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Abbildung von Würfeln, die von zwei Personen in Form eines Diagramms gestapelt werden (Symbolfoto). © istockphoto.com/solidcolours

Erscheinung:16.01.2019 | Thema Eigenmittel, Solvabilität Berichterstattung zur Veränderungsanalyse

Eine erstmalige Untersuchung der BaFin zeigt, dass die Solvency-II-Eigenmittel der Versicherer steigen und dass die Unternehmen diese Veränderungen im Großen und Ganzen schlüssig erläutern können

Die Berichterstattung der Versicherer zur Veränderung der Eigenmittel nach dem europäischen Aufsichtsregime Solvency II (siehe „Wichtige Solvency-II-Kennzahlen und ihre Berechnung“) erfüllt aus Sicht der BaFin ihren aufsichtlichen Zweck, bietet also der Aufsicht eine Möglichkeit, Veränderungen bei den Eigenmitteln der Unternehmen zu untersuchen. Gleichwohl sieht die Aufsicht Verbesserungsbedarf.

Auf einen Blick:Wichtige Solvency-II-Kennzahlen und ihre

Unter Solvency II ergeben sich die Eigenmittel – vereinfacht ausgedrückt – als Differenz zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten.

Die Verbindlichkeiten von Versicherungsunternehmen bestehen im Wesentlichen aus den versicherungstechnischen Rückstellungen. Diese werden unter Solvency II in der Regel als Summe aus einem Besten Schätzwert und einer Risikomarge berechnet.
Der Beste Schätzwert ist die Summe aller unter realistischen Annahmen geschätzten zukünftigen wahrscheinlichkeitsgewichteten und diskontierten Zahlungsströme, denen das Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist. In der Nicht-Lebensversicherung etwa besteht der Beste Schätzwert aus einer Prämien- und einer Schadenrückstellung.

Die Risikomarge ist eine Art Risikoprämie, die ein sachkundiger Investor zur Übernahme und Abwicklung des Versicherungsbestandes verlangen würde.

Der Überschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten hat verschiedene Bestandteile, wovon insbesondere die Ausgleichsrücklage stärker schwankt und sich eine Veränderung der Eigenmittel oft in ihr niederschlägt. In der Lebens- und Krankenversicherung spielen zudem noch Veränderungen beim Überschussfonds eine wichtige Rolle.

Versicherer mussten für das Geschäftsjahr 2017 erstmalig Berichtsformulare (siehe „Die vier Einzelformulare des Berichtspakets zur Veränderungsanalyse“) bei der BaFin einreichen. Darin sollten sie die Veränderungen der Eigenmittel vom 31. Dezember 2016 auf den 31. Dezember 2017 näher erklären. Die BaFin hat sich intensiv mit den ausführlichen Berichtspaketen auseinandergesetzt. Zuvor hatte die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA den Versicherern schriftliche Hinweise gegeben.

Auf einen Blick:Die vier Einzelformulare des Berichtspakets zur Veränderungsanalyse

  • S.29.01: Im ersten Berichtsformular (S.29.01) quantifizieren die Versicherer zunächst die wesentlichen Posten, welche die Veränderung des Überschusses der Solvency-II-Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten erklären.
  • S.29.02 und S.29.03: Anschließend analysieren sie in zwei weiteren Berichtsformularen die Haupttreiber der Eigenmittelveränderungen näher, also Kapitalanlagen (S.29.02) und versicherungstechnische Rückstellungen (S.29.03). Die versicherungstechnischen Rückstellungen, insbesondere den Besten Schätzwert, zerlegen die Versicherer dabei in einzelne Risikotreiber.

    Formular S.29.03 erweist sich als besonders komplex: So wird zum Beispiel der Beste Schätzwert bei Änderungen ökonomischer Annahmen wie etwa der Zinsstrukturkurve oder bei Änderungen der versicherungstechnischen Annahmen, wozu unter anderem Stornoquoten zählen, jeweils separat neu ermittelt. Die BaFin empfiehlt den Unternehmen, der Berechnungsreihenfolge des Berichtsformulars zu folgen. Die Unternehmen können aber auch eine andere Reihenfolge wählen, solange ihre Ausführungen die aktuarielle Analyse des Unternehmens im Zeitablauf korrekt widerspiegeln.

