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Erscheinung:11.09.2025 | Thema Prospekte Merkblatt zum Begriff des öffentlichen Angebots gemäß Prospektverordnung

Das Merkblatt informiert Wertpapieranbieter über die Verwaltungspraxis der BaFin zur Auslegung des Begriffs „öffentliches Angebot“ nach Artikel 2 lit. d Verordnung (EU) 2017/1129 (Prospektverordnung).

Danach handelt es sich um eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um eine Anlegerin bzw. einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre.

I. Mitteilung in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise („Wie?“) 

Bei der Verbreitung der Mitteilung „in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise“ ist grundsätzlich von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen: Das Medium ist irrelevant, so dass jegliche Kommunikationsformen und -kanäle betroffen sind: persönliche Gespräche, Telefonanrufe („cold callings“), Veranstaltungen, Briefpost, Mitteilungen über das Internet, Tageszeitungen, Werbung im TV, Radio oder bei Streaming-Diensten etc. (Europäischer Gerichtshof (EuGH): Schaerbeek, Linkebeek ./. Holding Communal SA, Urteil vom 9. Januar 2025, C-627/23, Rn. 43: ohne Einschränkungen hinsichtlich der formalen Modalitäten der Mitteilung). Die Mitteilung setzt zudem keine bindende Willenserklärung i.S.v. § 145 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seitens des Emittenten bzw. Anbieters voraus. Ausreichend ist eine invitatio ad offerendum, so dass sich die Adressatin bzw. der Adressat der Mitteilung für den Kauf oder die Zeichnung der Wertpapiere entscheiden kann.

II. Ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere für die Investitionsentscheidung („Was?“)

Die Mitteilung muss ein Mindestmaß an Informationen für die potentielle Anlegerin bzw. den potentiellen Anleger enthalten, etwa Angaben zum Antrags- und Zeichnungsverfahren, zum Anlagebetrag sowie zur Laufzeit und möglichen Zinsspanne. Maßgebend ist, dass sie bzw. er sich aufgrund der vorliegenden Informationen entscheiden können muss, die Investition zu tätigen (EFTA: ADCADA ./.FMA (Lie), Urteil vom 18. Juni 2021, E-10/20, Rn. 35, 39). Es ist nicht erforderlich, dass sämtliche für den Vertragsschluss erforderlichen Unterlagen, wie etwa die Anleihebedingungen, vorliegen. Ausreichend ist, dass sich die potentielle Anlegerin bzw. der potentielle Anleger ein umfassendes Bild machen kann (EFTA a.a.O., Rn. 41, 42). Die abschließende Beurteilung, was „ausreichende Informationen“ sind, hängt vom Sachverhalt und den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Nach dem objektiven Empfängerhorizont muss die Möglichkeit bestehen, die – ggf. erst zu schaffenden – Wertpapiere zu erwerben. Ob ein solcher Erwerb auch tatsächlich stattfindet oder vom Emittenten gewollt war, ist irrelevant, so dass eine „konkrete Erwerbsmöglichkeit“ nicht erforderlich ist.

Die Informationen für das öffentliche Angebot müssen zudem nicht alle gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden. Ausreichend ist, wenn gestaffelte Informationen für die potentielle Anlegerin bzw. den potentiellen Anleger als ein zusammengehöriges Geschehen und somit als ein einheitlicher Angebotsvorgang gewertet werden können.

Der Entscheidungsbegriff umfasst auch Kollektiventscheidungen als „Summe vieler individueller Entscheidungen“. Dabei muss zwischen den Anlegerinnen und Anlegern und dem Emittenten bzw. Anbieter ein Zwei-Personen-Verhältnis bestehen, das heißt, sie müssen personenverschieden sein.

