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Abbildung von zusammengerollten Euroscheinen ©weyo/fotolia.com

Erscheinung:01.07.2019 | Thema Makroaufsicht Viel erreicht, aber noch nicht am Ziel

Kapitalausstattung der Banken: BaFin-Rückschau zehn Jahre nach der Finanzkrise

Der Beginn der Finanzkrise, oft datiert auf den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008, liegt nun über zehn Jahre zurück. Seitdem befindet sich die Bankenlandschaft in Deutschland und Europa in einem kontinuierlichen Wandel. Einige sehr große Institute sind vom Markt verschwunden, andere sind geschrumpft oder in einer Fusion aufgegangen.

In mehreren Schritten wurde die Bankenregulierung deutlich verschärft und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Implementierung wichtiger regulatorischer Projekte – zum Beispiel die Finalisierung des globalen Rahmenwerks Basel III (siehe BaFinJournal Dezember 2017) – dauert an. Mit dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) ist auch eine ganz neue behördliche Struktur entstanden, die sicherstellt, dass die regulatorischen Anforderungen in der Eurozone auch einheitlich umgesetzt werden. Der SSM feiert im Herbst sein fünfjähriges Bestehen (siehe BaFinJournal November 2013) und so ist es ein guter Zeitpunkt für eine Rückschau.

Ausgangsfrage ist dabei, wie viel stabiler der Bankensektor in Deutschland und Europa im vergangenen Jahrzehnt tatsächlich geworden ist. Sind die Institute besser gegen Krisen gewappnet und inwieweit lässt sich das quantifizieren?

Gesamtschau: Anforderungen sind deutlich gestiegen, Kapitalquoten der Banken ebenfalls

Der deutliche Anstieg der Eigenkapitalanforderungen ist vielleicht die offensichtlichste Konsequenz, die Aufseher und Regulatoren aus der Finanzkrise gezogen haben. Im Zuge von Basel III und der Weiterentwicklung der Institutsaufsicht wurden die Definitionen von risikogewichteten Aktiva (Risk-Weighted AssetsRWA) und Kapital verschärft. Zusätzlich wurden die Kapitalanforderungen an Banken prozentual fast verdreifacht und stehen im SSM nun bei rund 11,5 Prozent hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1 – CET1). Erhöhte Grundanforderungen, neue Kapitalpuffer, die sich auf anderweitig systemrelevante Institute (A-SRIs) oder global systemrelevante Institute (G-SRIs) beziehen, sowie der bankspezifische Kapitalaufschlag aus dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process SREP) haben dazu beigetragen.

Die Banken können diese gestiegenen Anforderungen insgesamt aber erfüllen. Die Kapitalquoten von Banken in Deutschland und der Eurozone sind seit 2008 deutlich gestiegen. Im Verhältnis zu den RWA halten die Banken also deutlich mehr Kapital vor. Für die Eurozone ist seit 2008 ein Anstieg um rund 5 Prozentpunkte von knapp 9 Prozent Kernkapital (Tier 1) auf über 14 Prozent CET1 heute zu beobachten. Ein gleichlaufender Effekt zeigt sich in Deutschland, hier stieg die Kapitalquote um gut 6 Prozentpunkte, von etwa 10 Prozent Kernkapital Ende 2008 auf rund 16 Prozent CET1 im Jahr 2018 (siehe Grafik 1, auch zur Methodik).Somit liegen die Banken deutlich über der regulatorisch vorgegebenen Mindestkapitalanforderung.

Grafik 1: Kapitalquoten in der Eurozone/SSM1

Grafische Darstellung der Kapitalquoten in der Eurozone/SSM Grafik 1: Kapitalquoten in der Eurozone/SSM1

Eine parallele Entwicklung lässt sich bei der Leverage Ratio, also dem Verhältnis vom Kapital zur Bilanzsumme, beobachten. Die Leverage Ratio verdoppelte sich in Deutschland seit 2008 von rund 3 Prozent auf über 6 Prozent. In Europa vollzog sich eine ähnliche Entwicklung.

Kontinuierliche Erhöhung des absoluten Kapitals im System

Etwa die Hälfte der Erhöhung der Kapitalquote stammt aus dem Anstieg von absolutem Kapital. Der Anstieg des CET1 in der Eurozone beträgt etwa 300 Milliarden Euro (siehe Grafik 1, auch zur Methodik). Der Effekt in Deutschland ist ähnlich und beläuft sich nach BaFin-Berechnungen auf mindestens 100 Milliarden Euro.

Dies war eine gleichmäßige Entwicklung über die vergangenen zehn Jahre und ist im Aggregat auch sichtbar, wenn man buchhalterisches Kapital betrachtet. Dies weist darauf hin, dass es sich um neu aufgebautes Kapital handelt, und nicht um die reine Umetikettierung vorhandener Kapitalinstrumente.

