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Erscheinung:06.02.2023 | Geschäftszeichen VBS 21-Wp 1000-2018/0110 | Thema Verbraucherschutz Rundschreiben 02/2023 (VBS)

Befreiungskriterien im Rahmen der Prüfungsbefreiung gemäß § 89 Abs. 1 S. 3 WpHG

Das Rundschreiben richtet sich an alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Nach § 89 Abs. 1 S. 3 WpHG kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Antrag von der jährlichen Prüfung (mit Ausnahme der Prüfung der Einhaltung der Anforderungen nach § 84 WpHG) ganz oder teilweise absehen, soweit dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der Art und des Umfangs der betriebenen Geschäfte, angezeigt ist.

Bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf Prüfungsbefreiung gem. § 89 Abs. 1 S. 3 WpHG legt die BaFin die in diesem Rundschreiben dargestellten Befreiungskriterien zugrunde.

Daneben kann die BaFin im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung individuelle Besonderheiten berücksichtigen.

Die Befreiungskriterien werden für Kreditinstitute1 bzw. Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG und Wertpapierinstitute (vormals Finanzdienstleistungsinstitute) getrennt aufgeführt.  

Kriterien für Kreditinstitute sowie Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG:

1. Keine Befreiung

Eine Befreiung von der jährlichen Prüfung kommt - selbst wenn die Voraussetzungen im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit vorliegen – bei Kreditinstituten1/ Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG nicht in Betracht (Ausschlusskriterien), wenn:

  • noch keine Erstprüfung des Instituts stattgefunden hat oder

  • bei der jeweils letzten Prüfung ein Mangel oder Mängel im Sinne der Wertpapierdienstleistungsprüfungsverordnung (WpDPV) festgestellt wurden und die Schwere des Mangels oder die Gesamtheit der Mängel eine Befreiung nicht rechtfertigen oder

  • mir wesentliche Beschwerden oder sonstige, wesentliche aufsichtsrelevante Erkenntnisse vorliegen, die sich insbesondere auf die Verordnung (EU) 2017/565, das WpHG sowie die auf diesem beruhenden Rechtsverordnungen beziehen oder

  • sich die Art der Geschäftstätigkeit oder die Organisation des Kreditinstituts/ der Zweigniederlassung gem. § 53b KWG seit der letzten Prüfung wesentlich geändert haben oder

  • das Kreditinstitut/die Zweigniederlassung gem. § 53b KWG in Bezug auf mehr als 4.000 Wertpapierdepots Wertpapierdienstleistungen gegenüber deren Inhabern erbringt, es sei denn, es werden ausschließlich Geschäfte mit professionellen Kunden im Sinne des § 67 Abs. 2 WpHG bzw. geeigneten Gegenparteien im Sinne des § 67 Abs. 4 WpHG getätigt

2. Umfang (Dauer) der Befreiung

Liegen keine Ausschlusskriterien vor, richtet sich die Dauer der Befreiung bei Kreditinstituten sowie Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG nach folgenden Kriterien:

1 Jahr Befreiung möglich:

  • bei Kreditinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG, die in Bezug auf bis zu 4.000 Depots Wertpapierdienstleistungen gegenüber deren Inhabern erbringen.

2 Jahre Befreiung möglich:

  • bei Kreditinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG, die in Bezug auf bis zu 2.500 Depots Wertpapierdienstleistungen gegenüber deren Inhabern erbringen.

    und wenn

  • diese keine Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen erstellen, keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen in veränderter Form verbreiten und auch keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen im eigenen Namen weitergeben. Dabei sind die ausschließlich interne Verwendung und die ausschließliche Weitergabe der von Dritten oder von Verbundpartnern erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen nicht von Relevanz.

3 Jahre Befreiung möglich:

  • bei Kreditinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG, die in Bezug auf bis zu 500 Depots Wertpapierdienstleistungen gegenüber deren Inhabern erbringen.

    und wenn

  • diese keine Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen erstellen, keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen in veränderter Form verbreiten und auch keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen im eigenen Namen weitergeben. Dabei sind die ausschließlich interne Verwendung und die ausschließliche Weitergabe der von Dritten oder von Verbundpartnern erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen nicht von Relevanz.

