© BaFin/Matthias Sandmann
Erscheinung:09.05.2025 „Nachhaltigkeit bleibt ein zentrales Thema für die Finanzbranche“
Sustainable Finance Konferenz der BaFin in Frankfurt am Main, 9. Mai 2025
Rede von BaFin-Präsident Mark Branson
Es gilt das gesprochene Wort!
Manch einer mag sich in diesen Tagen vielleicht fragen: Warum lädt die Finanzaufsicht zu einer Konferenz ein, die sich mit Sustainable Finance beschäftigt? Gibt es zurzeit nicht andere, wichtigere Themen?
Natürlich gibt es andere Themen, die ebenfalls wichtig sind. Aber nur, weil gerade etwas kontroverser über Nachhaltigkeit diskutieren wird, ist das Thema nicht weniger wichtig. Ich freue mich daher sehr, dass Sie alle heute hier in Frankfurt dabei sind. Herzlich willkommen zu unserer Sustainable-Finance-Konferenz!
Der Hype rund um nachhaltige Finanzprodukte ist vorbei. Aber der Hype war auch kontraproduktiv. Er hat zu Greenwashing geführt, zu überschwänglichem Marketing – und dann zu den erforderlichen Korrekturen. Aber Nachhaltigkeit – oder ESG – bleibt ein zentrales Thema für die Finanzbranche. Insbesondere das E. Also die umweltbezogenen Aspekte von Nachhaltigkeit. Vor allem der Klimawandel, der immer weiter voranschreitet. Hier haben wir, das muss man so drastisch sagen, eine globale Krise. Die wissenschaftlich fundierten Daten und Fakten sind eindeutig.
- Nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie war 2024 das erste Kalenderjahr, das global betrachtet mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Zeitalter lag. Und: Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt.
- Mitte April meldete der Deutsche Wetterdienst: „Seit Beginn der Auswertung 1931 war es in Deutschland im Zeitraum von Anfang Februar bis Mitte April noch nie so trocken wie in diesem Jahr.“
- Die Expertinnen und Experten des DWD sagen auch ganz klar: Die Folgen des beschleunigten Klimawandels sind für Deutschland heute schon gravierend. Deutschland wird mit mehr Hitzewellen konfrontiert. Auch extreme Wetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Diese veränderten Wetterbedingungen haben Folgen. Zum Beispiel wird die Energieversorgung öfter und stärker beeinträchtigt. Und damit abhängiger vom Wetter. Außerdem gerät auch die Biodiversität unter Druck. Vor allem der Wald. Vielerorts kann man sich schon fragen: Ist die Fichte bald Geschichte? Die Fichte wird vermutlich nicht die letzte Pflanzen- oder Tierart sein, die einmal als typisch deutsch galt und nun zusehends verschwindet.
Das alles bedeutet, dass auch die Risiken für die Finanzbranche steigen. Vor allem die physischen Risiken, also die Risiken durch die konkreten Auswirkungen des Klimawandels. Wenn zum Beispiel häufigere Überflutungen dazu führen, dass mehr Häuser unbewohnbar werden, mehr Betriebe nicht produzieren können und mehr Straßen und Schienen unbrauchbar werden, dann wird sich das auch stärker in den Kreditportfolios der Banken oder in den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen.
Natürlich bleiben auch die transitorischen Risiken relevant, die durch die Umstellung auf eine nachhaltige, kohlenstoffarme Wirtschaft auftreten. Aber sie dürften kurzfristig sinken. Unter anderem, weil viele politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise an den Finanzmärkten bereits eingepreist sind. Oder weil sie im Moment schlicht nicht durchsetzbar sind.
Es ist daher gut und richtig, dass die physischen Risiken des Klimawandels heute auf der Agenda stehen. Eine BaFin-Umfrage hat gezeigt: Banken und Versicherer beschäftigen sich mit diesen Risiken. Insbesondere Versicherer sehen einen klaren Einfluss von physischen Risiken auf die wesentlichen Risikoarten.
Aber unsere Daten zeigen auch: Bei weitem nicht alle Unternehmen setzen sich so intensiv mit den physischen Risiken auseinander, wie sie es sollten. Hier gibt es noch klares Verbesserungspotenzial im Risikomanagement. Zum Beispiel bei der Integration von vorhandenen Daten zu Naturgefahren.
Ich möchte daher ganz klar betonen: Die beaufsichtigten Unternehmen müssen sich intensiv mit den physischen Risiken des Klimawandels befassen. Für mich steht fest: Je öfter wir alle mit den finanziellen Konsequenzen des Klimawandels umgehen müssen, desto stärker wird auch die Notwendigkeit zunehmen, präventiv zu denken. Dann wird vielleicht auch deutlich, dass ein staatlich finanzierter Wiederaufbau, etwa in stark gefährdeten Gebieten, langfristig wenig Sinn hat.
Wenn ich bei meinen Besuchen vor Ort oder bei Veranstaltungen wie dieser mit Vertreterinnen und Vertretern beaufsichtigter Unternehmen über das Thema Nachhaltigkeit spreche, dann kommt regelmäßig ein Thema auf: die Regulierung. Dazu stehen heute Nachmittag interessante Panels auf dem Programm. Die Nachhaltigkeitsregulierung bewegt viele, die sich jeden Tag damit auseinandersetzen müssen. Sicherlich auch viele von Ihnen. Manchmal führt sie auch zu erhitzten Diskussionen. Ich kann das nachvollziehen.
In den vergangenen Jahren ist in Europa ein umfassendes Regelwerk entstanden, um die Transformation hin zur Klimaneutralität voranzubringen: die Taxonomieverordnung, die Offenlegungsverordnung, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, et cetera.
Ich denke, alle von Ihnen – zumindest die, die nicht in der Beratungsbranche arbeiten –werden mir zustimmen: Die europäische Nachhaltigkeitsregulierung kann deutlich effizienter gestaltet werden. Und da tut sich ja auch einiges. Die EU-Kommission hat mit den Omnibus-Entwürfen Vorschläge zur Reform zentraler Regelwerke wie der CSRD und der Taxonomieverordnung gemacht, die die Anforderungen an die Unternehmen deutlich kürzen und den Anwendungsbereich einiger Regelwerke erheblich verkleinern.
Unabhängig von den Omnibus-Vorschlägen der Kommission plädieren wir Aufseherinnen und Aufseher vor allem dafür, die Regulierung grundsätzlich klarer und verständlicher für Kundinnen und Kunden und für Nutzer der Offenlegung zu gestalten. Vor allem die Offenlegungsverordnung. Wir brauchen klare, verständliche Produktkategorien, die den Erwartungen von Anlegerinnen und Anleger mit einer Nachhaltigkeitspräferenz entsprechen. Was wir nicht brauchen ist ein breitflächiger Verkauf von Finanzprodukten, die wie Placebos wirken. Klarheit und Verständlichkeit sind wichtig. Dazu können auch die beaufsichtigten Unternehmen beitragen. Sie können die Vorgaben der Offenlegungsverordnung so umsetzen, dass ihre Informationen möglichst konkret und gut verständlich sind.
Auch beim Management klimabedingter Finanzrisiken müssen wir dafür sorgen, dass wir wichtige Ziele nicht durch zu viel Bürokratie gefährden. Wenn wir mittelständische Unternehmen mit immer mehr Berichtspflichten belasten, werden wir damit den Planeten nicht retten. Wir riskieren sogar, die notwendigen Reformen unliebsamer zu machen. Das Omnibus-Paket der EU-Kommission erkennt an: Kleine Unternehmen sollten nicht wie große Konzerne behandelt werden. Wir müssen jetzt aufpassen, dass sich die Unternehmen des Finanzsektors nicht unter dem Deckmantel der Aufsichtsanforderungen umfangreiche Daten von ihren kleinen und mittelgroßen Unternehmenskunden verlangen. Banken müssen bereit sein, in puncto Nachhaltigkeit auch mit öffentlich verfügbaren Informationen und mit Schätzungen zu arbeiten. Zum Beispiel mit Schätzungen auf Basis der Daten vergleichbarer Kunden. Natürlich darf es keine grundsätzliche Begrenzung für beaufsichtigte Unternehmen geben, Daten für ihr Risikomanagement von ihren Vertragspartnern einzuholen. Jedoch ist überschießende Präzision auf diesem Gebiet, das auf vielen Annahmen beruht, fehl am Platz.
Zugleich muss die Regulierung kleiner Finanzunternehmen angemessen bleiben. Die neuen EBA-Guidelines zum ESG-Risikomanagement von Banken sind sehr umfassend. Für große Häuser mit komplexen Kreditbüchern oder vielen internationalen Aktivitäten ist das angemessen. Für eine kleine Volksbank oder eine kleine Sparkasse mit regionalem Geschäft aber nicht. Deswegen haben wir entschieden, diese europäischen Leitlinien für die weniger bedeutenden Institute nicht anzuwenden. Die allgemeinen Anforderungen der EBA haben wir mit unseren MaRisk bereits weitgehend und prinzipienbasiert vorweggenommen. Den Kampf gegen den Klimawandel werden wir nicht mit Berichten von Kleinbanken gewinnen.
Natürlich sehen wir die Risiken des Klimawandels Um die Veränderungen in unserer Umwelt wahrzunehmen, reicht es ja schon, aus dem Fenster zu schauen. Wir wollen den Fokus auf die größten Investoren und Finanzierer der Verursacher von Umweltproblemen lenken. Denn bei diesen beaufsichtigen Unternehmen kann die Regulierung am meisten bewirken.
Ihnen und uns allen einen interessanten, anregenden und hoffentlich auch einsichtsreichen Konferenztag!