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Zinszusatzreserve Korridormethode © istockphoto.com/Eugeneonline

Erscheinung:16.11.2018 Korridormethode

Regeln zur Berechnung der Zinszusatzreserve geändert

Das Bundesfinanzministerium hat die Vorgaben für die Berechnung der Zinszusatzreserve (ZZR) geändert. Die Dritte Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vom 10. Oktober 2018 gilt bereits ab dem Geschäftsjahr 2018.

Das Ministerium reagierte mit der Modifikation auf die Entwicklung des Kapitalmarktumfelds seit der Einführung der Zinszusatzreserve im Jahr 2011. Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus galt es, das Wechselspiel zwischen der Absicherung bestehender Garantieverpflichtungen und der Vorwegnahme künftiger Kapitalerträge neu zu justieren.

Im BaFinJournal August 2017 ist die Rechtslage und ihre Wirkung auf Versicherungsunternehmen und Kunden ausführlich dargestellt worden. Diese Darstellung behält auch nach der Änderung weitgehend ihre Gültigkeit. Festzuhalten bleibt, dass die zentrale gesetzliche Vorgabe des Handelsgesetzbuchs – § 341f – unverändert bleibt: Bei der Berechnung der Rückstellung für Zinsgarantien sind die derzeitigen und die erwarteten Erträge der Kapitalanlagen des Unternehmens zu berücksichtigen. Die Deckungsrückstellungsverordnung legt lediglich fest, wie die Unternehmen die künftigen Erträge zu ermitteln haben.

Auf einen Blick:Zinszusatzreserve

Die Zinszusatzreserve (ZZR) ist 2011 eingeführt worden, um Lebensversicherer für Zeiten anhaltend niedriger Zinsen zu rüsten. Hintergrund: Lebensversicherer übernehmen langfristige Garantien – vor allem in der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherung. Um diese Garantien dauerhaft sicherzustellen, müssen die Unternehmen handelsrechtliche Rückstellungen in Form der Deckungsrückstellung nach § 341f des Handelsgesetzbuchs (HGB) und der Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) bilden. Die Zinszusatzreserve ist Teil dieser Deckungsrückstellung. Die zusätzliche Reserve dient dem Ziel, Vorsorge für die Zeit zu betreiben, in der die Kapitalerträge alleine nicht mehr ausreichen, um die Zinsgarantien von Lebensversicherungsverträgen aus Zeiten mit deutlich höherem Zinsniveau zu finanzieren. Laufen diese Verträge nach und nach aus, wird die Reserve entsprechend aufgelöst.

Inhalt der Änderung

Die jetzt in Kraft getretene Änderung betrifft nur einen, wenn auch wichtigen Baustein der Regelung: die Bestimmung des Referenzzinses, der der Bemessung der Zinszusatzreserve dient. Der Referenzzins bestimmte sich bislang mechanisch als Durchschnittssatz der langfristigen Kapitalmarktzinsen der letzten zehn Jahre und konnte sich daher von Jahr zu Jahr deutlich ändern. Künftig wird die jährliche Änderung begrenzt, indem sich der neue Wert nur in einem Korridor um den bisherigen Wert ändern kann. Die Breite des Korridors hängt davon ab, wie weit die aktuellen Kapitalmarktzinsen von dem bisherigen Referenzzins abweichen.

Mit der Änderung ist es künftig auch nicht mehr möglich, dass der Referenzzins weiter sinkt, obwohl die aktuellen Marktzinsen bereits höher gestiegen sind.

Auswirkungen auf die Höhe der Deckungsrückstellung

Auf einen Blick:Zinszusatzreserve 2017 und 2018

Im Geschäftsjahr 2017 haben die 84 unter Aufsicht der BaFin stehenden Lebensversicherer für die Zinszusatzreserve insgesamt etwa 15 Milliarden Euro aufgewendet. Insgesamt ist die Reserve damit bis Ende 2017 auf rund 60 Milliarden Euro gewachsen. Ende 2018 wird sie bei etwa 65 Milliarden Euro liegen. Dank der Neureglung der Berechnungsmethode werden die Unternehmen nur rund fünf Milliarden Euro zuführen müssen, etwa 15 Milliarden Euro weniger als nach der alten Regelung.