III. Verantwortlichkeit für die Mitteilung („Von wem?“)

Die Initiative für die Mitteilung und Kommunikation muss vom Anbieter ausgehen, der die Wertpapiere öffentlich anbietet (Artikel 2 lit. i Prospektverordnung). Insofern kommt es auf den Einzelfall an, wer die eigentliche Initiative für die Kontaktaufnahme geschaffen hat. Der Anbieter und derjenige, von dem das Wertpapier erworben werden kann, müssen nicht identisch sein.

Entscheidend ist, wem das Angebot zuzurechnen ist. Anbieter ist jedenfalls derjenige, der (1) entsprechend nach außen als Anbieter auftritt (ggf. in der Gesamtschau durch einen Beitrag zum öffentlichen Angebot) und/oder (2) für das öffentliche Angebot der Wertpapiere die Verantwortung hat. Die Verantwortlichkeit ergibt sich entweder aus einem wesentlichen aktiven Beitrag oder aus der Kontrolle über das Angebot. Es kann auch vorkommen, dass sich verschiedene (juristische und/oder natürliche) Personen ihre Anteile an dem öffentlichen Angebot jeweils gegenseitig zurechnen lassen müssen. Anbieter können dann auch mehrere Personen sein. Handeln die Akteure kollusiv zusammen, indem etwa eine Struktur aufgesetzt wird, in welcher jeder einzelne nur einen kleinen aber insgesamt notwendigen Beitrag liefert, sind alle aufsichtsrechtlich als Anbieter zu betrachten.

IV. Adressatin bzw. Adressat der Mitteilung („An wen?“)

Ein öffentliches Angebot liegt vor, wenn sich die Mitteilung an mindestens zwei (natürliche und/oder juristische) Personen richtet.

Der Wortlaut der deutschen Fassung („Mitteilung an die Öffentlichkeit“) lässt keinen Rückschluss darauf zu, welche Anzahl von Personen als Empfängerin bzw. Empfänger der Mitteilung zur Herstellung dieser Öffentlichkeit erforderlich ist. Tatsächlich handelt es sich in der deutschen Sprachfassung um einen Zirkelschluss, indem ein „öffentliches“ Angebot mit einer Mitteilung an die „Öffentlichkeit“ beschrieben wird. In der ganz überwiegenden Zahl der Sprachfassungen des Artikels 2 lit. d Prospektverordnung wird im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Bezug auf Personen genommen. Ein öffentliches Angebot ist somit dann anzunehmen, wenn sich die Mitteilung an Personen richtet. In der englischen Fassung heißt es beispielsweise wörtlich: „offer of securities to the public means a communication to persons in any form and by any means“.1)

Das öffentliche Angebot ist demnach als Regelfall anzusehen und über den Ausnahmekatalog in Artikel 1 Abs. 4 Prospektverordnung sind abschließend die Fallgruppen von öffentlichen Angeboten aufgegriffen, für die eine Prospektpflicht zu unbilligen Ergebnissen führen würde. So ist der Erwägungsgrund 15 (Prospektpflicht für Angebote an einen eingeschränkten Kreis von Anlegerinnen und Anlegern wäre unbillig) dahingehend zu verstehen, dass sich seine Intention in den Ausnahmetatbeständen widerspiegelt, insbesondere im Fall des Artikels 1 Absatz 4 Uabs. 1 lit. b Prospektverordnung. Eine darüberhinausgehende Bedeutung für die Frage, wann ein öffentliches Anbot vorliegt, hat der Erwägungsgrund nicht.

Der Umstand, dass Anbieter und Anlegerinnen bzw. Anleger auf privater Ebene, aus vorangegangenen Geschäftsbeziehungen oder einem beliebigen anderen Grund bereits miteinander bekannt sind, schließt die Öffentlichkeit eines Angebots daher nicht aus. An einer solchen Interpretation des Begriffs des öffentlichen Angebots nach Artikel 2 lit. d Prospektverordnung fehlt es bereits an einer gesetzlichen Grundlage.2)

Die in der Praxis häufig verwendete Bezeichnung eines Angebots als „private placement“ ist in der Prospektverordnung nicht definiert und kann daher nicht zur Bestimmung, wann ein öffentliches Angebot vorliegt, herangezogen werden.

