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Marktverhalten der Versicherungsunternehmen © C. Schüßler - stock.adobe.com

Erscheinung:19.12.2018 | Thema Verbraucherschutz Das Marktverhalten von Versicherern

Ihre Entscheidungen in der Produktentwicklung und an den Schnittstellen zum Kunden zeigen, ob es Versicherern gelingt, die Belange ihrer Kunden und damit auch sich selbst zu schützen.

Wie sich ein Versicherer am Markt verhält, entscheidet maßgeblich über seine Reputation, die Zufriedenheit seiner Kunden und damit letztlich über seinen Erfolg. Das Marktverhalten (Business Conduct) eines Versicherers äußert sich zum Beispiel darin, wie er seine Kunden informiert, wie er mit Beschwerden umgeht und wie passgenau er eine Deckung ausgestaltet.

Risiken für Verbraucher

Das Verhalten eines Versicherers am Markt stellt für einen Kunden immer dann eine Gefahr dar, wenn es nicht risikoadäquat ist. Ein typisches Beispiel hierfür sind Verträge, die den Bedürfnissen des Kunden nicht entsprechen, weil dieser den Vertrag nicht benötigt oder der Vertrag keinen ausreichenden Deckungsschutz bietet. Ferner entstehen auch Risiken, wenn einem Kunden oder einer ganzen Kundengruppe kein Vertrag angeboten wird, obwohl der Abschluss einer Versicherung geboten wäre.

Reputationsrisiko für Versicherer

Da das Marktverhalten eines Unternehmens integraler Bestandteil seiner Geschäftstätigkeit ist, kann die Aufsicht über das Marktverhalten nicht isoliert von der Solvenzaufsicht eines Versicherungsunternehmens betrachtet werden.
Zusätzlich zu den Nachteilen für den Verbraucher geht eine Verletzung von Wohlverhaltenspflichten gegenüber dem Kunden mit operationellen Risiken für einzelne Unternehmen einher – etwa wenn aus fehlerhafter Aufklärung des Verbrauchers Rückforderungsansprüche oder Schadenersatzansprüche gegen den Versicherer resultieren. Darüber hinaus kann Fehlverhalten auf Seiten eines einzelnen Versicherers das Verbrauchervertrauen nicht nur in diesen Anbieter, sondern in die gesamte Branche beeinträchtigen.

Während im Bereich der Solvenzaufsicht durch Solvency II bereits eine breite gemeinsame Basis für die Aufsichtstätigkeit gelegt ist, befindet sich das Gerüst für eine europaweite Aufsicht über das Marktverhalten von Versicherern noch im Entwicklungsstadium.

Strategische Ansätze von EIOPA

Auf einen Blick:Erkenntnisse über das Verbraucherverhalten im europäischen Versicherungsmarkt

In den vergangenen Jahren hat EIOPA eine Reihe von Berichten erstellt, aus denen sich ein Bild über das Verbraucherverhalten im europäischen Versicherungsmarkt ergibt. Dazu gehört insbesondere der jährlich erscheinende Bericht über Verbrauchertrends. Er bietet anhand von quantitativen und qualitativen Informationen aus verschiedenen EU-Ländern eine Momentaufnahme von Entwicklungen in den Versicherungs- und Rentenmärkten. Seine siebte und jüngste Ausgabe erscheint Mitte Dezember 2018. Sie greift insbesondere die Veränderung des Marktes auf Ebene der Anbieter und der Produkte und die Digitalisierung auf.

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA verfolgt einige strategische Ansätze, um die unterschiedlichen Aufsichtspraktiken in ihren Mitgliedsländern einander anzunähern. So veröffentlichte sie im Januar 2016 ihre Strategie für eine präventive und risikobasierte Aufsicht über das Marktverhalten von Versicherungsunternehmen und verfeinerte sie im April 2018 noch einmal.

EIOPA generiert Kenntnisse über das Verbraucherverhalten im europäischen Versicherungsmarkt, die Versicherer mit Blick auf ihr künftiges Verhalten am Markt berücksichtigen können. So wird diesen Monat bereits zum siebten Mal in kontinuierlich verbesserter Form der EIOPA-Bericht über Verbrauchertrends veröffentlicht. EIOPA bündelt seine Arbeiten und Analysen zum Verbraucherschutz auf ihrer Webseite unter der Rubrik „Consumer Protection“.

Von den Unternehmen fordert EIOPA eine klare Kundenorientierung. Das Management trage die Verantwortung für die Produktentwicklung und die Anreize im Vertrieb.

Das deckt sich mit dem Anspruch der BaFin, die ein Mandat zum kollektiven Verbraucherschutz hat und deren oberstes Ziel es ist, die Belange von Versicherungsnehmern und Begünstigten zu schützen.

Herangehensweise der BaFin

Die BaFin setzt sich intensiv mit dem Marktverhalten von Versicherern auseinander – und das über nationale Grenzen hinweg. Zum Beispiel tauscht sie sich unter dem virtuellen Dach von EIOPA über gemeinsame Plattformen mit Aufsichtsbehörden anderer Länder über das Marktverhalten grenzüberschreitend agierender Unternehmen aus.

Außerdem ist die BaFin Mitglied einer EIOPA-Expertengruppe, die die risikobasierte Aufsicht über das Marktverhalten der Unternehmen weiter intensivieren soll. Erstes Arbeitsergebnis dieser Gruppe ist ein Rahmenwerk zur Analyse von Risiken, die über den Lebenszyklus eines Versicherungsvertrages auf Seiten des Kunden entstehen können. Denn aus dem Geschäftsmodell eines Versicherers, aus dem allgemeinen Produktmanagement, aus der Entwicklung des konkreten Produkts, aus der Art und Weise des Vertriebs und aus der Digitalisierung einzelner Elemente oder Dienstleistungen der Wertschöpfungskette können sich Risiken für Verbraucher ergeben. Der Bericht berücksichtigt bestehende gesetzliche und aufsichtliche Vorgaben wie das Produktfreigabeverfahren (siehe BaFinJournal Februar 2018), die Informations- und Offenlegungspflichten für vorvertragliche Produktinformationen sowie alle Verhaltenspflichten aus Vertriebsaktivitäten.

Weiterhin befasst sich die Expertengruppe damit, Maßstäbe für Verbraucherschutz-Maßnahmen auf europäischer Ebene zu entwickeln. Sie reichen bis hin zum Instrument der Produktintervention als aufsichtlicher Ultima Ratio auch in der Versicherungsbranche.

Risikomatrix und Frühwarnsystem

In weiteren Schritten soll aus diesem derzeit noch theoretischen Fundament eine dynamische Risikomatrix zur Erfassung von Produktrisiken entwickelt werden, die auf Daten der nationalen Aufsichtsbehörden wie der BaFin basiert. Ziel ist ein Frühwarnsystem für präventives Aufsichtshandeln gegen verbrauchergefährdendes Marktverhalten auf europäischer Ebene.

Autorin

Ursula Gerold
BaFin-Referat für Verbraucherschutz international

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