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Aufsichtsteams © istockphoto.com/FredFroese_Hintergrund

Erscheinung:18.09.2018 | Thema SSM Gemeinsame Aufsichtsteams

Aus der Praxis der europäischen Zusammenarbeit im SSM

Seit der Gründung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) vor fast vier Jahren haben sich in der täglichen Zusammenarbeit in den Gemeinsamen Aufsichtsteams (JSTs) viele gute und produktive Arbeitsbeziehungen etabliert. Der Koordinationsaufwand ist zwar größer geworden. Die enge Zusammenarbeit hat aber gleichzeitig bewirkt, dass sich Aufsichtsrecht und Aufsichtspraxis der Länder der Eurozone weiter annähern.

Wie sieht diese Zusammenarbeit in der Praxis aus? Eine seit der ersten Stunde des SSM direkt mit der europäischen Aufsicht befasste BaFin-Expertin schildert ihren vielfältigen Aufsichtsalltag und gibt einen Einblick in wesentliche Entwicklungen.

Auf einen Blick:Gemeinsame Aufsichtsteams

Die SSM-Aufsichtstätigkeit erfolgt im Rahmen eines Verwaltungsverbunds aus Europäischer Zentralbank (EZB) und den Aufsichtsbehörden jener Euroländer, in denen die jeweilige Institutsgruppe Tochterinstitute oder wesentliche Zweigniederlassungen etabliert hat. Dazu wurden sogenannte Gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams – JSTs) etabliert. BaFin und Bundesbank sind somit sowohl in den JSTs deutscher Institute vertreten als auch in denen ausländischer Banken, die in Deutschland tätig sind.

Zusammenarbeit im JST

Zuschnitt und Organisation der JSTs unterscheiden sich in ähnlichem Maße wie Komplexität, Größe und Risikoprofil der beaufsichtigten Banken. So kann das JST eines kleineren signifikanten Instituts, das keine Tochterinstitute außerhalb Deutschlands hat, aus wenigen Mitarbeitern der Europäischen Zentralbank (EZB), der BaFin und der Bundesbank bestehen.

Bei international tätigen systemrelevanten Bankengruppen dagegen sind es auch schon mal weit mehr als 50 Teammitglieder. Neben der EZB sind dies Vertreter der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten, in denen die Bankengruppe aktiv ist.

In den vergangenen vier Jahren haben die JSTs zu einem immer besser funktionierenden Modus der gemeinsamen Aufgabenerledigung gefunden. Ihre Selbstorganisation erfolgt in der Regel durch die Bildung fester Risikoteams – auch Cluster oder Risikountergruppen genannt –, die sich bei regelmäßigen Treffen und Telefonkonferenzen austauschen. Die tägliche Arbeitssprache ist Englisch. Einheitliche IT-Systeme der EZB, moderne Kommunikationssysteme und Aufsichtswerkzeuge sind fester Bestandteil der JST-Arbeit.

BaFin und Bundesbank teilen sich die tägliche Arbeit innerhalb der JSTs auf und stimmen sich kontinuierlich ab. Ebenso sind die Mitarbeiter der EZB sowie die Vertreter der ausländischen Aufsichtsbehörden in diesen routinierten Abstimmungsprozess einbezogen. Auf diese Weise bringt jede Behörde spezifische Kenntnisse und Erfahrungen ein, die zu einer gemeinsam getragenen Entscheidung führen.

Aufsichtsarbeit innerhalb des SSM

Die Aufsichtsarbeit im SSM beinhaltet zahlreiche quantitative und qualitative Elemente. Neben risikoorientierten Analysen und Untersuchungen liegt ein besonderer Fokus auf vergleichenden Betrachtungen der Institute der gesamten Eurozone. Diese Quervergleiche verbessern die Informationsbasis für die Aufsicht und unterstützen das Ziel des SSM, vergleichbare Aufsichtsanforderungen und damit faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb Europas zu schaffen.

Im Zentrum steht der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP, siehe BaFinJournal Juli 2018), der für jedes signifikante Institut einmal jährlich durchzuführen ist. Darin werden unter anderem das Geschäftsmodell, die Unternehmenssteuerung (Governance) und das Risikomanagement sowie kapital- und liquiditätsbezogene Risiken analysiert. Der SREP-Beschluss kann die Festlegung konkreter qualitativer Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Mängel sowie quantitative Kapital- und Liquiditätsanforderungen umfassen. Je nach Bankprofil können SREP-Beschlüsse also variieren.

