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Erscheinung:16.04.2018 BaFin-Tech: Konferenz zur Digitalisierung in Berlin: Zwischen Wettbewerb, Kooperation und Verbraucherschutz

„Der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen traditioneller Bankenwelt und innovativen Fintechs bis hin zur Disruption ist – jedenfalls bislang – ausgeblieben. Stattdessen stehen die Zeichen in vielen Fällen auf Kooperation“, erklärte BaFin-Präsident Felix Hufeld vor rund 400 Teilnehmern der BaFin-Tech, die vergangene Woche in Berlin stattfand. Dennoch erwartet er weiteren Wettbewerb durch Innovation.

Anderthalb Jahre nach der ersten Konferenz dieser Art (siehe BaFinJournal Juli 2016) diskutierte die BaFin erneut mit Vertretern neuer und etablierter Unternehmen der Finanzindustrie sowie Experten aus Praxis und Wissenschaft über die Folgen der Digitalisierung und finanztechnologischer Innovationen.

Win-Win-Situation und neue Wettbewerber

„Anderthalb Jahre sind keine lange Zeit“, so der BaFin-Präsident. Doch im Zeitalter der Digitalisierung ereigne sich in der Finanzbranche so viel, dass man die Jahre – wie bei Hunden – mit sieben multiplizieren müsse.

Was also sei seit der letzten BaFin-Tech passiert? „Augenfällig ist, dass das bipolare Weltbild – hier die Jungunternehmen, dort die klassischen Kredithäuser – so nicht mehr zu halten ist.“ Banken mit etabliertem Kundenstamm und fachlicher Expertise suchten innovative Technologien. Die nach wie vor jungen Fintechs seien technologisch up to date, wollten aber Kundenbeziehungen und Reputation aufbauen. „Eine klassische Win-Win-Situation, bei der einer von den Stärken des anderen profitieren kann“, resümierte Hufeld. Eine Erfolgsgarantie gebe es aber nicht. Entscheidend sei, dass die Geschäftsmodelle zusammenpassten und sich die Kulturen gegenseitig akzeptierten.

„Ist damit harter Wettbewerb durch Start-ups aufgehoben und hat einem Kuschelkurs Platz gemacht? Nein, mit Sicherheit nicht!“, stellte der BaFin-Präsident klar. „Wir werden noch eine Menge an Wettbewerb sehen – und das ist auch gut so.“ Hufeld wies in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle von BigTechs hin. Dabei handelt es sich um multinationale Technologieunternehmen, die das Angebot von Finanzdienstleistungen für ihren großen Kundenstamm zunehmend für sich entdecken. In China wickelten bereits Hunderte Millionen von Kunden auf diese Weise Bankgeschäfte und -dienstleistungen ab, berichtete der BaFin-Präsident.

Positive Entwicklung bei Fintechs

Mit Blick auf die Fintech-Szene in Deutschland konstatierte Hufeld eine positive Entwicklung. Der Zugang zu Kapital sei zumindest für die größten deutschen Fintechs deutlich einfacher als noch vor zwei Jahren.

Regulierer und Aufseher gälten bei vielen Fintechs nicht länger als Buhmänner, deren Vorgaben nur das Ziel hätten, unnötig Ressourcen zu binden. „Regulierung und Aufsicht dienen ja nicht irgendeinem Selbstzweck. Sie sollen den dynamischen und innovativen Finanzmärkten eine stabile Ordnung geben und das Fundament sichern, auf dem der Erfolg aller dort aktiven Unternehmen beruht: das nachhaltige Vertrauen der Kunden.“

Gewinner und Verlierer

Der Fokus der BaFin-Tech liege jedoch weniger auf Fintech-Unternehmen, sondern eher auf Fintech, also innovativen Finanztechnologien und deren Anwendung. Es gehe darum, das Gesamtbild der technologiegetriebenen Veränderungen im Finanzsektor zu erfassen.

„Wer die Gewinner der Digitalisierung sein werden und wer die Verlierer, ist offen“, fuhr Hufeld fort. Entscheidend werde sein, welchen Unternehmen es am besten gelingt, ihre Geschäftsmodelle an die neuen Gegebenheiten anzupassen und dabei die Risiken zu beherrschen, die die Digitalisierung nun einmal mit sich bringe. „Natürlich müssen auch wir an uns arbeiten und uns mit den Fragen beschäftigen, die diese massive finanztechnologische Innovationswelle an Regulierung und Aufsicht stellt.“

Klar sei nach wie vor, dass der Grundsatz „gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regel“ auch im Zeitalter der Digitalisierung gelten müsse. Aufsicht und Regulierung könnten zudem nur dann mit der Innovationsgeschwindigkeit mithalten, wenn sie vorausschauend, technologieneutral und prinzipienbasiert konzipiert seien.

Drei-Säulen-Strategie

„Operativ verfolgen wir im Umgang mit der Digitalisierung eine Drei-Säulen-Strategie“, erklärte Hufeld. „In der ersten Säule, Aufsicht und Regulierung, betrachten wir die neuen Geschäftsmodelle und die Veränderungen der Wertschöpfungsstrukturen. In der zweiten Säule nehmen wir die spezifischen aufsichtlichen Anforderungen an die IT-Sicherheit der Unternehmen in den Blick, die sich aus dem umfassenden Einsatz innovativer Technologien ergeben. Und in der dritten Säule geht es um die notwendige Anpassung unserer eigenen Organisation und Prozesse.“ Konkret bedeute dies, dass auch die BaFin ihre Strukturen immer wieder auf den Prüfstand stellen müsse. Und dass sie darüber nachdenken müsse, welche Qualifikationen sie künftig in der Aufsicht benötige. „Ich habe dabei immer einen Vergleich aus der Industrie vor Augen: Früher haben Fahrzeugbauer Autoschlosser gebraucht, heute beschäftigen sie Mechatroniker und Programmierer. Wir müssen uns deshalb fragen, was ist in der Aufsicht der Mechatroniker? Und benötigen wir auch künftig Autoschlosser?“

So entscheidend es sei, die Weichen an den Hauptgleisen der Digitalisierung richtig zu stellen, so wichtig sei es, auch in der täglichen Realität der Aufsicht schnell angemessene Antworten auf praktische aufsichtliche Fragen zu finden. „Und hier bringen uns Vernetzung und Dialog mit Wissenschaft und Unternehmen weiter“, zeigte sich Hufeld überzeugt.

Big Data und künstliche Intelligenz

Ein wichtiges Thema sei beispielsweise, wie sich der Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen und den Markt auswirken. Dabei stellten sich für die Aufsicht neue Fragen, auf die sie auch neue Antworten finden müsse – „auch auf dem Feld des Verbraucherschutzes“, betonte Hufeld. Eine ausufernde Nutzung persönlicher Daten oder gar deren Missbrauch untergrabe nicht nur das Vertrauen derer, die den Unternehmen ihre sensiblen Finanzdaten anvertrauten. Es berühre auch den Verbraucherschutz an sich. „Und dem ist die BaFin auch per Gesetz verpflichtet.“ Noch in diesem Halbjahr werde die BaFin – gemeinsam mit Partnerschaft Deutschland, dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme und der Boston Consulting Group – einen Bericht zum Thema Big Data und Künstliche Intelligenz (Big Data and Artificial Intelligence – BDAI) vorstellen.

Einen Vorgeschmack erhielten die Teilnehmer der Konferenz von Oliver Fußwinkel, Leiter des BaFin-Referats für finanztechnologische Innovationen. Er benannte die sechs zentralen Beobachtungen der Studie und ihre Implikationen für Aufsicht und Regulierung. Fußwinkel ging dabei beispielsweise auf die Beobachtung ein, dass der Innovationswettlauf um Finanzdaten längst begonnen habe. Entsprechend seien die Rahmenbedingungen für echte Datensouveränität zu fördern, um das Verbrauchervertrauen als Stabilitätsanker für nachhaltige Innovationen zu erhalten.

