BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:15.12.2016 | Thema Eigenmittel Stresstest: EIOPA veröffentlicht Ergebnisse 2016

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA hat heute den Abschlussbericht zum europaweiten Stresstest 2016 für Versicherungsunternehmen veröffentlicht. In den Stresstest waren wichtige europaweit und national tätige Versicherer einbezogen, die gegenüber einer lang anhaltenden Phase niedriger Zinsen besonders exponiert sind.

„Die Ergebnisse bestätigen die Einschätzungen der BaFin zur Exponiertheit der deutschen Lebensversicherungsunternehmen gegenüber den unterstellten Risiken. Darauf sind wir gut eingestellt“, erklärt Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor für den Bereich Versicherungsaufsicht.

An dem Stresstest nahmen 20 deutsche Lebensversicherer teil, die – gemessen an den technischen Bruttorückstellungen ohne fonds- und indexgebundenes Geschäft – etwa 75 Prozent des Markts abdecken. Entsprechend den EIOPA-Vorgaben besteht die nationale Teilnehmerauswahl aus kleinen, mittleren und großen Lebensversicherungsunternehmen.

Systemische Risiken identifizieren und einschätzen

Die Ergebnisse des EIOPA-Stresstests sollen dazu dienen, mögliche systemische Risiken für die Versicherungsbranche, welche aus sehr adversen Marktentwicklungen resultieren könnten, zu identifizieren und einzuschätzen. Es geht nicht um das Bestehen oder Nicht-Bestehen einzelner Unternehmen, oder wie es EIOPA ausdrückt: „It is not a pass-or-fail exercise“. Die Ergebnisse des Stresstests fokussieren daher nicht auf einzelne Unternehmen und werden nicht zu zusätzlichen regulatorischen Eigenmittelanforderungen führen.

Ausgangsbasis für sämtliche Berechnungen bildet die Solvabilitätsübersicht unter Solvency II zum Bewertungsstichtag 1. Januar 2016. Zur Beurteilung der Stressauswirkung stellt EIOPA auf die Veränderungen der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ab. Für die deutschen Teilnehmer nehmen im so genannten Double-Hit-Szenario (siehe Erläuterungen weiter unten) die Vermögenswerte um 8,6 Prozent und die Verbindlichkeiten um 6,0 Prozent ab. Im Low-for-Long-Szenario steigen die Vermögenswerte um 7,2 Prozent und die Verbindlichkeiten um 11,5 Prozent. Beide Szenarien wirken sich somit negativ auf die Eigenmittel aus. Wie erwartet, ist die Sensitivität der einbezogenen deutschen Unternehmen im Low-for-Long-Szenario höher als der europäische Durchschnitt.

Einschätzung der BaFin bestätigt

Diese Ergebnisse bestätigen hinsichtlich der Anfälligkeit und Exponiertheit des deutschen Lebensversicherungsgeschäfts gegenüber einem langanhaltenden Niedrigzinsumfeld die Einschätzung, zu der auch die BaFin in den vergangenen Jahren bei ihren Erhebungen gelangt war. „Insbesondere zeigt der EIOPA-Stresstest 2016, dass die einbezogenen deutschen Lebensversicherer im Vergleich mit dem europäischen Durchschnitt gerade beim ‚Low-for-Long‘-Szenario besonders sensibel reagieren – was nicht wirklich überrascht“, sagt Dr. Frank Grund.

Die Aufsicht und der Gesetzgeber haben schon früh mit zielgerichteten Maßnahmen reagiert, um die Risikotragfähigkeit der Unternehmen entsprechend zu stärken. Hier sind unter anderem die Einführung der Zinszusatzreserve im Jahr 2011 zu nennen, das 2014 verabschiedete Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) sowie die mehrfache Absenkung des für das Neugeschäft zulässigen Höchstrechnungszinses, zuletzt auf 0,9 Prozent ab dem 1. Januar 2017.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen, die alle Unternehmen betreffen, hat die BaFin in den vergangenen Jahren jene Versicherer einer intensivierten Aufsicht unterzogen, welche vom anhaltenden Niedrigzinsumfeld besonders betroffen sind. Dabei hat sie sich insbesondere für eine rechtzeitige Senkung der Überschussbeteiligung und eine Stärkung des Eigenkapitals eingesetzt. So ist die Summe aus gesamtem Eigenkapital und Hybridkapital durch Gewinnthesaurierung, Stärkung des Eigenkapitals und Aufnahme von Hybridkapital von 2000 bis 2015 branchenweit von 6,6 auf 18,1 Milliarden Euro gestiegen. Insbesondere in den Geschäftsjahren 2014 und 2015 war ein deutlicher Anstieg dieser Positionen um 3,3 Milliarden Euro zu verzeichnen.

Hintergrund

Der Stresstest fand auf Basis des Solvency-II-Bewertungsstandards unter Berücksichtigung von Übergangsregelungen sowie des Maßnahmenpakets zur Sicherung der langfristigen Garantien (Long Term Guarantee Measures) statt.

Die teilnehmenden Unternehmen hatten für den Stresstest ein Basis- und zwei Stressszenarien („Low-for-Long“ und „Double-Hit“) zu berechnen sowie qualitative Fragen zu beantworten. Für das Basisszenario galten die gleichen Annahmen wie für das Day-1-Reporting unter Solvency II.

Für das Low-for-Long-Szenario hatte EIOPA die maßgebliche risikofreie Zinskurve unter Berücksichtigung historischer Tiefststände neu kalibriert. Die Umsetzung des Szenarios erfolgte somit durch einen sofortigen Zinsschock. Für den extrapolierten Teil der Zinskurve wurde ferner ein abgesenkter endgültiger Forward-Zinssatz (Ultimate Forward Rate – UFR) in Höhe von 2,0 Prozent angesetzt. Diese Abweichung vom derzeitigen Solvency-II-Bewertungsrahmen, der eine UFR von 4,2 Prozent vorschreibt, wurde vorgenommen, da eine für den Stresstest unverändert belassene UFR der zugrundeliegenden Annahme eines dauerhaften Niedrigzinsumfelds nicht entsprochen hätte.

Beim Double-Hit-Szenario handelt es sich um die Kombination niedriger risikofreier Zinsen mit einem Wertverfall nahezu aller Anlageklassen unter der impliziten Annahme, dass praktisch kein Emittent mehr als sicherer Hafen angesehen wird. Die Umsetzung erfolgt wie beim Low-for-Long­Szenario als sofortiger Schock. Beim Double-Hit-Szenario wurden dabei die Entwicklung der risikofreien Zinsen und der Veränderung von Kreditrisikozuschlägen (Credit Spreads) entkoppelt. Ein solcher Rückgang risikofreier Zinsen bei gleichzeitigem Anstieg sämtlicher Credit Spreads – auch für Staatsanleihen mit höchster Bonität – und deutlichen Kursverlusten für Aktien, Immobilien und anderen Anlageklassen war bislang historisch nicht zu beobachten. Die gewählte Kalibrierung lässt sich somit als „Perfect-Storm-Szenario“ beschreiben, also als eine Verkettung extrem seltener und ungünstiger Umstände.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback