Marktliquiditätsrisiko:
Marktteilnehmer kann ein Finanzinstrument nicht in der gewünschten Menge und zum gewünschten Preis und Zeitpunkt kaufen oder verkaufen, ohne den Preis dadurch signifikant zu beeinflussen

Risiken aus Transaktionen mit komplexen Produkten:
Überraschende, kurzfristig auftretende Liquiditätsanforderungen, zum Beispiel aus unwiderruflichen Kreditzusagen, Garantien, Liquiditätslinien für Verbriefungszweckgesellschaften und Sicherheitsabschlägen (Margin Calls) an Terminbörsen

Der Grundsatz des Liquiditätsmanagements für Investmentvermögen besteht also darin, die Liquidität des Investmentvermögens mit seinen Zahlungsverpflichtungen in Einklang zu bringen (siehe Grafik 1: Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements). Dafür sind auf der Aktivseite vor allem das Marktliquiditätsrisiko und auf der Passivseite die erwarteten und tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen zu überwachen. Die Herausforderung besteht insbesondere darin, dass die Verpflichtungen von Fonds in der Regel kurzfristig sind, während sie zum großen Teil in langfristige und zum Teil potenziell illiquide Vermögensgegenstände investieren.

Grafik 1: Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements

Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements

Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements Abbildung: Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements; © BaFin Grundsatz des Liquiditätsrisikomanagements

Die Vorgaben zur Begrenzung von Liquiditätsrisiken bei offenen Fonds sind in Deutschland im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) niedergelegt und prinzipienbasiert ausgestaltet. Ihre Einhaltung unterliegt der laufenden Aufsicht der BaFin. Jede Kapitalverwaltungsgesellschaft hat über ein angemessenes Liquiditätsrisikomanagement zu verfügen und sicherzustellen, dass Anlagestrategie, Liquiditätsprofil und Rücknahmegrundsätze übereinstimmen. Zudem hat sie für alle offenen Fonds regelmäßig Stresstests durchzuführen, bei denen sowohl normale als auch außergewöhnliche Liquiditätsbedingungen zugrunde gelegt werden.

Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite

Das Marktliquiditätsrisiko auf der Aktivseite (siehe Grafik 2: Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite) besteht vor allem darin, dass – insbesondere im Fall unerwartet hoher Rückgabeverlangen – nicht ausreichend Zahlungsmittel generiert werden können, um die Zahlungsverpflichtungen kurzfristig und fristgerecht zu decken. Eine Herausforderung für den Risikomanager ist dabei, dass die Einstufung eines Vermögenswerts als liquide beziehungsweise illiquide nicht immer trennscharf und im Zeitverlauf nicht konstant ist. Zum Beispiel können Vermögensgegenstände, die zunächst als liquide eingestuft wurden, je nach Marktlage illiquide werden oder umgekehrt.

Daher sind im Rahmen des Liquiditätsrisikomanagements Prozesse und Verfahren zu etablieren, mit deren Hilfe die Kapitalverwaltungsgesellschaft Liquiditätsrisiken frühzeitig erkennen, deren Auswirkungen bewerten und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten kann. Die vertiefte Analyse sollte dort erfolgen, wo der Schwerpunkt der Anlagen liegt. So ist es beispielsweise für einen Aktienfonds mit Schwerpunkt in ausgewählten Staaten sehr hilfreich, die dortigen Marktusancen gut zu kennen und auch auf die Expertise spezialisierter Händler zurückzugreifen. Für Anleihen, die zur Absicherung von Derivategeschäften gehalten werden, ist eine solche Tiefe der Analyse allerdings nicht zwingend notwendig.

Für die Beurteilung der Liquiditätsrisiken ist es somit besonders bedeutsam, dass das Risikomanagement zur jeweiligen Kapitalverwaltungsgesellschaft passt. Um die Liquidität der Vermögensgegenstände auf der Aktivseite beurteilen zu können, ist es wichtig, dass sie die Liquidität der Vermögensgegenstände der Aktivseite regelmäßig überprüft und deren Liquidität neu beurteilt. Damit verschafft sie sich einen Überblick und kann auch die Entwicklung des Liquiditätsstatus zeitnah verfolgen.

Grafik 2: Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite

Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite

Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite Abbildung: Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite; © BaFin Liquiditätsrisiko auf der Aktivseite

Liquiditätsrisiko auf der Passivseite

Das Liquiditätsrisiko auf der Passivseite des Investmentvermögens (siehe Grafik 3: Liquiditätsrisiko auf der Passivseite) besteht hauptsächlich darin, dass hohe Mittelabflüsse, die durch Anteilscheinrückgaben von Anlegern ausgelöst werden, nicht oder nicht ausreichend bedient werden können, ohne dabei die Portfolioallokation zu beeinflussen. Die Herausforderung besteht hier in der Prognose des Rückgabeverhaltens der Investoren. Dieses kann aufgrund der unterschiedlichen Arten von Investoren, ihrer Anlagehorizonte und individuellen Portfolio- oder auch steuerlichen Situation sehr verschieden sein. Sie können in manchen Marktphasen, insbesondere bei extremen Kursbewegungen, jedoch auch unerwartet ähnlich ausfallen. Ein wichtiger Posten sind außerdem die Liefer- und Zahlungsverpflichtungen des Fonds aus Derivaten, Wertpapierdarlehen und Pensionsgeschäften.

