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Konferenz © Anton Gvozdikov / Fotolia.com

Erscheinung:20.11.2018 Abwicklung

Erste Abwicklungskonferenz in Frankfurt am Main

Die BaFin, seit Anfang 2018 auch Nationale Abwicklungsbehörde, lud zu ihrer ersten Abwicklungskonferenz nach Frankfurt ein. Vor 180 Gästen sprachen hochrangige Referenten aus Aufsicht, Wissenschaft und Industrie.

Instrumentarium? Nicht vorhanden. FMSA1? Gerade neu errichtet. SRB2? Noch nicht in Sicht. So habe sich die Situation 2008, im Auge des Sturms der Finanzkrise, dargestellt, beschrieb BaFin-Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch in seiner Begrüßung. „Eine Konferenz zu Abwicklungsthemen vor zehn Jahren hätte mir die Schweißperlen auf die Stirn getrieben“, gab er zu. Heute, fuhr er fort, stehe man deutlich besser da und müsse keine Grundsatzdiskussionen mehr führen. Auf der Agenda stehe nun die juristische und operative Feinjustierung dessen, was gemeinsam in den vergangenen zehn Jahren auf globaler und europäischer Ebene geschaffen wurde.

Resolution ist mehr als Abwicklung

Für Dr. Christopher Pleister, den Leiter des Beschwerdeausschusses des SRB, ist die Übertragung eines bestandsgefährdeten Instituts das „schönste“ der verfügbaren Abwicklungsmaßnahmen. Die abwicklungsfähige Bank sei bereits Realität, sagte er in seiner Eröffnungsrede. Entscheidend sei, was es koste und wer zahle. In den Mittelpunkt seiner Rede stellte Pleister drei Thesen. Erstens: Das vorhandene Instrumentarium sei soweit ausgereift, dass es auch für die Stabilisierung großer Kreditinstitute eingesetzt werden könne. Zweitens: Für die Verwertung von Restbestandteilen einer Bank müssten klare Konzepte vorliegen, und die Aufsicht über solche Einheiten müsste bei der Abwicklungsbehörde liegen. Drittens: Im Falle einer systemischen Krise könne die Währungsunion nicht ohne die Gesamthaftung aller EU-Staaten gesichert werden.

Von der Utopie zur Realität

Pleister nahm auch an der anschließenden Paneldiskussion teil, die sich der Frage widmete, ob die abwicklungsfähige Bank nun bereits Realität oder gar Utopie sei. Dr. Manfred Heemann, Leiter der Abteilung Grundsatz, Recht und Gremien im Geschäftsbereich A der BaFin, moderierte die mit hochkarätigen Vertretern aus Aufsicht, Wissenschaft und Praxis besetzte Gesprächsrunde. Heeman leitete das Panel mit den aus seiner Sicht notwendigen drei Zutaten für eine Abwicklung ein: Zunächst bedürfe es eines klaren Rechtsrahmens mit passendem Instrumentarium. Zum zweiten würden eine Abwicklungsplanung und eine staatliche Behörde benötigt, die diese umsetzt. Zutat Nummer drei: Die abwicklungsfähige Bank.

„Wie halten wir den Staat davon ab, Banken zu retten?“ Aus dem Blickwinkel der Wissenschaft beleuchtete das Thema Abwicklung Professor Dr. Jan Pieter Krahnen, Bankenexperte von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Direktor des Forschungszentrums SAFE. Seine Kernbotschaft: Der Schlüssel zum Erhalt der Finanzstabilität in Europa sei die private Haftung im Bankensektor. Der Staat hingegen müsse außen vor bleiben – für Krahnen die zentrale Herausforderung. Wenn das gelinge, könne aus der Utopie der abwicklungsfähigen Bank Realität werden.

Glas halbvoll

„Das Glas ist halbvoll und füllt sich schnell.“ Diesen optimistischen Blick in die Zukunft wagte Stefan Walter, Director General Microprudential Supervision I bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor war Walter Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht BCBS. In dieser Funktion habe er die Aufarbeitung der Krise hautnah miterlebt, sagte er und sprach von einer „revolutionären Entwicklung“ seit 2008. Die Aufsicht muss nach Walters Einschätzung in erster Linie verhindern, dass es überhaupt zu Krisen komme. Träten krisenhafte Entwicklungen dennoch ein, sei der gegenseitige Informationsaustausch essentiell. Walter verwies auf das mit dem SRB geschlossene Memorandum of Understanding (MoU).

Für Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstands des Bundesverbands deutscher Banken, ist die abwicklungsfähige Bank mit Blick auf kleine Institute bereits Realität. Abwicklungen auf rein vertraglicher Grundlage durch die freiwillige Einlagensicherung seien ein erprobtes und bewährtes Mittel. Sie fänden regelmäßig statt. Bei großen Banken seien Komplexität und Skalierbarkeit herausfordernd. Ossig sieht Europa diesbezüglich aber auf einem guten Weg.

Auf die Frage von Heemann, wie man den Staat denn nun aus der Abwicklung von Banken heraushalten könne, antwortete Pleister, dass er, was kleine Institute angehe, keine Probleme dahingehend sehe. Bei den großen Banken stelle sich die Frage, wie man rechtlich und wirtschaftlich optimal abwickle. Alleingänge einzelner Staaten lehnte Pleister ab und forderte, die Autorität des SRB zu stärken. Einzig das Liquiditätsproblem bei einer systemischen Krise ist seiner Ansicht nach ohne Beteiligung europäischer Institutionen wie der EZB und des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, kaum lösbar.

