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Das Bild zeigt eine Landstraße mit einem aufziehenden Sturm. © sjredwin1/326851210 - stock.adobe.com

Erscheinung:23.06.2025 Es gibt noch deutlich Luft nach oben

Zwar setzen sich viele Unternehmen des Finanzsektors grundsätzlich mit den physischen Risiken des Klimawandels auseinander, doch es gibt noch viel Luft nach oben. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der BaFin. Dabei wurde deutlich: Insbesondere von einer vollständigen Integration in das Risikomanagement kann noch keine Rede sein.

Von Nadja Auert-Bohlander, Wiebke Buck und Stephanie Wienstroer, Zentrum Sustainable Finance der BaFin

Die Erdatmosphäre erwärmt sich immer schneller. Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigen das eindeutig. Die zehn wärmsten Jahre seit 1881 sind in den vergangenen 25 Jahren aufgetreten. 2023 und 2024 erlebte Deutschland jeweils einen Allzeitrekord in der Jahresmitteltemperatur. Jahresmitteltemperaturen, die zwischen 1881 und 1990 extrem hoch waren, sind heute laut DWD normal. Und das heißt für uns: Es dürfte häufiger zu Naturkatastrophen kommen. Und ihre Schäden fallen potenziell größer aus. Kurzum: Die physischen Risiken des Klimawandels steigen.

Das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Laut einer Studie der Bundesregierung dürften die zukünftigen Kosten des Klimawandels bis zum Jahr 2050, je nachdem wie intensiv die Erderwärmung fortschreitet, zwischen 280 und 900 Milliarden Euro liegen. Die physischen Risiken des Klimawandels dürften sich künftig also zunehmend in den Kreditportfolien der Banken oder den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen.

Bestimmte Geschäftsmodelle im Fokus der Aufsicht

Die BaFin hat sich daher in den vergangenen Monaten intensiv mit den möglichen Auswirkungen dieser Risiken auf die Finanzbranche befasst. Bei einer Untersuchung hat die BaFin eine Reihe von weniger bedeutenden Kreditinstituten (Less Significant Institutions – LSIs) und Versicherern befragt, deren Geschäftsmodell besonders von Naturgefahren betroffen sein könnte. Hierfür wählte die Finanzaufsicht Unternehmen aus, die eine der folgenden drei Eigenschaften aufweisen.

  • Erstens: eine bestimmte geografische Konzentration – zum Beispiel eine Regionalbank in einer hochwassergefährdeten Region.
  • Zweitens eine hohe Abhängigkeit von einer reibungslos funktionierenden Lieferkette – zum Beispiel ein Industrieversicherer, dessen Kunden von niedrigen Pegelständen betroffen sein können, die Flüsse unbefahrbar machen.
  • Drittens: eine starke Konzentration auf bestimmte Produkt- bzw. Kundengruppen – zum Beispiel ein Kreditinstitut mit einem Fokus auf Land- und Forstwirtschaft.

Bei der Befragung handelte es sich um eine nicht repräsentative Stichprobe. Ziel der Untersuchung war es lediglich, einen ersten Eindruck davon zu erhalten, wie beaufsichtigte Unternehmen mit den physischen Risiken umgehen.

Unterschiedliche physische Risiken für Unternehmen relevant

Welche Erkenntnisse hat die BaFin gewonnen? Zunächst einmal das Positive: Die befragten Unternehmen setzen sich grundsätzlich mit Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken auseinander. Fast alle befragten Unternehmen gehen davon aus, dass Extremwetterereignisse in Zukunft häufiger vorkommen und intensiver ausfallen werden. Versicherer erachten Sturm, Überschwemmungen und Starkregen als besonders relevant für ihr Geschäftsmodell. Für Kreditinstitute stehen hingegen Flut, Überschwemmungen, Hitze und Sturm im Vordergrund (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Relevante Extremwetterereignisse aus Perspektive der Unternehmen

Die Abbildung zeigt relevante Extremwetterereignisse aus Perspektive von Banken und Versicherern. © BaFin Abbildung 1: Relevante Extremwetterereignisse aus Perspektive der Unternehmen

Die Befragung zeigte zudem, dass die meisten Versicherer und alle befragten Kreditinstitute physische Risiken in ihrer Risikoinventur bzw. in ihrer Wesentlichkeitsanalyse berücksichtigen. Nur 10 Prozent der befragten Kreditinstitute sehen jedoch einen materiellen, also relevanten Einfluss der physischen Risiken auf die für sie wesentlichen Risikoarten. Bei den Versicherern sieht es anders aus: Die Hälfte von ihnen erachtet die Auswirkungen auf die wesentlichen Risikoarten als materiell (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Berücksichtigung in Risikoinventur und materieller Einfluss auf wesentliche Risikoarten

Die Abbildung zeigt die Berücksichtigung in Risikoinventur und den materiellen Einfluss auf wesentliche Risikoarten durch Banken und Versicherer. © BaFin Abbildung 2: Berücksichtigung in Risikoinventur und materieller Einfluss auf wesentliche Risikoarten

Diese Antworten werfen natürlich die Frage auf, warum Unternehmen physischen Risiken oftmals keinen materiellen Einfluss auf die wesentlichen Risikoarten zuschreiben, obwohl die Extremwetterereignisse zunehmen.

Viele Unternehmen sehen Datenverfügbarkeit als Herausforderung

Eine Möglichkeit: Die Unternehmen sind von den höheren physischen Risiken nicht signifikant betroffen. Ein anderer möglicher Grund ist die eingeschränkte Verfügbarkeit aussagekräftiger Daten zu physischen Risiken. Immerhin 70 Prozent der Banken und 60 Prozent der Versicherer gaben an, dass sie die Datenverfügbarkeit als problematisch betrachten.

Kreditinstitute merkten häufig an, dass ihnen die Standortdaten für eine adressspezifische Risikoanalyse fehlen. So verfügen sie in vielen Fällen nicht über die genauen Adressen aller relevanten Standorte eines Kunden. Zudem fehlen ihnen oftmals Informationen darüber, welche Naturgefahren an diesen Standorten besonders relevant sein könnten.

Versicherer wiederum äußerten, dass ihnen Modelle zu bestimmten Wetterereignissen wie Trockenperioden oder Waldbränden fehlen. Aber auch Datenbanken, beispielsweise zu Hochwasserschutzmaßnahmen in gefährdeten Regionen, werden ihrer Ansicht nach benötigt.

Unternehmen müssen sich fundiert mit physischen Risiken auseinandersetzen

Aus Perspektive der Finanzaufsicht sollten die beaufsichtigten Unternehmen verfügbare Daten zu ihren spezifischen physischen Risiken nutzen und bei Bedarf risikoorientiert erheben. Sie müssen zum Beispiel wissen, wo sich die Produktionsstätten, Anbaugebiete oder Wohnimmobilien ihrer Kunden befinden, die sie finanzieren oder versichern. Und sie müssen die an diesen Standorten relevanten physischen Risiken kennen. Liegen ihnen solche Daten nicht vor, können sie öffentlich zugängliche Quellen nutzen oder schätzen.

Versicherer befassen sich aufgrund ihres Geschäftsmodells bereits vielfach mit physischen Risiken. Trotz ihrer breiten Erfahrung mit diesem Thema sollten sie jedoch fortlaufend prüfen, ob ihre eigenen Modelle die aktuelle Geschwindigkeit des Klimawandels angemessen berücksichtigen. Historische Daten spiegeln die aktuelle Realität möglicherweise nicht mehr adäquat wider.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass die beaufsichtigten Unternehmen die physischen Risiken des Klimawandels quantitativ messen und in alle Bereiche ihres Risikomanagements integrieren. Eine qualitative Beschreibung reicht meistens nicht mehr aus. Letzten Endes müssen die Unternehmen einschätzen können, welche Kosten ihnen durch ein spezifisches Risiko entstehen könnten.