Alternativ:

  • bei Kreditinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 53b KWG, die Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen unabhängig von ihrer Art oder ihrem Umfang ausschließlich gegenüber professionellen Kunden im Sinne des § 67 Abs. 2 WpHG bzw. geeigneten Gegenparteien im Sinne des § 67 Abs. 4 WpHG er-bringen

    und wenn

  • diese keine Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen erstellen, keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen in veränderter Form verbreiten und auch keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen im eigenen Namen weitergeben. Dabei sind die ausschließlich interne Verwendung und die ausschließliche Weitergabe der von Dritten oder von Verbundpartnern erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen nicht von Relevanz.

Hinweis:

Bei der Ermittlung der Depotanzahl werden zum einen die gem. § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG bei dem zu befreienden Kreditinstitut bzw. der Zweigniederlassung gem. § 53b KWG geführten Depots berücksichtigt („Depot B“). Darüber hinaus sind (kumulativ) alle Depots zu berücksichtigen, bei denen ein anderes Institut depotführende Stelle ist und das zu befreiende Kreditinstitut/ die Zweigniederlassung gem. § 53b KWG für die Inhaber dieser Depots Wertpapierdienstleistungen erbringt (z. B. Anlagevermittlung).

Neben den beschriebenen Kriterien kann die BaFin im Einzelfall auch andere Umstände, wie insbesondere die Art der von dem Kreditinstitut/ der Zweigniederlassung gem. § 53b KWG vertriebenen Produkte, berücksichtigen.

3. Mitteilungen relevanter Sachverhalte

Befreiungsbescheide werden i. d. R. mit der Auflage verbunden, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet wird, mir von maßgeblichen Veränderungen hinsichtlich Art und Umfang des Wertpapiergeschäfts oder des Depotgeschäfts sowie Veränderungen hinsichtlich der erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen unverzüglich Kenntnis zu geben. Maßgebliche Veränderungen liegen u.a. dann vor, wenn die Kriterien hinsichtlich Art oder Umfang, welche zu der Befreiung geführt haben, im Laufe des Befreiungszeitraums nicht mehr erfüllt bzw. Schwellenwerte überschritten werden.

Kriterien für Wertpapierinstitute sowie Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG:

1. Keine Befreiung

Eine Befreiung von der jährlichen Prüfung kommt - selbst wenn die Voraussetzungen im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit vorliegen – bei Wertpapierinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG nicht in Betracht (Ausschlusskriterien), wenn:

  • noch keine Erstprüfung des Instituts stattgefunden hat oder

  • die fehlerfreie Erstprüfung des Wertpapierinstituts/ der Zweigniederlassung gem. § 73 WpIG noch nicht die vollumfängliche Aus-führung mindestens einer Wertpapierdienstleistung umfasst hat oder

  • bei der jeweils letzten Prüfung ein Mangel oder Mängel im Sinne der Wertpapierdienstleistungsprüfungsverordnung (WpDPV) festgestellt wurden und die Schwere des Mangels oder die Gesamtheit der Mängel eine Befreiung nicht rechtfertigen oder

  • mir wesentliche Beschwerden oder sonstige, wesentliche aufsichtsrelevante Erkenntnisse vorliegen, die sich insbesondere auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/565, das WpHG sowie die auf diesem beruhenden Rechtsverordnungen beziehen oder

  • sich die Art der Geschäftstätigkeit oder die Organisation des Wertpapierinstituts/ der Zweigniederlassung gem. § 73 WpIG seit der letzten Prüfung wesentlich geändert haben oder

  • bei der Finanzportfolioverwaltung ein Anlagevolumen von mehr als 25 Mio. Euro und eine Kundenanzahl von mehr als 25 Kunden bestehen, es sei denn, es werden ausschließlich Geschäfte mit professionellen Kunden im Sinne des § 67 Abs. 2 WpHG bzw. geeigneten Gegenparteien im Sinne des § 67 Abs. 4 WpHG getätigt oder

  • bei der Anlagevermittlung, Anlageberatung, Abschlussvermittlung, beim Eigenhandel oder beim Finanzkommissionsgeschäft eine Mitarbeiterzahl (einschließlich vertraglich gebundener Vermittler) von mehr als 5 und eine Kundenanzahl von mehr als 200 vorliegen, es sei denn, es werden ausschließlich Geschäfte mit professionellen Kunden im Sinne des § 67 Abs. 2 WpHG bzw. geeigneten Gegenparteien im Sinne des § 67 Abs. 4 WpHG getätigt.

