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Abbildung eines roten und grünen Apfels. Die Äpfel werden von einer Person zum Vergleich nebeneinander gehalten (Symbolfoto). © istockphoto.com/aluxum

Erscheinung:18.02.2019 MiFID II

Fortschritte bei Product Governance

Schwieriger Kostenvergleich, Taping mit Pausentaste, effiziente Zielmarktbestimmung: Ergebnisse der MiFID-II-Marktuntersuchung der BaFin.

Im zweiten Halbjahr 2018 hat die BaFin eine Marktuntersuchung zu einigen neuen Verhaltens- und Organisationsregeln nach der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) durchgeführt: Zur Product Governance wurden 55 Institute befragt – darunter 25 Finanzdienstleistungsinstitute, fünf Wertpapierhandelsbanken sowie 25 Banken und Sparkassen. Jeweils 30 Institute äußerten sich zum Umsetzungsstand der MiFID-II-Bestimmungen zur Aufzeichnungspflicht (Taping), Geeignetheitserklärung und Kostentransparenz. Darunter waren jeweils 25 Finanzdienstleistungsinstitute und fünf Wertpapierhandelsbanken.

Auf einen Blick:Die MiFID II im BaFinJournal

Das BaFinJournal hat 2018 eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht, die die wichtigsten Neuerungen der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) aus Verbraucherperspektive darstellten. Darin ging es um die Aufzeichnung von Telefongesprächen, das Taping (Juni-Ausgabe), um die Kosteninformationen für Kunden (Juli-Ausgabe), um Zuwendungen, die Banken von dritter Seite erhalten (August-Ausgabe), sowie um die Geeignetheitserklärung (September-Ausgabe).

Über das Taping, die Geeignetheitserklärung und die Kostentransparenz speziell bei Banken und Sparkassen hat das BaFinJournal in seiner Mai-Ausgabe informiert.

Pausen-Knopf stoppt Aufnahme

Ihren Aufzeichnungspflichten (Taping) kommen die befragten Finanzdienstleistungsinstitute und Wertpapierhandelsbanken generell nach. Die technische Umsetzung ist ihnen offenbar weitgehend geglückt. In der Untersuchung fiel jedoch auf, dass fast die Hälfte der befragten Institute eine Unterbrechungsfunktion in Form eines Pausen-Knopfs eingerichtet hat, um Gesprächsteile von der Aufzeichnung auszunehmen. Zudem beschränkten sich Aufzeichnungen vereinzelt auf eine unzureichende nachträgliche Gesprächszusammenfassung, wohingegen das eigentliche Gespräch nicht auf Band war. Keiner der Kunden hat bei den im Untersuchungszeitraum insgesamt erstellten 11.505 Tapes der Aufzeichnung widersprochen.

Kosten nur schwer vergleichbar

Die Marktuntersuchung der BaFin zeigte, dass die Finanzdienstleistungsinstitute und Wertpapierhandelsbanken für Aufbau, Struktur und Berechnungsmethode der Kosteninformation noch keine einheitliche Marktpraxis entwickelt haben. Die Informationen sind daher für Kunden nur schwer vergleichbar. Wie auch bei Banken und Sparkassen stellt die überwiegende Zahl der Institute die Kosten erfreulicherweise auf Grundlage der tatsächlich vom Kunden investierten Anlagebeträge dar – dies ist kundenfreundlicher als eine Berechnung, die auf Muster-Beträgen beruht. Zudem informieren Institute freiwillig in einem Detailgrad über Kosten, der eigentlich erst auf Kundennachfrage erforderlich wäre. Negativ fielen in der Stichprobenauswertung einige unvollständige und rechnerisch falsche Kostenausweise auf. Außerdem fehlten einige gesetzlich vorgeschriebene Kostenkomponenten.

Formelhafte Behauptung der Geeignetheit

Die bei der Anlageberatung gegenüber Privatkunden zu erstellende Geeignetheitserklärung spielte in der Marktuntersuchung nur eine untergeordnete Rolle, da die befragten Finanzdienstleistungsinstitute und Wertpapierhandelsbanken im Wesentlichen die Finanzportfolioberatung erbringen oder professionelle Kunden beraten. In den wenigen Business-to-Consumer-Fällen, in denen sie zu erstellen war, dokumentierten die Geeignetheitserklärungen nur selten den vollständigen Abgleich zwischen den Kundenangaben und den Eigenschaften des empfohlenen Finanzinstruments. Häufig stützten sich die Institute lediglich auf die formelhafte und zweckfremde Behauptung, das Finanzinstrument entspreche den Angaben des Kunden.