Datensouveränität

Die anschließende Paneldiskussion unter dem Motto „Schöne neue Finanzdatenwelt: Kundendaten und Vertrauen im Zeitalter von Big Data, API und DSGVO“ griff diesen Aspekt mit auf. Auf dem Podium saßen neben Ulf Linke, BaFin-Referatsleiter für Grundsatzfragen des Verbraucherschutzes, Dr. Friedrich G. Zuther vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Susanne Dehmel vom Digitalverband Bitkom, Thomas Bieler von der ING-Diba AG und Carlo Pacifico von Amazon Web Services Germany GmbH. Sie diskutierten über zahlreiche Fragen rund um die Datensouveränität in Zeiten von Big Data und Advanced Analytics. Welche Autorität und Kontrolle haben Kunden über die Präsenz ihrer Daten und die Darstellung in der digitalen Welt? Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen schaffen, damit diese Datensouveränität wirklich gegeben ist? Reicht es aus, dass die Kunden in die Preisgabe persönlicher Daten einwilligen, oder müssen sie dafür sensibilisiert werden, welche zusätzlichen Erkenntnisse mit Hilfe innovativer Technologien gewonnen werden können? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Datensouveränität und Vertrauen für die Marktteilnehmer?

Die Teilnehmer waren sich einig, dass Transparenz von großer Bedeutung ist, um Datensouveränität herzustellen. Hierzu zähle auch die Vernetzung von Daten, die für den Einzelnen schwer nachvollziehbar sei. Dehmel stellte zwei Aspekte heraus. Zum einen gehe es um die Zweckbindung bei der Nutzung großer Datenmengen: „Hier brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von Aufsicht und Branche.“ Zum anderen müsse geklärt werden, ein welchem Ausmaß Verbraucher in die Datennutzung einwilligen müssen. „Wenn Kunden für jeden Verarbeitungszweck separat zustimmen müssen, führt das zu einer Einwilligungsexplosion – das entwertet das Instrument“, gab Dehmel zu bedenken. Sensible Sachverhalte sollten dabei nach wie vor einer extra Einwilligung bedürfen. „Wir müssen das System aber entschlacken“, fügte sie hinzu.

Kundenschnittstelle

Ein weiteres wichtiges Thema der Paneldiskussion war die Bedeutung der Kundenschnittstelle als Eintrittstor in den Privatkundenmarkt für Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. Hier ging es unter anderem um die Rolle der Kundendaten und die Auswirkungen, die sich für die Marktstrukturen ergeben können. Die Zweite Zahlungsdiensterichtlinie verlangt, Drittanbietern Zugang zu Kundendaten zu gewähren, sofern die Kunden dem zugestimmt haben.

Noch ist aus Sicht der Diskussionsteilnehmer nicht absehbar, wie sich der Markt entwickeln wird. Für etablierte Banken beinhalte dies durchaus Chancen, sagte Bieler. Es gehe nun darum, eine Plattform zu schaffen, auf der die Kunden möglichst ihre gesamten Finanzgeschäfte abwickelten. „Es wird Gerangel geben“, wagte er einen Ausblick. Offen sei auch, wie sich die Bigtechs in dieser Frage positionierten.

Auf einen Blick:Kundenschnittstelle

Über die Kundenschnittstelle verfügt das jeweilige Unternehmen, das den direkten Kontakt zum Kunden inne hat und von diesem somit als Anbieter einer Finanzdienstleistung wahrgenommen wird.

Individualisierte und mobile Angebote

Alle Diskutierenden vertraten die Ansicht, dass etablierte Institute und Fintechs viel voneinander lernen könnten. Dabei sei es entscheidend, nah am Kunden zu arbeiten und dessen Vertrauen zu gewinnen. Schlüssel zum Erfolg seien individualisierte Angebote, etwa bei der automatisierten Beratung (Robo Advice) und bei Zahlungsdiensten.

„Wie sieht der Finanzmarkt in fünf Jahren aus?“, fragte Moderatorin Ellen Frauenknecht. Übereinstimmend rechnen die Teilnehmer des Panels mit neuen Herausforderungen für die Banken. Unter anderem werde es weniger Filialen geben, stattdessen mehr mobile Angebote sowie Änderungen bei der Beratung und den Bankprodukten. „Produkte werden einfacher. Der Kunde wird letztendlich entscheiden, was erfolgreich ist“, sagte Linke.