Grundsätzlich sollten Unternehmen des Finanzsektors zudem auch Biodiversitätsrisiken in ihr Risikomanagement aufnehmen und die Bereiche Klima, Umwelt und Biodiversität gesamthaft betrachten, denn sie hängen eng zusammen.

Zu einem wirksamen Risikomanagement gehört es auch, sich an den Klimawandel anzupassen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Beaufsichtigte Unternehmen sollten sich beispielsweise mit der Frage befassen, ob eine finanzierte oder versicherte Immobilie den am jeweiligen Standort relevantesten Naturgefahren widerstehen kann.

Schließlich dürfen sich die beaufsichtigten Unternehmen auch nicht darauf verlassen, dass der Staat nach Extremwetterereignissen einspringt.

Physische Risiken bleiben Schwerpunkt der Aufsichtsarbeit

Die BaFin wird den Umgang mit den physischen Risiken des Klimawandels in ihren Gesprächen mit den beaufsichtigten Unternehmen weiter thematisieren. Die Fragen hierzu werden künftig tiefer gehen als bisher. Denn die Finanzaufsicht erwartet, dass sich die beaufsichtigten Unternehmen gründlich mit ihren spezifischen physischen Risiken auseinandersetzen. Dass sie also insbesondere prüfen: Wie betreffen uns die physischen Risiken des Klimawandels? Und: Wirken sie sich materiell auf unsere Risiken aus?

Eine solche Prüfung kann natürlich ergeben, dass die physischen Risiken für ein Unternehmen nicht relevant sind. Nicht jedes beaufsichtigte Unternehmen ist in gleichem Maße betroffen. Wichtig ist jedoch, dass ein solches Ergebnis am Ende einer fundierten Auseinandersetzung mit diesem Thema steht.

Überblick: Weitere Erkenntnisse der BaFin-Untersuchung „physische Risiken“

Die Finanzaufsicht hatte ihre Untersuchung in die vier Module „Strategie“, „Organisation“, „Reporting und Daten“ sowie „Risikomanagement“ gegliedert. Die nachstehenden Punkte beschreiben weitere wesentliche Erkenntnisse.

Modul „Strategie“

  • Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass sich der Markt, in dem das jeweilige Unternehmen tätig ist, in der Vergangenheit bereits aufgrund von klimabedingten Einflüssen verändert hat.
  • Die meisten Befragten erwarten Marktveränderungen für die Zukunft, etwa durch eine veränderte Nachfrage nach angebotenen Produkten.

Modul „Organisation“

  • Die meisten befragten Unternehmen haben eine Nachhaltigkeitsbeauftragte oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten oder ähnliche Strukturen implementiert. Diese sind selten mit Weisungs- oder Kontrollrechten ausgestattet.
  • Nur wenige Unternehmen berücksichtigen ESG-Risiken in ihrer Vergütungspolitik, keines berücksichtigt dabei die physischen Risiken explizit.

Modul „Reporting und Daten“

  • Bei etwa der Hälfte der befragten Unternehmen bestehen Schwierigkeiten bei der Aufbereitung von physischen Klimadaten und der anschließenden Integration der Daten in die bestehenden IT-Systeme (z. B. zur Risikomodellierung).
  • Die meisten der befragten Unternehmen stehen vor der Herausforderung, auf mehrere Informationsquellen zurückgreifen zu müssen, um einzelne Naturgefahren zu bewerten.

Modul „Risikomanagement”

  • Nur wenige der befragten Unternehmen nutzen Frühwarnindikatoren, um physische und transitorische Risiken zu identifizieren, bevor sie tatsächlich eintreten.
  • Verbände der Kreditwirtschaft stellen bereits Software-Tools zur Bewertung von ESG-Risiken (z. B. Ratings und Scores) oder zur Entwicklung einer ESG-Strategie zur Verfügung, die sie stetig weiterentwickeln.

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