2. Umfang (Dauer) der Befreiung

Liegen keine Ausschlusskriterien vor, richtet sich die Dauer der Befreiung bei Wertpapierinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG nach folgenden Kriterien:

1 Jahr Befreiung möglich:

  • wenn bei der Finanzportfolioverwaltung entweder ein Anlagevolumen von maximal 25 Mio. Euro oder eine Kundenanzahl von maximal 25 Kunden bzw.

  • wenn bei der Anlagevermittlung, Anlageberatung, Abschlussvermittlung, beim Eigenhandel oder beim Finanzkommissionsgeschäft entweder eine Mitarbeiteranzahl (einschließlich vertraglich gebundener Vermittler) von maximal 5 oder eine Kundenanzahl von maximal 200

    vorliegen

2 Jahre Befreiung möglich:

  • wenn bei der Finanzportfolioverwaltung entweder ein Anlagevolumen von maximal 10 Mio. Euro oder eine Kundenanzahl von maximal 10 bzw.

  • wenn bei der Anlagevermittlung, Anlageberatung, Abschlussvermittlung, beim Eigenhandels oder beim Finanzkommissionsgeschäft entweder eine Mitarbeiteranzahl (einschließlich vertraglich gebundener Vermittler) von maximal 3 oder eine Kundenanzahl von maximal 150

    vorliegen

    und wenn

  • diese Wertpapierinstitute/ Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG keine Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen erstellen, keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen in veränderter Form verbreiten und auch keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen im eigenen Namen weitergeben. Dabei sind die ausschließlich interne Verwendung und die ausschließliche Weitergabe der von Dritten oder von Verbundpartnern erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen nicht von Relevanz.

3 Jahre Befreiung möglich:

  • bei Wertpapierinstituten/ Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG, die Geschäfte unabhängig von ihrer Art oder ihrem Umfang aus-schließlich mit professionellen Kunden im Sinne des § 67 Abs. 2 WpHG bzw. geeigneten Gegenparteien im Sinne des § 67 Abs. 4 WpHG tätigen.

    und wenn

  • diese Wertpapierinstitute/ Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG keine Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen erstellen, keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen in veränderter Form verbreiten und auch keine von Dritten erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen im eigenen Namen weitergeben. Dabei sind die ausschließlich interne Verwendung und die ausschließliche Weitergabe der von Dritten oder von Verbundpartnern erstellten Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen nicht von Relevanz.

Hinweis:

Sollte ein Wertpapierinstitut/ eine Zweigniederlassung gem. § 73 WpIG sowohl die Finanzportfolioverwaltung als auch eine andere Wertpapierdienstleistung betreiben und fallen gemäß obiger Systematik die Befreiungszeiträume auseinander, kommt nur der kürzere Befreiungszeitraum in Betracht.

Bei den Befreiungsmöglichkeiten für ein Jahr oder für zwei Jahre in Bezug auf die Finanzportfolioverwaltung wird entsprechend der für das Unternehmen günstigeren Zahl entweder auf das Anlagevolumen oder die Kundenanzahl abgestellt. Bei den anderen Wertpapierdienstleistungen wird entsprechend der für das Unternehmen günstigeren Zahl entweder auf die Mitarbeiteranzahl oder auf die Kundenanzahl abgestellt.

Neben den beschriebenen Kriterien kann die BaFin im Einzelfall auch andere Umstände, wie insbesondere die Art der von dem Wertpapierinstitut/ der Zweigniederlassungen gem. § 73 WpIG vertriebenen Produkte, berücksichtigen.


3. Mitteilungen relevanter Sachverhalte

Befreiungsbescheide werden i. d. R. mit der Auflage verbunden, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet wird, mir von maßgeblichen Veränderungen hinsichtlich Art und Umfang des Wertpapiergeschäfts sowie Veränderungen hinsichtlich der erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen unverzüglich Kenntnis zu geben. Maßgebliche Veränderungen liegen u.a. dann vor, wenn die Kriterien hinsichtlich Art oder Umfang, welche zu der Befreiung geführt haben, im Laufe des Befreiungszeitraums nicht mehr erfüllt bzw. Schwellenwerte überschritten werden.

Fußnoten

  1. 1 Zweigstellen i. S. v. § 53 KWG gelten als Kreditinstitute, § 53 Abs. 1 S. 1 KWG.

Zusatzinformationen

Rundschreiben 2/2023 - Befreiungskriterien im Rahmen der Prüfungsbefreiung gemäß § 89 Abs. 1 S. 3 WpHG

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