Kundenvertrauen

Andreas Krautscheid vom Bundesverband deutscher Banken (BdB) bekräftigte in seinem Impulsvortrag noch einmal, wie wichtig Kunden die Sicherheit ihrer Daten ist. „Kundenvertrauen ist in der digitalen Welt Gold wert, und jedem muss klar sein: Ein Kunde, der sich in diesem Punkt hintergangen fühlt, ist die längste Zeit Kunde gewesen.“ Es gehe also für die Banken darum, durch Technologie neuen Kundennutzen zu stiften und gleichzeitig absolut vertrauenswürdig zu bleiben.

Krautscheid ging auch auf die Kundeneinwilligung ein. Wenn es auf Dauer bei der Einzeleinwilligung bliebe, führe dies dazu, dass die Kunden mittelfristig den Überblick verlören. „Wir brauchen also ein digitales Datenschutz- oder Privacy-Cockpit, das den Überblick wieder herstellt und mit dem der Kunde die Kontrolle behält“, forderte Krautscheid.

Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie betonte Krautscheid, dass diese gezeigt habe, wie schwierig und zweischneidig Technologie-Regulierung sei, „nämlich wenn Regulierung die Öffnung von neuen Märkten erreichen will, aber eben durch kleinste Formulierungsdetails auch das Gegenteil für manche Geschäftsmodelle bewirken kann, etwa die komplette Abschottung oder Erschwerung von Markteintritten.“ Der aktuelle heftige Streit um Details der ePrivacy-Verordnung beruhe auf genau diesen Befürchtungen.

Blockchain

Eine weitere Paneldiskussion beschäftigte sich mit dem Thema Blockchain, auf das BaFin-Präsident Hufeld bereits in der Begrüßungsrede eingegangen war. „Sie kennen das: Wo Chancen sind, lauern auch Risiken“, betonte er. Zu den Risiken zähle beispielsweise die Pseudonymität, also die Intransparenz der Teilnehmer, bis hin zur völligen Anonymität. Sie mache Krypto-Token neben allen Potenzialen auch zu einem weiteren geeigneten Vehikel für Geldwäsche und betrügerische Vorgänge. „Wie bei anderen Phänomenen der Digitalisierung auch, besteht bei der Blockchain die Kunst darin, die Risiken zu beherrschen, ohne die Chancen zu schmälern“, so Hufeld.

Gäste auf dem Podium waren Doris Dietze vom Bundesministerium der Finanzen, Dr. Nina Siedler vom Blockchain Bundesverband , Dr. Michael Jünemann von Bird & Bird LLP sowie Michael F. Spitz von der Main Incubator GmbH. Die BaFin vertrat Thomas Trossen aus dem Referat für Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte.

Siedler erläuterte eingangs in ihrem Vortrag die Forderungen, die der Blockchain Bundesverband an die Politik gerichtet hat.1) Blockchain und ähnliche, auf Kryptografie basierende dezentrale Technologien stellten die grundlegenden infrastrukturellen Innovationen dar, um eine digitale Ökonomie auf demokratischen Strukturen in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen. Der Staat habe daher die Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen für solche innovativen Geschäftsmodelle zu schaffen. Siedler betonte, dass es ein großes Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit gebe. „Auch Einzelfallentscheidungen sollten – in anonymisierter Form – veröffentlicht werden“, erklärte sie. Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung von Krypto-Währungen erhoffe sich der Blockchain Bundesverband, dass die BaFin die Einordnung als Rechnungseinheit überdenke. Die Definition als Finanzinstrument nach dem Kreditwesengesetz führe zu Wertungswidersprüchen zum EU-rechtlichen Begriff der Finanzinstrumente nach MiFID II2). Der deutsche Sonderweg resultiere in einer Benachteiligung des Standorts Deutschland. Für die regulatorische Seite stellten Dietze und Trossen die besondere Bedeutung gerade dieser speziellen gesetzlichen Regelung in Deutschland für den Schutz der Integrität des deutschen Finanzmarkts und den Anleger klar.

Welche Potenziale die Blockchain-Technologie für den Finanzmarkt hat und ob es sich tatsächlich um eine Schlüsseltechnologie der Zukunft handelt, war ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion. Dabei ging es auch um die Frage des Rechtsrahmens. Da es sich um eine globale Technologie handele, müssten Rechtsfragen möglichst auf internationaler Ebene entschieden werden, waren sich die Diskutierenden einig. Zumindest europäische Regelungen seien in vielen Bereichen wünschenswert, zum Beispiel für Eurobonds. Hier gebe es einen europäischen Markt, so dass eine harmonisierte, europäische Lösung in den Grundfragen sinnvoll wäre. „Die Blockchain-Technologie kennt keine Grenzen“, sagte Doris Dietze. Gemeinsam mit Frankreich habe Deutschland daher eine gemeinsame Initiative auf Ebene der G 20 gestartet. Ziel sei es, die Chancen und Risiken zu analysieren und festzustellen, ob internationaler Handlungsbedarf bestehe. „Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen“, ergänzte Dietze.

Am Beispiel eines blockchain-basierten Tools für transparentes Budget-Management in der Entwicklungszusammenarbeit präsentierte Dr. Jure Zakotnik von der KfW Bankengruppe den Teilnehmern zudem, wie der Einsatz der Blockchain-Technologie in der Praxis funktioniert. „Der Mehrwert der Technologie besteht darin, dass der Workflow von den beteiligten Akteuren, in der Regel den Partnerländern, einsehbar und nachvollziehbar ist“, erklärte er. Das System bilde alle Aktionen transparent ab. Einmal eingestellte und freigegebene Informationen könnten nicht mehr geändert werden.

Workshops

Dank mehrerer paralleler Workshops konnten die Teilnehmer selbst wählen, welches Thema sie besonders vertiefen wollten. Die Ergebnisse der Workshops wurden dem Plenum anschließend präsentiert.

Im Workshop zu Big Data und künstlicher Intelligenz etwa stand die Black-Box-Modellierung im Fokus. Die Nutzung neuartiger Analyseverfahren auf Basis von Big Data und künstlicher Intelligenz darf einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nicht im Wege stehen. „Wichtig ist hier die Unterscheidung von Transparenz und Erklärbarkeit“, sagte BaFin-Referent Dr. Thomas Deckers. Auch wenn vollständige Transparenz nicht immer gewährleistet sein könne, müssten computerbasierte Entscheidungen nachvollziehbar sein. Dies werde die Aufsicht einfordern.

Beim Workshop zur Fälschungssicherheit der Blockchain-Technologie stand am Ende fest, dass eine stabile Sicherheitsarchitektur erforderlich sei. Sicherheitsmechanismen bräuchten immer eine Fall-Back-Ebene, also eine zweite Sicherheitsstruktur, auf die man im Zweifel zurückgreifen kann.

Ein weiterer Workshop befasste sich mit dem Thema Cloud-Computing. Die BaFin plant, hierzu eine Orientierungshilfe hinsichtlich der aufsichtlichen Anforderungen an Auslagerungen in die Cloud zu veröffentlichen. Auch prüft sie derzeit, ob es notwendig sein könnte, die derzeitige Rechtslage in Bezug auf Cloud-Auslagerungen zu verändern (siehe Fachartikel "Cloud-Computing: Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu Informations- und Prüfungsrechten sowie Kontrollmöglichkeiten").

Auf einen Blick:Themen der Workshops

  • Big Data trifft auf künstliche Intelligenz: Implikationen für Branche und Aufsicht
  • Initial Coin Offerings im internationalen aufsichtlichen Kontext
  • Gefahrenabwehr – ist Blockchain tatsächlich fälschungssicher?
  • Cloud-Computing: Eine aufsichtliche Einschätzung
  • Platformication: Banking im Zeitalter der API3)-Ökonomie
  • RegTech: Potenziale und Herausforderungen