Sehr große Einheiten abwickelbar machen

Am Mittag stand Exekutivdirektor Pötzsch in einem Pressegespräch zahlreichen Journalisten Rede und Antwort. Viele Print- und Onlinemedien griffen beispielsweise seine Aussage auf, dass man in der Lage sei, auch „sehr große Einheiten abwickelbar zu machen“. Außerdem trat Pötzsch Befürchtungen entgegen, der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union werde den Bail-in bzw. die Abwicklungsfähigkeit von Banken beeinträchtigen.

Planung und Strategien

Hinweis:Vorträge

Die Vortragsfolien sind auf der Internetseite der BaFin veröffentlicht.

„Abwicklungsplanung ist mehr als das Schreiben eines Plans.“ Diese Botschaft richtete Svetlana Dimova, Leiterin der BaFin-Abteilung Abwicklungsplanung, an die Zuhörerschaft. In ihrem Vortrag unter dem Titel „Realität der Abwicklungsplanung“ ging Dimova auf den Status Quo in Deutschland ein und beschrieb die Komplexität der Abwicklungsplanung und des Bankenuniversums in Deutschland, insbesondere mit Blick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei SRB-Instituten. Thomas von Lüpke, Referatsleiter Abwicklungsplanung SRB Home Banken 1, referierte über institutsspezifische Abwicklungsstrategien. Er beantwortete die Frage, worauf es ankomme, und erwähnte dabei vor allem die Kommunikation als wichtigen Aspekt, um Vertrauen zu schaffen, den „Business Reorganisation Plan“ als gesetzliche Anforderung und die Rolle der Treasurer für die Liquidität im Krisenfall.

Einen Überblick über vereinfachte Anforderungen in der Abwicklungsplanung gab Karen Dohrmann, Referatsleiterin Abwicklungsplanung Non­SRB Home Banken 1. Kernaussage: Abwicklungsplanung erfolgt nach dem Proportionalitätsgrundsatz in Abhängigkeit von der Systemrelevanz. Dohrmann erklärte die Methodik zur Anwendung von vereinfachten Anforderungen und stellte Abwicklungsplantypen vor. Außerdem skizzierte sie Abwicklungsplanungsaktivitäten von weniger bedeutenden Instituten (LSIs).

MREL, Bail-in und Bankenabgabe

Dr. Johannes Schneider, Leiter des BaFin-Referats Abwicklungsinstrumente, klärte, was Krisenbereitschaft der Behörde und Abwicklungsfähigkeit des Instituts bedeuten und was in beiden Fällen getan werden muss, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Wie die MREL-Quote festgelegt wird, erörterte Dr. Sven Balder, Referatsleiter Ökonomische Grundsatzfragen. Er skizzierte Grundlagen und stellte die MREL-Strategien des SRB und der BaFin vor. Zudem berichtete Balder über Änderungen im Rahmen des Pakets von Maßnahmen zur Verringerung der Risiken im Bankensektor, mit dem in der Europäischen Union die Reformen umgesetzt werden sollen, die nach der Finanzkrise 2007/2008 international vereinbart worden sind.

Definition:MREL

MREL ist die Abkürzung für Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities. Die deutsche Bezeichnung: Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. Diese Anforderung dient dazu, die Abwicklungsfähigkeit von Banken sicherzustellen. Alle Institute müssen grundsätzlich eine MREL-Quote erfüllen. Vor allem sollen ausreichend Verbindlichkeiten für das Instrument der Gläubigerbeteiligung, den Bail-In, vorhanden sein. Die MREL-Quote ist institutsspezifisch, basiert auf den Eigenmittelanforderungen der europäischen Eigenmittelverordnung (Capital Requirements RegulationCRR) und hängt von der Abwicklungsstrategie ab. Sie ist für jedes Institut auf Einzelbasis und für die Gruppe auf konsolidierter Basis festzulegen.

Welche Bail-in-Instrumente stehen zur Verfügung? Welche Ziele werden verfolgt? Welchen Herausforderungen ist mit welchen Lösungen zu begegnen? Antworten auf diese und andere Fragen gab Schneider im Laufe seines zweiten Vortrags. Titel: Die Operationalisierung des Bail-in.

Und dann ging es schließlich ums Geld: Eva Petkes, stellvertretende Leiterin des Referats AG 5, stellte die aktuellen Entwicklungen bei der Bankenabgabe vor. Neu: Die Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP) der BaFin ist um das Fachverfahren „Bankenabgabe“ erweitert worden und kann zur Abgabe der Meldungen genutzt werden. Start war am 8. November, die Meldefrist endet am 31. Januar 2019. Voraussichtlich ab Mitte April 2019 verschickt die BaFin die Bankenabgabebescheide.

Exekutivdirektor Pötzsch resümierte am Ende der Veranstaltung: „Die Diskussionen und Vorträge haben gezeigt: Es hat Sinn, eine solche Veranstaltung zu wiederholen. Das werden wir nächstes Jahr auch tun.“

Hinweis

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Fußnoten:

  1. 1 Das Kürzel FMSA steht für Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Die FMSA fungierte zwischen 2015 und 2018 unter anderem als Nationale Abwicklungsbehörde.
  2. 2 SRB steht für Single Resolution Board (Ausschuss für die einheitliche Abwicklung). Der SRB ist die zentrale Abwicklungsbehörde in der Europäischen Bankenunion. Gemeinsam mit den Nationalen Abwicklungsbehörden der Mitgliedstaaten bildet der SRB den SSM, den Single Resolution Mechanism (Einheitlicher Abwicklungsmechanismus.

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