Deutlicher RWA-Abbau zwischen 2008 und 2013

Der Anstieg der Kapitalquoten geht rund zur Hälfte aber auch auf einen RWA-Rückgang um gut 20 Prozent seit 2008 zurück. Dieser vollzog sich im Wesentlichen bis 2013 und betraf primär die RWA aus dem Kreditrisiko. Wenig spricht dafür, dass eine verringerte Kreditvergabe an die Realwirtschaft der einzige Treiber für den RWA-Rückgang war. Aus der Vielzahl der Einflussfaktoren lassen sich zwei Entwicklungen herausheben:

Zum einen bauten die Banken in den Jahren nach 2008 in großem Umfang die Altlasten der Finanzkrise ab. Aktiva, die in der Vergangenheit höhere Verluste verzeichnet hatten, waren mit hohen RWA behaftet und ihr Abbau wirkte somit besonders stark auf die RWA-Bestände der Banken insgesamt.

Zum anderen kam es zur Einführung der auf internen Ratings basierenden Verfahren (Internal Ratings Based ApproachIRBA), also regulatorisch genehmigter Modelle zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen im Kreditrisiko. Ziel war es, die Banken zum Aufbau und zur Nutzung risikosensitiver Modelle zu bewegen, was in einigen Forderungsklassen auch zu RWA-Ersparnis gegenüber den stark pauschalisierten Standardansätzen führte und als zusätzlicher Anreiz zur Verwendung solcher Modelle im Risikomanagement diente. Allerdings ist eine intensive aufsichtliche Prüfung und Genehmigung Voraussetzung für den Einsatz solcher interner Modelle. Zudem ist die Verwendung an umfangreiche Anforderungen an das interne Risikomanagement und die Validierung gekoppelt.

Sinkende Risikogewichte im Fokus

von mikro- und makroprudenzieller Aufsicht In den vergangenen fünf Jahren blieben die RWA im Gesamtsystem relativ stabil. Es gab leichte Verschiebungen, aber keine grundlegenden Reduktionen mehr (siehe Grafik 2). Auch die RWA-Volumina aus dem Kreditrisiko im IRBA bleiben konstant. Allerdings lassen sich gerade im wichtigen Geschäft mit Unternehmenskunden sinkende Risikogewichte beobachten, was bedeutet, dass die Banken im Verhältnis zum Geschäftsvolumen etwas weniger RWA ausweisen.

Grafik 2: Kreditvolumen, RWA und Risikogewichte deutscher IRBA-Institute

Grafische Darstellung der Kreditvolumen, RWA und Risikogewichte deutscher IRBA-Institute Grafik 2: Kreditvolumen, RWA und Risikogewichte deutscher IRBA-Institute

Diese Abnahme der Risikogewichte ist nicht monokausal zu erklären. Manche Banken in Deutschland haben ihre Geschäfte beispielsweise mehr auf gut besicherte, kurzlaufende Transaktionen verlagert. Auch setzte sich der Abbau von spezifischen Portfolien wie etwa Schiffsfinanzierungen in den vergangenen Jahren weiter fort.

Der mögliche Effekt der guten Konjunktur der letzten Jahre auf die Risikomessung der Banken, vor allem auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten, ist auch Teil der fortlaufenden Untersuchungen und Überwachung. Die Risikokennzahlen deutscher Unternehmen und Haushalte – dazu zählen etwa Insolvenzquoten und die Verschuldung – zeichneten zuletzt ein positives Bild. Dementsprechend schätzen einige Banken die Risiken in ihren Portfolien geringer ein als noch vor einigen Jahren. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die RWA bei einer abflauenden Konjunktur über Gebühr steigen und die heute sichtbaren Kapitalquoten nicht nachhaltig sind.

AFS empfiehlt Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers

Ein derart zyklisches systemisches Risiko wurde auf Ebene der makroprudenziellen, auf das System bezogenen, Aufsicht identifiziert. Es wird befürchtet, dass Banken Konjunkturrisiken nicht vollständig erfassen und aus der Kombination mit Immobilien- und Zinsrisiken eine Gefährdungslage entsteht. Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss für Finanzstabilität AFS in seiner Sitzung am 27. Mai 2019 der BaFin empfohlen, den inländischen antizyklischen Kapitalpuffer (Countercyclical Capital BufferCCyB) ab dem dritten Quartal 2019 zu aktivieren und auf 0,25 Prozent anzuheben (siehe Meldung „Finanzstabilität“).Komplementär dazu stehen umfängliche Arbeiten der mikroprudenziellen, auf das einzelne Institut bezogenen, Aufsicht. Die Effekte einer Rezession werden durch regelmäßige aufsichtliche Stresstests auf deutscher und europäischer Ebene untersucht (siehe BaFinJournal April 2019).

Dies umfasst allein in Deutschland fast 1.500 kleinere Institute. Hierbei wird dann auch konkret simuliert, inwieweit die Kapitalausstattung der Institute für ein Szenario von makroökonomischem Stress und den damit verbundenen Kreditausfällen ausreichend ist. Der jüngste europaweite Stresstest 2018 zeigte beispielsweise eine erhöhte Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber finanziellen Schocks. Ergänzend dazu führen BaFin und Bundesbank aktuell Umfragen sowohl zur befürchteten Erosion der Kreditvergabestandards als auch zu den Risiken im Immobiliengeschäft durch.

