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Nachhaltige Finanzwirtschaft © Massimo Cavallo/fotolia.com

Erscheinung:15.05.2018 Nachhaltige Finanzwirtschaft: Veränderungen in Umwelt und Gesellschaft - Umgang der BaFin mit Risiken

Nachhaltigkeitsrisiken stellen für die Finanzwirtschaft sowohl direkt als auch indirekt eine Herausforderung dar. Zum einen können sich Schäden durch extreme Umwelt- und Klimaveränderungen oder durch die Folgen gesellschaftlicher Entwicklungen direkt auf Finanzmarktakteure auswirken, beispielsweise auf Versicherer. Zum anderen können daraus aber auch indirekte Risiken entstehen: Entwicklungen wie eine Stigmatisierung etablierter Technologien, kurzfristig veränderte politisch-ökonomische Rahmenbedingungen und ethisch-soziale Umwälzungen können zu bedeutsamen Wertverlusten der Aktiva und damit zu sogenannten Stranded Assets führen.

Daneben kann die Finanzwirtschaft selbst zu einer erfolgreichen gesellschaftlichen Transition beitragen, indem sie auf Grundlage valider Informationen aktuelle und zukünftige Anlagerisiken und -chancen adäquat bewertet und dadurch eine effiziente Kapitalallokation bewirkt. Das Ausmaß dieser Chancen und Risiken ist derzeit jedoch nur bedingt abzuschätzen.

Definition:Nachhaltige Finanzwirtschaft

Nachhaltige Finanzwirtschaft (Sustainable Finance) ist der Beitrag der Finanzmärkte zur Wandlung gesellschaftlicher, umweltbeeinflussender und wirtschaftlicher Faktoren, um der Menschheit langfristig das Überleben auf der Erde zu ermöglichen. Umwelt- und Klimarisiken bilden den größten Teil des Themenkomplexes.

Risikoorientierter Aufsichtsansatz

Oberstes Ziel der BaFin ist es, die Funktionsfähigkeit, Stabilität und Integrität des deutschen Finanzplatzes im Rahmen der europäischen Integration und der internationalen Zusammenarbeit zu sichern, zu fördern und den kollektiven Verbraucherschutz zu stärken. Entsprechend der Bedeutung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise für den Finanzsektor sowie seiner gesellschaftlichen Tragweite beschäftigt sich die BaFin seit geraumer Zeit in allen Geschäftsbereichen mit dem Thema. Denn Klima-, Umwelt- und soziale Veränderungen können materielle Risiken für einzelne Finanzmarktakteure sowie den Finanzmarkt als Ganzes bergen. Dies wird jedoch noch immer von vielen Marktteilnehmern unterschätzt.

Die BaFin verfolgt auch bei diesem Thema einen risikoorientierten Aufsichtsansatz. Sie wird Nachhaltigkeit in der laufenden Aufsicht verstärkt und systematisch berücksichtigen und sich international für möglichst einheitliche Leitlinien einsetzen.

Die beaufsichtigten Unternehmen sollen aktuelle und zukünftige Umwelt-, soziale und Governance-Risiken explizit im Risikomanagement und in ihrer strategischen Steuerung berücksichtigen, um so zu einer effizienten Kapitalallokation beizutragen und ihrer konstruktiven Rolle im Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Wirtschaft gerecht zu werden.

Zudem bringt sich die BaFin in internationale Arbeitsgruppen zum Thema ein und sucht den fachlichen Austausch mit maßgeblichen öffentlichen, privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Zu einzelnen Themenfeldern wird sie auch engere Kooperationen anstoßen. Die BaFin beobachtet außerdem innovative Entwicklungen und Initiativen der Marktteilnehmer und anderer Aufsichtsbehörden, um diese in ihre Analysen einzubeziehen und gegebenenfalls in ihr Aufsichtshandeln zu integrieren. Außerdem strengt sie Portfolio-Untersuchungen zu Kohlenstoffrisiken sowie weitere Analysen an, um zunächst Umwelt- und Klimarisiken besser bewerten und quantifizieren zu können.

Grundsätzlich wird die BaFin alle Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen und darauf achten, dass der Aufwand für Aufsicht und Marktteilnehmer angemessen ist.

Berichtswesen

Die BaFin hat im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsrisiken drei wichtige Themenfelder identifiziert: das Berichtswesen, den Umgang mit physischen und transitorischen Risiken und die Regulierung. Die Verfügbarkeit valider und standardisierter Informationen ist eine notwendige Voraussetzung, damit Marktteilnehmer Risiken adäquat in ihrem internen Risikomanagement berücksichtigen können. Aktuell besteht bei Umwelt- und Klimarisiken ein Defizit.

