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Das Symbolfoto zeigt ein, vor einer Maske stehende, fragende Person und hinter der Maske drei weitere Personen. © istockphoto.com/erhui1979

Erscheinung:16.04.2020 Gewinn gegen Sicherheit?

Die Prüfung der Werthaltigkeit von Gewinnabführungsverträgen soll zeigen, wie tragfähig Verlustübernahmezusagen von Konzernen gegenüber ihren Versicherungstöchtern sind. Die BaFin behält die Vereinbarungen über die Genehmigung hinaus im Blick – zum Wohle der Kunden und der betroffenen Versicherer.

Die schwierige Wirtschaftslage, das Corona-Virus und die niedrigen Zinsen bestimmen derzeit das Umfeld, in dem sich Versicherungsunternehmen bewegen. In diesen Zeiten ist es für sie nicht leicht, mit den durch die Kunden anvertrauten Geldern Gewinne zu erwirtschaften und die versprochenen Verzinsungen zu gewährleisten. Dies trifft insbesondere Versicherer, die viele langlaufende Garantien übernommen haben, etwa in der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherung. Ziel der Aufsicht ist es deshalb, die Eigenmittelbasis der Unternehmen zu stärken und Kapitalabflüsse aus den Unternehmen zu vermeiden.

Das Kapital soll im Unternehmen bleiben

Bereits seit 2011 müssen Lebensversicherer die Zinszusatzreserve bilden, eine zusätzliche Rückstellung, um auch in Zeiten niedriger Zinsen die höheren Garantien aus früheren Jahren erfüllen zu können. Der Aufbau von zusätzlichen Rückstellungen führt dazu, dass am Ende des Jahres ein geringerer Überschuss verbleibt. In der Folge fällt auch die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer geringer aus.

Sollte der Versicherungsnehmer eine geringere oder auch gar keine Überschussbeteiligung erhalten, wäre es nicht gerecht, wenn das Unternehmen einen etwaigen Überschuss vollständig an die Aktionäre ausschütten würde. § 139 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) stellt deshalb klar, dass während des Aufbaus der Zinszusatzreserve Dividendenausschüttungen in Höhe des Teils vom Gewinn, mit dem das Unternehmen die Zinszusatzreserve aufbaut, gesperrt sind.

Definition:Gewinnabführungsvertrag

Damit verpflichtet sich eine Tochtergesellschaft, ihren Gewinn an ihre Muttergesellschaft abzuführen. Im Gegenzug übernimmt das Mutterunternehmen aber auch die möglichen Verluste des Tochterunternehmens. Die offizielle Bezeichnung ist daher neutraler und lautet „Ergebnisabführungsvertrag“. Er richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regelungen des Aktiengesetzes sowie speziellen Vorgaben des Versicherungsaufsichtsrechts.

Ausnahme nur bei Zusage zur Verlustübernahme

Ausgenommen von dieser gesetzlichen Ausschüttungssperre sind vertragliche Gewinnabführungen an die Muttergesellschaft (siehe Infokasten, Seite xy). Und das hat auch einen Grund: Im Gegenzug für die Verpflichtung zur Gewinnabführung erhält das Versicherungsunternehmen die Zusage der Muttergesellschaft, dass diese die möglichen Verluste übernimmt. In guten Zeiten darf der Versicherer somit Geld ausschütten, in schlechten Zeiten bekommt er dafür seinen Verlust ersetzt. Die vertragliche Zusage schützt auch den Kunden, denn er kann darauf vertrauen, dass sein Versicherungsunternehmen bei einer möglichen Schieflage von der Muttergesellschaft gerettet wird.

Was ist die Zusage wert?

Was aber, wenn der Verlustfall eintritt und die Muttergesellschaft nicht zahlen kann? Der Kapitalabfluss aus den Versicherungsunternehmen durch Gewinnabführungsverträge ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nur dann zu rechtfertigen, wenn die Verlustzusage der Muttergesellschaft werthaltig ist. Die BaFin erwartet deshalb von den Versicherungsunternehmen, dass sie vor dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags genau prüfen, ob ihr Vertragspartner im möglichen Verlustfall in der Lage wäre, seine Verpflichtung zur Verlustübernahme einzuhalten. Die Unternehmen müssen der BaFin ihre Erkenntnisse aus der vor Vertragsabschluss durchgeführten Werthaltigkeitsprüfung mit dem Genehmigungsantrag einreichen.

Die BaFin wird Gewinnabführungsverträge nur genehmigen, wenn den potenziellen Nachteilen – zum Beispiel Schmälerung der Eigenmittelbasis und Eingriffe in die Unternehmensleitung – ausreichende Vorteile gegenüberstehen. Der entscheidende Vorteil wäre die ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine Verlustübernahme im Krisenfall. Die Vertragspartner müssen sich vertraglich dazu verpflichten, die Werthaltigkeit der Verlustübernahmeverpflichtung regelmäßig zu überprüfen und der BaFin die Ergebnisse vorzulegen.

BaFin behält Gewinnabführungsverträge im Blick

Die BaFin erwartet von allen Versicherungsunternehmen, die einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen haben, dass sie die Bonität ihres Vertragspartners laufend beobachten. Dazu sollen die betroffenen Versicherungsunternehmen alle öffentlich zugänglichen oder von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten Informationen auswerten, beispielsweise den Jahresabschluss und Lagebericht des Mutterunternehmens. Die Leitfragen lauten: Ist nach der Ertrags- und Vermögenslage der Muttergesellschaft eine Verlustübernahme mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich? Ist das Mutterunternehmen nur mit Hilfe Dritter in der Lage, Verluste zu übernehmen, da sein einziger Vermögenswert in der Beteiligung an dem Versicherungsunternehmen liegt, was etwa bei Zwischenholdings typisch ist? Gibt es in einer Versicherungsgruppe mehrere Verträge mit Verlustausgleichsverpflichtung, die dann einer Gesamtschau bedürfen?

Das Risiko, dass der Konzern seine Verlustübernahmeverpflichtung nicht erfüllt, sollen die Versicherungsunternehmen in ihr Risikomanagement einbetten und in der unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency Assessment ORSA) berücksichtigen. Sie müssen der Aufsicht ihre Erkenntnisse mitteilen, die aus diesen Informationen dann weitere Maßnahmen ableiten kann.

Kann das Mutterunternehmen den Vertrag einfach kündigen?

Die BaFin muss es genehmigen, wenn ein Konzern den Gewinnabführungsvertrag beenden will, beispielsweise durch Kündigung. Das hat der Gesetzgeber erst kürzlich klargestellt, indem er § 12 Absatz 1 S. 1 VAG geändert hat. Die Aufsicht prüft dann, ob im Fall der Kündigung die Belange der Versicherungsnehmer ausreichend gewahrt bleiben. Die Vertragsparteien müssen der BaFin nachweisen, dass den Versicherten durch den Wegfall der Verlustübernahmezusage keine Nachteile entstehen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 04/2020 (Download)

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