Dass eine Mitteilung sich an unbestimmte Personen (im Sinne von „jedermann“) oder eine nicht bestimmbare Zahl von Personen wenden muss, um sich an „die Öffentlichkeit“ zu richten, ist abzulehnen. Auch ist das Informationsniveau bzw. Informationsbedürfnis der potentiellen Anlegerin bzw. des potentiellen Anlegers für die Einordnung eines Angebots als öffentlich generell unbeachtlich.

Diese Auslegung entspricht auch der europäischen Rechtsprechung. So macht der EuGH deutlich, dass die Öffentlichkeit des Angebots ohne Einschränkung hinsichtlich der Personen zu verstehen ist, an die sich das Angebot richtet (EuGH a.a.O. Rn. 43). In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des EFTA zu verstehen, wonach mit einem weiten Begriffsverständnis den Zielen der Verordnung (Sicherstellung von Anlegerschutz und Markteffizienz sowie Stärkung des Kapitalbinnenmarktes) Rechnung getragen werde, wohingegen eine enge Auslegung des Begriffes den Zielen der Verordnung zuwiderliefe (EFTA a.a.O. Rn. 29 ff. unter Verweis auf EuGH-Urteil in der Rechtssache Almer Beheer, Daedalus / Vastgoed, Osterhout, C-441/12, 17. September 2012). 

V.  Zeitlicher Aspekt („Wann?“)

Das Angebot beginnt, wenn für die potentielle Anlegerin bzw. den potentiellen Anleger die Mindestangaben zu dem Wertpapier vorliegen, um die Möglichkeit zu haben, sich für die Investition (den Erwerb) zu entscheiden. Sobald die Wertpapiere nicht mehr erworben werden können, endet das öffentliche Angebot. Ist die Emission und Platzierung eines Wertpapiers auf dem Primärmarkt abgeschlossen, gelten für Angebote besagter Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt grundsätzlich die gleichen gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die Prospektpflicht. Im Fall der Weiterveräußerung von Wertpapieren (relevant bei Vertriebsketten) sind die Vorgaben in Artikel 5 Prospektverordnung im Hinblick auf die Prospektpflicht einschlägig. Für den Sekundärmarkthandel von Wertpapieren ist zudem das Auslegungsschreiben der BaFin zu berücksichtigen (siehe Auslegungsschreiben vom 24. Juni 2013, PRO 1 - Wp 2030 - 2012/0013).

Die Tatbestandsmerkmale müssen nicht alle gleichzeitig vorliegen. Abhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls kann es erforderlich sein, das Gesamtgeschehen als einheitlichen Vorgang anzusehen und als ein Angebot zu bewerten.

Fußnoten

1) Die englische Sprachfassung hat für die Auslegung in besonderer Weise Bedeutung: Sie ist im Entstehungsprozess der europäischen Rechtsakte die Grundlage für alle weiteren Übersetzungen und stellt den Willen des Gesetzgebers quasi „unverfälscht“ dar. Die übrigen Sprachfassungen sind zwar gleichermaßen verbindlich. Begriffliche Änderungen aufgrund der Übersetzung der Verordnung in eine andere Sprache sind jedoch regelmäßig nicht mit der Absicht verbunden, inhaltliche Abweichungen hervorzurufen.

2) Mitunter wird von Seiten der Anbieter auf die Ausführungen in der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel aus dem Jahr 1999 Bezug genommen, wonach ein „begrenzter Personenkreis“ keine Öffentlichkeit und dieses private placement kein öffentliches Angebot darstellen würde.  Insofern ist festzuhalten, dass die Ausführungen in der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel aus dem Jahr 1999 zum damaligen Verkaufsprospektgesetz keine Anwendung auf die Auslegung der Prospektverordnung finden.

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