IT-Kompetenz in der Geschäftsleitung

Die BaFin-Referenten Till Redenz und Dr. Constanze Wabnitz wiesen in ihrem Vortrag noch einmal darauf hin, dass die BaFin ihre Entscheidungsmaßstäbe zur Bestellung von IT-Spezialisten zu Geschäftsleitern angepasst hat (siehe auch BaFinJournal Dezember 2017). Um den Ausbau des IT-Know-hows in der Geschäftsleitung zu fördern, können im Rahmen der Einzelfallprüfung der fachlichen Eignung von Geschäftsleitern die Anforderungen an den Zeitraum, in dem vor Amtsantritt bank- beziehungsweise versicherungspraktische Erfahrungen erworben worden sein müssen, in geeigneten Fällen auf sechs Monate reduziert werden. Sofern notwendig, sollte der angehende Geschäftsleiter diesen Zeitraum zudem dafür nutzen, die theoretischen Kenntnisse in Bank- beziehungsweise Versicherungsgeschäften auszubauen und zu vertiefen, da die Anforderungen an die fachliche Eignung beim Amtsantritt erfüllt sein müssen.

Diese Verwaltungspraxis kann es den Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen erleichtern, die Geschäftsverteilung durch die Schaffung spezieller IT-Ressorts und die Einsetzung eines Vorstandsmitglieds für den IT-Bereich stärker zu diversifizieren.

Regulierung und Aufsicht

Erik Podzuweit, Gründer und Geschäftsführer der Online-Vermögensverwaltung Scalable Capital, merkte an, dass Regulierung an sich – anders als oft vorgetragen – Fintech-Innovationen weder verhindere noch verlangsame. Problematisch seien eher bestimmte gesetzliche Anforderungen, die aus der Vorzeit des Internets stammten und damit nicht mehr zum modernen Nutzerverhalten und digitalen Geschäftsmodellen passten. Ebenso seien einige Vorgaben bei der benötigten Finanzierung schnell wachsender Unternehmen im Finanzsektor hinderlich. Als Beispiel führte Podzuweit das Inhaberkontrollverfahren an. Künstliche Komplexität müsse aufgebrochen werden. Hier sei der Gesetzgeber gefragt.

Gefragt nach neuen, sich verändernden aufsichtlichen Anforderungen betonte BaFin-Präsident Hufeld: „Wir müssen unsere Aufgabe als Aufsicht erfüllen, daran wollen wir gemessen werden. Auch wir müssen mit den Entwicklungen standhalten und gegebenenfalls nachjustieren.“ Dabei gehe es nicht darum, Geschenke zu verteilen, sondern Antworten zu geben. Der Forderung nach der Einführung einer „Sandbox“ erteilte er erneut eine deutliche Absage. „Eine mit der Umsetzung von Recht und Gesetz betraute Behörde kann nicht von der Anwendung einiger Paragrafen absehen“, sagte er.

Hufeld ging auch auf den mehrfach geäußerten Wunsch von Teilnehmern nach einer internationalen Regulierung ein. „Solche Prozesse dauern mehrere Jahre. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn wir uns national einige Themen herauspicken, die wir voranbringen möchten“, merkte er an.

Digitalisierung intelligent und konsequent vorantreiben

Mit Blick auf die Branche sagte Hufeld, diese habe die Chancen erkannt, die ihr die Digitalisierung biete. Jetzt gehe es darum, wer diese konsequent und intelligent vorantreibe.
Er stellte klar, dass die Digitalisierung mit all ihrer Dynamik von Unternehmen wie Aufsicht verlange, vielfach neue Wege zu gehen. „Wohin wir uns dabei bewegen müssen, darüber wollen und müssen wir diskutieren. Und das selbstverständlich nicht nur heute, sondern dauerhaft und in einem fortlaufenden Prozess.“ Als eine der größten Finanzaufsichtsbehörden der Welt habe die BaFin den Anspruch, nicht nur im Geleitzug der Debatten mitzufahren, sondern deren Richtung mitzuprägen.

Hinweis:Rede und Präsentationen

Die BaFin hat die Rede des Präsidenten und einen Großteil der Vortragsfolien auf ihrer Internetseite veröffentlicht.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten:

  1. 1) Der Blockchain Bundesverband hat dazu zwei Papiere veröffentlicht: „Chancen und Herausforderungen einer neuen digitalen Infrastruktur für Deutschland“ und „Regulierung von Token“.
  2. 2) Markets in Financial Instruments Directive II – Zweite Finanzmarktrichtlinie.
  3. 3) Application Programming Interface – Programmierschnittstelle.

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