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Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht in Bonn © istockphoto.com / Meinzahn

Erscheinung:20.11.2018 Versicherungsaufsicht

Jahreskonferenz zum Thema „Neue Herausforderungen für Aufsicht und Branche“ rückte Proportionalität in den Fokus

Die Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht am 13. November im World Conference Center Bonn stand im Zeichen der Aufsichtsschwerpunkte 2019. Dazu zählte Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages etwa Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Besondere Bedeutung maß er der Proportionalität bei. Dieser Grundsatz ist ein Kernelement des europäischen Aufsichtsregimes Solvency II, das Anfang 2016 in Kraft trat. Im übernächsten Jahr findet ein Gesamt-Review des Regelwerks statt. „Mir ist wichtig, dass Solvency II nicht zerredet wird. Das Aufsichtsregime hat sich im Grunde bewährt, aber man kann es natürlich noch besser machen“, kommentierte Grund und äußerte damit Verständnis für gewisse Änderungswünsche, die Branchenvertreter auch bei der Jahreskonferenz äußern sollten.

„Nicht nur die Regulierung, sondern auch unser Aufsichtshandeln muss proportional sein“, sagte Grund weiter. Für die BaFin bedeute das, dass sich ihre Aufsicht an der Art, dem Umfang und der Komplexität der Risiken des beaufsichtigten Unternehmens orientieren müsse.

Grund machte deutlich, dass sich der Grundsatz der Proportionalität nicht nur auf Solvency II beschränken kann. „Gerade die EbAV-II-Richtlinie und ihre beabsichtigte Umsetzung in deutsches Recht messen diesem Grundsatz einen sehr hohen Stellenwert zu“, sagte er in seiner Keynote mit Blick auf die zahlreichen Vertreter von Pensionskassen.

Gesetzliche Rentenszenarien

Der Zukunft der Altersversorgung widmete sich Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen vom Institut für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der auch an der Universität Bergen in Norwegen lehrt. In kurzweiligen Worten führte er aus, dass die Zukunft unsicher sei, weil man nicht wisse, was komme. Was man früher unterlassen habe, wirke sich aber später aus, das gelte etwa für die Demographie. Raffelhüschen kritisierte, dass in der jüngeren Vergangenheit gesetzliche Rentenszenarien entworfen worden seien, die nicht mehr als generationen- und verursachergerecht bezeichnet werden könnten.

Die Aufsichtsschwerpunkte fanden ihren Niederschlag auch in den drei parallelen Panel-Diskussionen, die nach der Mittagspause im großen Plenum zusammengefasst wurden, um die wesentlichen Erkenntnisse mit allen Besuchern zu teilen. „Nachhaltige Investments und langfristige Verbindlichkeiten – Ergänzung oder Widerspruch?“ lautete die Ausgangsfrage eines Panels, das von Ludger Hanenberg, Abteilungsleiter Grundsatzthemen, bei der BaFin moderiert wurde. Als Einstieg in das Panel war eine Mehrheit der Teilnehmer in einer Umfrage zu der Einschätzung gelangt, dass die Chancen nachhaltiger Investments die Risiken überwiegen.

Panels zu Schwerpunkten der Aufsicht

„Im Panel wurde der Förderung langfristiger und - damit auch nachhaltiger - Investments ein bedeutender Stellenwert zugemessen, der auch in der Regulatorik weiterhin eine hohe Bedeutung zukommen sollte“, führte Hanenberg aus. Er verwies zudem auf die Nachhaltigkeitskonferenz der BaFin im Mai 2019.

Im Panel „Proportionalität“ lautete die Leitfrage, über die das Publikum abstimmen konnte: „Sind Sie zufrieden mit den Auswirkungen des Proportionalitätsprinzips?“ Rund vier Fünftel der Zuhörer zeigten sich in der Abstimmung per Mentimeter-App eher unzufrieden mit dem Grundsatz. In der von Elke Washausen-Richter, Abteilungsleiterin Aufsicht über internationale Gruppen, moderierten Debatte ging es vornehmlich um die Proportionalität im Sinne von Solvency II. Der Gesamt-Review des Aufsichtsregimes 2020 wurde von Aufsehern und Industrievertretern begrüßt, ebenso eine mögliche Ausweitung des Proportionalitätsprinzips auf das „Ob“, also die Frage, ob einzelne Regelungen für bestimmte Versicherer komplett entfallen können. Besonders intensiv wurde über den Mehrwert des Solvenz- und Finanzberichts (Solvency and Financial Condition Report – SFCR; siehe BaFinJournal September 2018) für die Öffentlichkeit diskutiert.

Dem Wettbewerb zwischen etablierten Versicherungsunternehmen und neuen Anbietern widmete sich das dritte Panel mit dem Titel „Fragmentierung der Wertschöpfungskette und neue Geschäftsmodelle“. Axel Oster, Abteilungsleiter Gruppenaufsicht und Themenschwerpunkte Schaden-/Unfallversicherungen sowie Spezialthemen, fasste die Debatte so zusammen: „Unabhängig von der Frage, ob es zu einer Disruption kommt oder nicht, steht fest, dass wir uns in einem permanenten Entwicklungsprozess befinden, der zudem mit steigender Komplexität einhergeht.“ Der Nutzen von Digitalisierungsprozessen für den Kunden sei der in Zukunft entscheidende Wettbewerbsfaktor. Die BaFin ergreife im Wettbewerb selbstverständlich für niemanden Partei.

Streitthema Provisionsdeckel

Im Anschluss an die Wrap-ups der Paneldiskussionen moderierte Antje Kullrich, Börsen-Zeitung, ein Gespräch zwischen Dr. Gerhard Schick, Bündnis 90/Die Grünen, Frank Schäffler, FDP, beide Mitglieder des Deutschen Bundestages, und Dr. Frank Grund. Dabei ging es unter anderem um das Instrument des Provisionsdeckels. Während sich Schäffler in der Lebensversicherung deutlich dagegen aussprach, hielt Schick den Provisionsdeckel im Übergang vom provisionsbasierten Vertrieb zu einer Finanzberatung, die sich ausschließlich am Kundeninteresse orientiert, für angemessen. Grund betonte das Interesse der Aufsicht an einer Klarstellung, was unter Fehlanreizen im Sinne des § 48 a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zu verstehen sei. Sollte der Gesetzgeber keinen gesetzlichen Provisionsdeckel einführen, müsste die BaFin hier eine Einschätzung vornehmen.

In der abschließenden offenen Fragerunde, an der auch Gabriel Bernardino, Chairman der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA, teilnahm, kamen weitere Lebensversicherungsthemen wie etwa Run-Offs zur Sprache.

Die 460 Teilnehmer konnten sich zum Ende eines erkenntnisreichen Tages mit abwechslungsreichen Formaten und spannenden Debatten den 29. Oktober als nächsten Termin für die Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht notieren.

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