Daneben werden im SSM viele zentrale Initiativen durchgeführt und ausgewertet, beispielweise Überprüfungen zu thematischen Schwerpunkten und zeitgleiche Prüfungskampagnen für mehrere vergleichbare signifikante Institute. Auch der grundlegende Zuschnitt der Aufsichtsplanung (Supervisory Examination Program) orientiert sich für die 120 signifikanten Institute an einheitlichen Vorgaben, dem „Minimum Engagement Level“. Dabei werden per Clustering-Verfahren zunächst Daten zu Geschäftsmodell, Risikogehalt und Größe des Instituts berücksichtigt. Ergänzt wird das Aufsichtsprogramm im Rahmen der risikoorientierten vorausschauenden SSM-Aufsicht durch weitere Aktivitäten wie Aufsichtsgespräche, Sonderprüfungen und vertiefte Analysen (Deep Dives).

Der Weg zur endgültigen Entscheidung ist im SSM allerdings deutlich langwieriger geworden. Bei der Vorbereitung einer Entscheidungsvorlage sind alle Behörden zu beteiligen, die Mitglied im jeweiligen JST sind. Die Entscheidung trifft das Aufsichtsgremium der EZB (Supervisory Board), abschließend muss der EZB-Rat noch zustimmen.

Deutschland hat, wie jedes Land, bei allen Entscheidungen im Supervisory Board eine Stimme. Durch die Mitgliedschaft des BaFin-Präsidenten im Supervisory Board und die Mitwirkung der Aufsichtsreferate in den JSTs ist der gesamte Prozess von der Entstehung und Vorbereitung aufsichtlicher Handlungen bis hin zu ihrer endgültigen Entscheidung verklammert.

Wenn ein Institut außerhalb des Euroraums über Tochter- oder Mutterinstitute verfügt – oder je nach deren Bedeutung auch Zweigniederlassungen –, ist die internationale Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden eine weitere zentrale Aufgabe des zuständigen JSTs.

Gegenseitiges Verständnis

Die JST-Gruppenperspektive ermöglicht zusätzliche Erkenntnisse, die für die Aufsicht über national bedeutende Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen systemrelevanter SSM-Institute hilfreich sind, deren Muttergesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. Die gemeinsame Arbeit bringt vertieftes Wissen über Rechtsordnung und Kultur dieser Länder mit sich. Umgekehrt bringt die BaFin ihre nationale Aufsichtsperspektive in die JST-Arbeit ein.

Auch nach vier Jahren intensiver Arbeit in den international besetzten JSTs sind Aufsichtskultur und Rechtsgrundlagen in Europa zwar nicht einheitlich. Das gegenseitige Verständnis für nationale Besonderheiten ist jedoch selbstverständlicher geworden und wächst durch die tägliche Zusammenarbeit stetig.

Auf einen Blick:Was ist der SSM?

Mit dem Start des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) am 4. November 2014 hat die Europäische Zentralbank (EZB) vor fast vier Jahren die direkte Aufsicht über knapp 120 bedeutende Großbanken (Signifikante Institute – SIs) in 19 Euroländern übernommen. Davon stellen die 21 Institute aus Deutschland den größten nationalen Anteil. Der SSM bildet neben der Abwicklungsfunktion (Single Resolution Mechanism – SRM) und den zu harmonisierenden Regelungen der Einlagensicherung auf Basis der entsprechenden Richtlinie die erste von drei Säulen der sogenannten Bankenunion. Auf der Grundlage eines einheitlichen Regelwerks für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum, dem Single Rulebook, sollen möglichst gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field) geschaffen werden. Damit dient der SSM der finanziellen Stabilität in Europa und der Stärkung der Eurozone und ist zugleich unmittelbarer Teil der europäischen Idee.

Rolle der BaFin als Allfinanzaufsicht

Im SSM kommt der BaFin als integrierter Allfinanzaufsichtsbehörde eine besondere Funktion zu, denn sie bringt langjährige Erfahrungen in der Banken-, Versicherungs-, Wertpapier- und Verhaltensaufsicht sowie dem Verbraucherschutz ein. Da große Bankengruppen eng mit der gesamten Finanzbranche verwoben sind, sind diese Kenntnisse im SSM geschätzt und gefragt.

Die Mitwirkung in den JSTs ermöglicht es zugleich, Erkenntnisse aus der europäischen Aufsichtspraxis zu gewinnen, die für die Aufsicht über die circa 1.700 weniger bedeutenden Institute (Less Significant Institutions) von Nutzen sein können. Für diese ist die BaFin weiterhin direkt zuständig. Ihre Arbeit wird im Rahmen der indirekten Aufsicht durch die EZB mit überwacht.

Die BaFin bringt sich damit vielfältig in die komplexe SSM-Aufsicht ein und trägt damit zur Stärkung der nationalen und internationalen Finanzstabilität bei. Gleichzeitig liefert sie durch die Mitarbeit im SSM täglich einen Beitrag zur Weiterentwicklung der europäischen Grundidee – der Gestaltung einer Einheit in Vielfalt.

Autorin

Dr. Angelika Sporenberg
BaFin-Referat für Bankenaufsicht; JST-Mitglied

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