Ein zentrales Thema bleibt für die Aufsicht zudem die kontinuierliche Überprüfung der regulatorischen Modelle und insbesondere die Analyse der RWA-Variabilität. Auf Basis bisheriger Erfahrungen hegt die BaFin aber keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Nutzung von aufsichtlichen internen Modellen. Diese Einschätzung bestätigt sich auch immer wieder in internationalen Projekten, so etwa im Targeted Review of Internal Models (TRIM) und im EBA-Benchmarking (siehe Infokasten „Internationale Arbeiten zu Internen Modellen“). Zudem wird die RWA-Variabilität auch verstärkt im Rahmen der Finalisierung von Basel III und der schrittweisen Einführung der Änderungen untersucht.

Auf einen Blick:Internationale Arbeiten zu Internen Modellen

EBA-Benchmarking

Jährlich findet ein aufsichtlicher Vergleich der Ergebnisse der internen Ansätze gemäß Artikel 78 der europäischen Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) statt. Im Kreditrisiko ist dabei immer eine gewisse Variabilität der risikogewichteten Aktiva (Risk-Weighted AssetsRWA) über die beteiligten Banken hinweg zu beobachten. Sie erklärt sich überwiegend durch einfache Treiber wie zum Beispiel den Anteil der ausgefallenen Exposures, die Portfoliozusammensetzung und die geografische Durchmischung. Die Schwankungen sind als Variabilität durchaus erwünscht, da die Risikomessung durch risikosensitive Verfahren erfolgen soll. Der nicht durch diese Treiber erklärte Teil der Variabilität ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Targeted Review of Internal Models (TRIM)

Ziel des TRIM-Projekts des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) ist es, für gleiche Risikopositionen innerhalb des SSM bei gleichen Kapitalanforderungen zu sorgen, und darüber hinaus die SSM-Modellaufsicht zu vereinheitlichen und zu stärken. Das soll das Vertrauen zur Nutzung interner Modelle wiederherstellen. Die im Projekt erarbeiteten aufsichtlichen Erwartungen fließen in den „ECB Guide to Internal Models“ ein.

Blick nach vorne: Anforderungen steigen weiter

Aus der Perspektive der BaFin stellt sich die Entwicklung seit der Finanzkrise zunächst durchaus positiv dar: Die Institute haben Risiken abgebaut und zusätzliches Kapital in das Bankensystem eingeführt. Dennoch liegen noch einige wichtige Schritte vor den Banken.

Die Gefahr einer zyklischen Fehleinschätzung von Kreditrisiken müssen Banken und Aufsicht genau beobachten. Denn auch wenn die Risikoschätzung der Banken im Hier und Jetzt völlig zutreffend sein kann, so ist es auch langfristig wichtig, für mögliche negative Entwicklungen ausreichend vorzusorgen. Die Höhe des antizyklischen Kapitalpuffers wird daher kontinuierlich geprüft.

Die Finalisierung von Basel III wird einige wichtige Verschärfungen mit sich bringen. Dies betrifft zum einen die Tatsache, dass die RWA-Ersparnis durch Modelle gegenüber den stark pauschalisierenden Standardansätzen grundsätzlich durch den Output-Floor begrenzt wird. Zum anderen gibt es Veränderungen im Detail, die letztlich darauf abzielen, die Freiheiten der Modellierung etwas mehr einzugrenzen. Ziel ist es, dass Banken Modelle zielgerichteter dort einsetzen, wo die verfügbaren Daten eine Modellierung erlauben. Gleichzeitig soll das ursprüngliche Ziel der risikosensitiven Messung und internen Steuerung nicht aufgegeben werden. Interne Stresstests sind als Teil des Risikomanagements von besonderer Bedeutung. Sie müssen aber spezifischer ausgerichtet sein als in der Vergangenheit.

Die im TRIM-Projekt etablierte Zusammenarbeit zwischen den Modellexperten der nationalen Aufsichten und der EZB sollte weiterentwickelt werden, um die gemeinsamen Erkenntnisse der Modellexperten in Europa dazu zu nutzen, dass die SSM-Modellaufsicht auch dauerhaft gestärkt aus dem TRIM-Projekt hervorgeht und so zu einem stabilen Bankensystem in Europa beiträgt.

Schließlich ist es unabdingbar, den Blick genau dahin zu richten, wo versteckte Risiken liegen können. Dies betrifft regulatorische Ausnahmen, wie etwa die Nullgewichtung von Forderungen an Staaten, aber auch IT-Risiken, deren exakte Bemessung ein Problem darstellt. Die Anforderungen an Institute steigen auf allen Ebenen. Mittelfristig werden sich daher nur profitable, solide kapitalisierte Institute im Markt halten können.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2019 (Download)

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