Es gibt jedoch bereits zahlreiche Initiativen zur Schaffung entsprechender Berichtsstandards, von denen einige derzeit implementiert werden. So schreibt die europäische CSR-Richtlinie1) für bestimmte, insbesondere große Unternehmen entsprechende Offenlegungspflichten vor. Im Juni 2017 veröffentlichte der Finanzstabilitätsrat FSB zudem unverbindliche Empfehlungen. Auch andere Gremien wie die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS und das neugegründete internationale Netzwerk NGFS (Network for Greening the Financial System) arbeiten an entsprechenden Vorschlägen. Durch die Mitgliedschaft in den jeweiligen Arbeitsgruppen ist die BaFin daran aktiv beteiligt. Dabei ist es ihr ein wichtiges Anliegen, der Gefahr einer Fragmentierung frühzeitig entgegenzuwirken und ein möglichst harmonisiertes und somit effizientes internationales Rahmenwerk zu schaffen.

Umgang mit Risiken

Standardisierte Informationen versetzen die Marktakteure in die Lage, materielle Nachhaltigkeitsrisiken zu bewerten und in ihr Risikomanagement zu integrieren. Die Berücksichtigung dieser Risiken hat mit einer stärken Langfrist-Orientierung einherzugehen, da sie sich tendenziell mittel- bis langfristig auswirken. Auf diese Weise können auch Transitionsrisiken – also Risiken, die mit der Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft einhergehen – besser identifiziert werden und ins Risikomanagement sowie die strategische Steuerung einfließen.

Da die Unternehmen selbst für ihr Risikomanagement verantwortlich sind, stehen sie in der Pflicht, Methoden und Instrumente zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken eigenständig weiterzuentwickeln. Neben Anpassungen an den Risikomodellen können auch szenariobasierte Analysen und Stresstests sinnvolle Instrumente zur Quantifizierung dieser Risiken und ihrer Wirkung in der Gesamtrisikosteuerung sein.

Die BaFin wird die Unternehmen unter ihrer Aufsicht verstärkt für das Thema sensibilisieren und die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement einfordern.

Auf einen Blick:Wichtige Themenfelder

  • Berichtswesen: Information als notwendige Voraussetzung
  • Umgang mit physischen und transitorischen Risiken
  • Regulierung, insbesondere in internationalen Arbeitsgruppen

Regulierung

Das Thema Nachhaltigkeitsrisiken erfordert aufgrund seiner globalen Dimension, der starken Vernetzung internationaler Finanzmärkte sowie der maßgeblichen supra- und internationalen Gesetzgebungs- und Standardsetzungsinitiativen ein international koordiniertes Vorgehen. Zu den zentralen Initiativen auf europäischer Ebene zählt zum einen der Ende Januar veröffentlichte Nachhaltigkeitsbericht, auf den die Europäische Kommission ihren Aktionsplan aufgebaut hat (siehe BaFinJournal März 2018). Beide Dokumente werden zentrale Ausgangspunkte für die Formulierung einer harmonisierten europäischen Strategie zu dem Thema darstellen. Darüber hinaus hat die Kommission in ihrem Vorschlag zur Änderung der Verordnungen über die drei europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs, siehe BaFinJournal Oktober 2017) vorgesehen, das Mandat der ESAs auf das Thema nachhaltige Finanzwirtschaft auszuweiten und diesem so einen größeren Stellenwert beizumessen.

Als risikoorientierte Aufsicht liegt die Aufgabe der BaFin primär darin, finanzielle Risiken zu bewerten und die Integrität der Finanzmärkte zu gewährleisten. Dabei hat sie auch deren Interdependenz mit ethischen, sozialen und umweltpolitischen Anlagekriterien zu betrachten. Sie verfolgt dabei zwei Handlungsstränge. Zum einen analysiert sie, inwieweit die bestehenden regulatorischen und aufsichtlichen Rahmenwerke mögliche Barrieren für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken enthalten, und wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf deren Abbau hin. Der europäische Nachhaltigkeitsbericht bietet hierfür eine vielversprechende Grundlage. Zum anderen ist die BaFin bestrebt, relevante internationale Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und zu bewerten, ob daraus ungewollte Nebeneffekte und Wechselwirkungen erwachsen können.

Durch diesen pro-aktiven Ansatz kann die BaFin ihre Positionen und Einschätzungen frühzeitig in internationale Gremien einspeisen, die internationalen Entwicklungen zeitnah in ihrer Aufsichtspraxis aufgreifen und auch den politischen Prozess mit ihrer Expertise begleiten. Dabei wird sie sich in ihrem Bemühen um eine risikogerechte Regulierung insbesondere dafür einsetzen, dass es keinen regulatorischen Bonus ohne sachgerechten Risikobezug gibt.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) CSR: Corporate Social Responsibility.

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