  • S.29.04: Im vierten Berichtsformular findet schließlich eine detaillierte periodengerechte Abgrenzung der versicherungstechnischen Zahlungsströme sowie des versicherungstechnischen Ergebnisses (ohne Berücksichtigung der Risikomarge) pro Geschäftsbereich statt. Dieses Berichtsformular gibt insbesondere einen kompakten Überblick darüber, wie profitabel verschiedene Geschäftsbereiche sind.

In den beiden letztgenannten Berichtsformularen (S.29.03 und S.29.04) sind unterschiedliche Tabellen konzipiert, welche die Spezifika des Leben- und Nicht-Leben-Geschäftes separat erfassen.

Datenqualität und Einheitlichkeit

Angesichts der Tatsache, dass die komplexen Berichtsformulare erstmalig einzureichen waren, fand die BaFin die Datenqualität und Einheitlichkeit auf Gesamtmarktebene größtenteils akzeptabel. Dennoch sind Verbesserungen von hohem aufsichtlichem Interesse.

Negativ aufgefallen sind in mehreren Fällen unvollständige Berichtsformulare sowie Vorzeichenfehler. Für bestimmte Zellen der Formulare sind negative Vorzeichen vorgesehen. Hierzu gehören unter anderem die Effekte aus der Aufzinsung (Unwinding), die Neutralisation projizierter Zahlungsströme aus dem Geschäftsjahr und die ausgebuchten Nicht-Leben-Renten in dem Berichtsformular S.29.03.

Bei ihrer Auswertung hat die BaFin auch festgestellt, dass einige Unternehmen den Gesamtbeitrag der versicherungstechnischen Rückstellungen zur Veränderung des Postens „Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten“ (Zeile R0360 im Berichtsformular S.29.03) fehlerhaft ermittelt haben. Da es von hohem aufsichtlichem Interesse ist, dass dieser materielle Posten die Veränderungen der Eigenmittel schlüssig erklären kann, empfiehlt die BaFin den Unternehmen, in Zukunft die in der EIOPA-Hilfestellung dargelegte korrekte Berechnungsmethode anzuwenden.

Spartenübergreifende Erkenntnisse

Spartenübergreifend zeigt die erstmalige Untersuchung der BaFin: Trotz leichter Erhöhung der versicherungstechnischen Rückstellungen haben sich im Marktdurchschnitt die Solvency-II-Eigenmittel im Geschäftsjahr 2017 erhöht.

Aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Risikoprofile hat die BaFin die Berichtsformulare auf Branchenebene getrennt und für das Leben- sowie das Nicht-Leben-Geschäft separat ausgewertet. Das Krankenversicherungsgeschäft nach Art der Lebensversicherung wurde dem Leben-Geschäft, das Krankenversicherungsgeschäft nach Art der Schadenversicherung hingegen dem Nicht-Leben-Geschäft zugeordnet. Das Rückversicherungsgeschäft fiel überwiegend unter das Nicht-Leben-Geschäft.

Nicht-Leben-Geschäft

Die Veränderung des Überschusses der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten geht bei den Nicht-Leben-Versicherern überwiegend auf Veränderungen der versicherungstechnischen Rückstellungen zurück. Der Beste Schätzwert ist ein wesentlicher Bestandteil der versicherungstechnischen Rückstellungen. Dessen Veränderung wiederum wurde durch die Prämienrückstellungen für zukünftige Anfalljahre, durch die versicherungstechnischen Rückstellungen für das aktuelle Anfalljahr und durch die Neutralisation der versicherungstechnischen Zahlungsströme getrieben. Währungseffekte und Zinseffekte spielten dagegen kaum eine Rolle bei der Veränderung des Besten Schätzwertes.

Als Hauptbestandteil des Überschusses erwies sich die Ausgleichsrücklage.