Die Änderung wirkt sich erstmals auf die Höhe der Deckungsrückstellung zum 31. Dezember 2018 aus. Der Referenzzins sinkt von 2,21 auf 2,09 Prozent. Die bisher in der Zinszusatzreserve enthaltenen Sicherungsmittel in Höhe von rund 60 Milliarden Euro bleiben in vollem Umfang erhalten, und es werden für das Geschäftsjahr 2018 voraus-sichtlich weitere fünf Milliarden Euro zugeführt. Damit wird die mittlerweile zu starke Dynamik der bisherigen Regelung gedämpft. Danach hätten die Versicherer für das laufende Geschäftsjahr 20 Milliarden Euro zuführen müssen (siehe Interview mit BaFin-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund).

Geht man für die nächsten Jahre von einem konstanten Zinsniveau aus, führt die Änderung der Verordnung zunächst zu einem weiteren Anstieg der Zinszusatzreserve. Dieser fällt aber gegenüber der bisherigen Regelung deutlich moderater aus. Ähnliches gilt für die in einigen Jahren erwartete Auflösung der Zinszusatzreserve: Sie beginnt etwas später und verläuft in kleineren Schritten.

Nach der von der BaFin regelmäßig vorgenommenen Prognoserechnung ist die Finanzierung der Zinsgarantien auch durch diesen niedrigeren Verlauf ausreichend sichergestellt.

Auswirkungen auf die Kunden

Viele Versicherungsunternehmen mussten bislang zur Finanzierung der Zinszusatzreserve im erheblichen Umfang Bewertungsreserven auflösen und Risikogewinne verwenden. Durch die Neuregelung wird dies künftig nur noch in geringerem Umfang erforderlich sein. Damit erhalten die Unternehmen wieder mehr Flexibilität in der Kapitalanlage und der Überschussbeteiligung. Die Gefahr, dass Unternehmen ausschließlich aus bilanziellen Gründen Entnahmen aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung vornehmen müssen, ist deutlich gesunken.

Die bisherige Regelung hätte im gegenwärtigen Zinsniveau zu einer übertriebenen bilanziellen Vorsorge geführt, die vor allem Kunden mit niedrigeren Zinsgarantien belastet hätte. Insgesamt ist die Neuregelung damit auch ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

Auf einen Blick:Drei Fragen an Dr. Frank Grund zur neuen Rechenformel für die Zinszusatzreserve

Herr Dr. Grund, wie beurteilen Sie die Entscheidung der Bundesregierung, die Regelungen zur Berechnung der Zinszusatzreserve zu ändern?

So richtig es 2011 war, die Zinszusatzreserve einzuführen, so notwendig ist es nun, die Berechnungsmethode zu ändern. Die Rekalibrierung verhindert einen unangemessen schnellen Aufbau der Zinszusatzreserve, der die Unternehmen möglicherweise überfordert hätte und damit auch schlecht für die Kunden dieser Unternehmen gewesen wäre.

Die Entscheidung hat also keine negativen Auswirkungen auf die Kunden von Lebensversicherungsunternehmen?

Nein. An den Garantieversprechen gegenüber den Kunden ändert sich nichts. Und die bestehende Zinszusatzreserve, also das Polster, das sicherstellt, dass die Versicherer auch in der Niedrigzinsphase die höheren Garantien aus früheren Jahren erfüllen können, bleibt unangetastet. Es ist lediglich die Entscheidung getroffen worden, es langsamer anwachsen zu lassen.

Sind die Probleme der Branche mit dem Niedrigzinsniveau damit gelöst?

Solange die Niedrigzinsphase anhält, wird sie für die Versicherungsunternehmen eine Herausforderung bleiben. Es gibt viele Möglichkeiten wie neue Garantieformen‎ oder den internen Run-Off. Für uns als Aufsicht bleibt bei allen Lösungen der Schutz der Versicherungsnehmer und Begünstigten entscheidend.

Autor

Dr. Kay-Uwe Schaumlöffel
Abteilungsleiter Gruppenaufsicht und Themenschwerpunkte Lebensversicherungen, Sterbekassen und Kapitalanlage

Hinweis

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