Die Passivseite kann stark variieren. Manche Gesellschaften sind in eine Konzernfinanzierungsstruktur eingebunden, andere auf Publikums- oder Spezialfonds spezialisiert. Der Kenntnisstand über die Anleger in Publikumsfonds wiederum differiert, je nach Vertriebsweg der Fonds, auch wieder unterschiedlich stark. Er ist größer, wenn auf Depotdaten zurückgegriffen werden kann, und geringer, wenn der Vertrieb über Dritte erfolgt. Unabhängig davon gilt aber für Publikumsfonds, dass das Liquiditätsmanagement eine besondere Herausforderung darstellt, wenn es in den Publikumsfonds eine große Tranche für institutionelle Anleger gibt. Diese Anleger reagieren in der Regel schneller auf Markt- und Geschäftsentwicklungen als Privatanleger, und das mit deutlich höheren Summen und Fondsanteilen. Die Kapitalverwaltungsgesellschaften sollten darum intensiv mit den institutionellen Anlegern kommunizieren, um frühzeitig reagieren zu können. Die Analyse der Anlegerstruktur, die Betrachtung der Historie und daraus abzuleitende Prognosen sollten für jede Gesellschaft selbstverständlich sein, um das Bewusstsein für Mittelabflüsse zu schärfen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ausreichend Daten zur Historie vorliegen.

Grafik 3: Liquiditätsrisiko auf der Passivseite

Liquiditätsrisiko auf der Passivseite

Liquiditätsrisiko auf der Passivseite Abbildung: Liquiditätsrisiko auf der Passivseite; © BaFin Liquiditätsrisiko auf der Passivseite

Quantifizierung des Liquiditätsrisikos

Die Gegenüberstellung beider Seiten – der Liquidität auf der Aktivseite und der erwarteten Zahlungsverpflichtungen auf der Passivseite – dient dazu nachzuweisen, dass sich das Liquiditätsprofil der Anlagen des Investmentvermögens grundsätzlich mit den zugrunde liegenden Verbindlichkeiten wie den tatsächlichen und erwarteten Rücknahme- sowie sonstigen Zahlungsverpflichtungen mindestens deckt. Dieser Zusammenhang kann anhand von Liquiditätskennzahlen dargestellt werden.

Grafik 4: Quantifizierung des Liquiditätsrisikos

Quantifizierung des Liquiditätsrisikos

Quantifizierung des Liquiditätsrisikos Abbildung: Quantifizierung des Liquiditätsrisikos; © BaFin Quantifizierung des Liquiditätsrisikos

Mit Hilfe von Kennzahlen schließlich veranschaulichen die Gesellschaften in konzentrierter Form das Liquiditätsrisiko (siehe Grafik 4: Quantifizierung des Liquiditätsrisikos). Zu den verwendeten Kennzahlen zählen beispielsweise Liquiditäts- und Illiquiditätsquoten, Liquiditätskennzahlen und Liquiditätspunktesysteme. Die Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und zu erwartenden Verbindlichkeiten ermöglicht den Unternehmen eine Einschätzung der Fondsliquidität. Durch intern festgelegte Schwellenwerte werden Liquiditätsüber- und Liquiditätsunterdeckungen sichtbar, so dass die Gesellschaft entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten kann.

Auf einen Blick: Die deutsche Fondslandschaft – Daten und Fakten

Die Struktur der deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaften, die offene Fonds verwalten, ist heterogen. Während an der Spitze sechs Unternehmen jeweils mehr als 100 Milliarden Euro verwalten, finden sich am anderen Ende 39 Gesellschaften, die weniger als 1 Milliarde Euro im Bestand haben. Das gesamte Volumen deutscher Investmentfonds ist dabei in den vergangenen Jahren stetig angestiegen und betrug im Juni 2017 rund 2 Billionen Euro, wobei der Großteil des Fondsvolumens auf die Investitionen institutioneller Anleger in Spezialfonds entfällt (circa 1,5 Billionen Euro) und die übrigen 500 Milliarden Euro auf Publikumsfonds zurückgehen.

Die weitaus größte Zahl der in Deutschland aufgelegten Fonds sind offene Spezialfonds (circa 4.300). Danach folgen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Fonds), also offene richtlinienkonforme Publikumsfonds, von denen es in Deutschland etwa 1.400 gibt. Allerdings sind europaweit nur 4 Prozent davon in Deutschland aufgelegt; die meisten stammen aus anderen europäischen Staaten, insbesondere Luxemburg und Irland. Zudem gibt es circa 300 offene Publikums-AIF, also alternative Investmentfonds, zu denen unter anderem gemischte und sonstige Sondervermögen sowie offene Immobilienfonds zählen. Hier liegt der deutsche Anteil am europäischen Fondsvolumen bei 28 Prozent; dahinter folgen Fonds aus Frankreich, Luxemburg und Irland. Die größten Anlegergruppen sind Versicherer, Altersvorsorgeeinrichtungen, aber auch nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften. Diese verfolgen meist eine mittel- bis langfristige Anlagestrategie.

Eine Besonderheit der deutschen Fondslandschaft innerhalb des europäischen Marktes stellen die offenen Publikums-Immobilienfonds dar. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit und erreichen derzeit ein Volumen von knapp 90 Milliarden Euro. Eine geringe Bedeutung haben in Deutschland hingegen börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds – ETFs) und Geldmarktfonds.

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