Die Untersuchung der BaFin zeigte zudem, dass Unternehmen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Risikotreiber „Erfahrungsvarianz“ und „nichtökonomische Annahmen“ im Berichtsformular S.29.03 hatten.

  • Grundsätzlich fallen alle Änderungen des Besten Schätzwertes, die auf neue Informationen zurückzuführen sind, etwa die neue Diagonale im Abwicklungsdreieck, unter den Risikotreiber „Erfahrungsvarianz“. Die neuen Informationen führen insbesondere auch dazu, dass sich die Modellparameter bei der unveränderten Anwendung desselben Reservierungsverfahrens ändern. Zum Beispiel ergeben sich durch die neue Diagonale im Abwicklungsdreieck auch neue Chain-Ladder-Abwicklungsfaktoren. Diese Effekte sind ebenfalls unter dem Risikotreiber „Erfahrungsvarianz“ zu erfassen.
  • Der Risikotreiber „nichtökonomische Annahmen“ hingegen bildet die Auswirkungen einer veränderten Reservierungsmethodik ab. Hierzu zählen ein Wechsel in der Reservierungsmethodik, eine potentiell andere Mischung der Methoden, ferner Änderungen bei der Tailschätzung (also der Reserveschätzung für noch nicht abgewickeltes Geschäft über den Beobachtungszeitraum hinaus) oder spezifische neue Datenanpassungen, zum Beispiel die Elimination eines bestimmten Kalenderjahres.

Schließlich stellt die Zuordnung der direkten Schadenregulierungskosten zum Posten „Aufwendungen“ in den Berichtsformularen S.29.03 und S.29.04 die Unternehmen vor praktische Herausforderungen, da diese nicht ohne weiteres aus den Abwicklungsdreiecken separiert werden können. Solange aber die Posten „Ansprüche und Leistungen“ und „Aufwendungen“ in Summe korrekt erfasst sind, hat die Zuordnung der direkten Schadenregulierungskosten keinen Einfluss auf die Veränderung der Solvency-II-Eigenmittel. Daher können direkte Schadenregulierungskosten auch unter dem Posten „Ansprüche und Leistungen“ erfasst werden.

Erkenntnisse aus dem Leben-Geschäft

Bei den Lebens- und Krankenversicherern ergibt sich nach Abzug der Verbindlichkeiten von den Vermögenswerten ein Überschuss, der höher liegt als in den Vorjahren. Die Veränderung des Besten Schätzwertes auf Seiten der Verbindlichkeiten wird überwiegend getrieben durch die versicherungstechnische Rückstellung für das aktuelle Zeichnungsjahr, die Neutralisation der versicherungstechnischen Zahlungsströme, die Erfahrungsvarianz und die Änderung von ökonomischen Annahmen. Die Veränderungen auf Seiten der Vermögenswerte sind auf zinsgetriebene Kapitalanlagen zurückzuführen.

Im Gegensatz zu den Nicht-Lebensversicherern spielen bei den Lebens- und Krankenversicherern auch Modelländerungen (Zelle „Außergewöhnliche Elemente“ in S.29.03) und insbesondere Zinseffekte eine wesentliche Rolle bei der Erklärung der Veränderung des Besten Schätzwertes.

Ausblick auf den Review 2020

Die BaFin wird auch in den kommenden Jahren die Berichtsformulare auf Branchenebene näher analysieren. Sie geht davon aus, dass eine höhere Datenqualität den Nutzen der Veränderungsanalyse weiter erhöht. Bei der Gesamtüberprüfung von Solvency II im Jahr 2020 kommt auch das Berichtswesen als solches auf den Prüfstand.

Die BaFin will in der europäischen Diskussion darauf hinwirken, dass das Berichtswesen schlanker und aufsichtlich effektiver wird. Basierend auf ihren bisherigen Erkenntnissen wird die BaFin kritisch prüfen, welche Informationen aus ihrer Sicht künftig verzichtbar sind und welche bislang nicht erhobenen Informationen ergänzt werden müssten. Der Datenqualität der Berichtspakete 2018 kommt vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung zu.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 01/2019 (Download)

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