Product Governance: Zielmarktbestimmung erleichtert

Definition:Zielmarkt

Mit dem Zielmarkt legt der Konzepteur fest, mit welchen Kundenbedürfnissen und -merkmalen das Produkt vereinbar ist (positiver Zielmarkt) und mit welchen es sich nicht vereinen lässt (negativer Zielmarkt). Der Zielmarkt beschreibt also die Anforderungen, die ein Produkt an den Zielkunden stellt. Entscheidend sind dabei fünf Zielmarktkategorien: die Kundenkategorie, Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, seine finanzielle Situation, Risikotoleranz, Ziele und Bedürfnisse.

Maßgeblich sind für die ganz überwiegende Zahl der Banken, Sparkassen und Finanzdienstleistungsinstitute bei der Umsetzung von Product-Governance-Pflichten zwei Standards:

  • das „Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten“ (MaComp) der BaFin, insbesondere BT 5,
  • der Mindeststandard von Deutscher Kreditwirtschaft (DK), Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) und Deutschem Derivate Verband (DDV) zur Zielmarktbestimmung für Wertpapiere. Durch diesen Standard werden der Prozess der Zielmarktbestimmung durch Hersteller (Konzepteure) und die Konkretisierung des Zielmarktes bzw. der Zielmarktabgleich durch die Vertriebsunternehmen erheblich vereinfacht. Das einheitliche Format erlaubt zudem eine reibungslose Kommunikation zwischen Konzepteuren und Vertriebsunternehmen und ermöglicht die Integration der Zielmarktinformationen in den Bestand des von zahlreichen Häusern genutzten WM-Datenservices.

Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung lautet daher: Dank der Standardisierung funktionieren die Erstellung, die Konkretisierung und der Abgleich der Zielmärkte gut. Vereinzelt erscheinen die Ausführungen zu bestimmten Zielmarktkategorien aber verbesserungswürdig: So fiel zum Beispiel auf, wie oft als Anlageziel „Vermögensbildung bzw. Optimierung“ angegeben wurde, obwohl es noch andere vordefinierte Ziele wie etwa die spezifische Altersvorsorge gibt. Bei einigen Anlageprodukten wäre eine stärkere Differenzierung wünschenswert gewesen. Die BaFin geht jedoch davon aus, dass die Bestimmung des Zielmarktes bald noch weiter an Kontur gewinnen wird – etwa durch die Änderungen, die im Rahmen der Konsultation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in MiFID II vorgeschlagen werden (siehe BaFinJournal Januar 2019).

Negativer Zielmarkt und Proportionalität

Darüber hinaus wird die BaFin die weitere Entwicklung des negativen Zielmarktes und die Umsetzung des Proportionalitätsprinzips beobachten: Nur die allerwenigsten Konzepteure (und Vermögensverwalter für Anlagestrategien) legten für ihre Produkte einen negativen Zielmarkt fest. Zudem war in manchen Fällen nicht ersichtlich, dass Konzepteure und Vertriebsunternehmen bei besonders risikoreichen, komplexen oder illiquiden Produkten eine höhere Sorgfalt bei der Durchführung der Product-Governance-Prozesse an den Tag legten. Dazu sind sie aber gesetzlich verpflichtet.

Die Marktuntersuchung zur Product Governance hat schließlich aufgezeigt, dass es kleineren Instituten zunehmend schwerer fällt, komplexen und umfangreichen regulatorischen Vorgaben neben dem Tagesgeschäft Rechnung zu tragen. Die größeren Häuser hingegen sahen sich der Herausforderung ausgesetzt, die neuen Prozesse in das Gefüge der bereits bestehenden Prozesse einzufügen. Umso notwendiger sind europäische Handreichungen wie die Product-Governance-Guidelines der ESMA und nationale Hilfestellungen wie die MaComp der BaFin.

Autor

Dr. Thorsten Becker
BaFin-Fachreferat Grundsatzfragen FDI-Aufsicht und Organisationspflichten

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 02/2019 (Download)

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