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Erscheinung:10.12.2012 | Geschäftszeichen WA 22–Wp 2001–2012/0003 Rundschreiben 8/2012 (WA) - MaComp II

Inhalt

Rundschreiben 8/2012 (WA) - Besondere Organisatorische Anforderungen für den Betrieb eines multilateralen Handelssystems nach §§ 31 f und 31 g WpHG (MaComp II)

1. Vorbemerkungen

Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems im Sinne der §§ 31 f, 31 g WpHG ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben die Betreiber multilateraler Handelssysteme die organisatorischen Anforderungen des 6. Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes, die für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen und damit auch für Betreiber multilateraler Handelssysteme gelten und welche bereits durch das Rundschreiben MaComp WA 4/2010 erläutert wurden, einzuhalten.

Dieses Rundschreiben 8/2012 (WA) – MaComp II dient der zusätzlichen Erläuterung der §§ 31 f und 31 g WpHG, welche ausschließlich auf den Betrieb eines multilateralen Handelssystems Anwendung finden. Das Rundschreiben erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Bundesanstalt wird einen fortlaufenden Dialog mit der Praxis führen, um dem jeweils sich ergebenden Konkretisierungsbedarf Rechnung zu tragen.

2. Anwenderkreis

Die §§ 31 f, 31 g WpHG gelten für den Betreiber eines multilateralen Handelssystems. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG ist der Betrieb eines multilateralen Handelssystems dahingehend zu verstehen, dass die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbracht werden, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.

Die Freiverkehre der Börsen zählen zwar zu den multilateralen Handelsplattformen; soweit der Börsenträger aber keine weiteren Finanzdienstleistungen erbringt, sind die Regelungen der §§ 31 f, 31 g WpHG aber nicht auf die Freiverkehre an den Börsen anzuwenden. Diese bedürfen keiner eigenständigen Erlaubnis neben der des Börsenbetreibers, denn es handelt sich nicht um Finanzdienstleistungen, vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 16 KWG. Es handelt sich auch nicht um eine Wertpapierdienstleistung, vgl. § 2 a Abs. 1 Nr. 13 WpHG.

Im Gegensatz zu § 31 f WpHG, der für alle Finanzinstrumente gilt, findet § 31 g WpHG nur auf die in ein multilaterales Handelssystem einbezogenen Aktien und Aktien vertretenden Zertifikate Anwendung.

3. Quellen

3.1. Internationale/europäische Quellen und Auslegungen

Den durch dieses Rundschreiben konkretisierten gesetzlichen Vorgaben liegen die folgenden supranationalen Quellen und Abkommen zugrunde:

  1. International Organization of Securities Commissions (IOSCO)´s Objectives and Principles of Securities Regulation
  2. EU-Richtlinie 2004/39/EG, EU-Richtlinie 2006/73/EG und EU-Rechtsverordnung 1287/2006
  3. European Securities and Markets Authority: ESMA 2012/122, Guidelines on systems and controls in an automated trading environment for trading platforms, investment firms and competent authorities

3.2. Nationale wesentliche Rechtsquellen

Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG)

4. § 31 f Abs. 1 Nr. 1 WpHG

Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems muss Zugangsregelungen für Handelsteilnehmer am multilateralen Handelssystem festlegen, die mindestens den Anforderungen des § 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 BörsG entsprechen; § 19 Abs. 4 Satz 2 BörsG gilt entsprechend.

Nach § 19 Abs. 2 BörsG darf nur zugelassen werden, wer gewerbsmäßig bei börsenmäßig handelbaren Gegenständen:

  • die Anschaffung und Veräußerung für eigene Rechnung betreibt oder
  • die Anschaffung und Veräußerung im eigenen Namen für fremde Rechnung betreibt oder
  • die Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung übernimmt

und dessen Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.

Aufgrund des Verweises des § 31 f Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 WpHG auf § 19 Abs. 4 Satz 1 BörsG darf einem Unternehmen als Handelsteilnehmer nur dann Zugang zum multilateralen Handelssystem gewährt werden, wenn die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, d.h.:

  1. bei Unternehmen, die in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betrieben werden, der Geschäftsinhaber, bei anderen Unternehmen die Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag mit der Führung der Geschäfte des Unternehmens betraut und zu seiner Vertretung ermächtigt sind, zuverlässig sind und zumindest eine dieser Personen die für das börsenmäßige Wertpapier- oder Warengeschäft notwendige berufliche Eignung hat;
  2. die ordnungsgemäße Abwicklung der an der Börse abgeschlossenen Geschäfte sichergestellt ist;
  3. das Unternehmen ein Eigenkapital von mindestens 50 000 Euro nachweist, es sei denn, es handelt sich um ein Kreditinstitut, ein Finanzdienstleistungsinstitut oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätiges Unternehmen, das zum Betreiben des Finanzkommissionsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 oder zur Erbringung einer Finanzdienstleistung im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 des Kreditwesengesetzes befugt ist; als Eigenkapital sind das eingezahlte Kapital und die Rücklagen nach Abzug der Entnahmen des Inhabers oder der persönlich haftenden Gesellschafter und der diesen gewährten Kredite sowie eines Schuldenüberhanges beim freien Vermögen des Inhabers anzusehen;
  4. bei dem Unternehmen, das nach Nr. 3 zum Nachweis von Eigenkapital verpflichtet ist, keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es unter Berücksichtigung des nachgewiesenen Eigenkapitals nicht die für eine ordnungsmäßige Teilnahme am Börsenhandel erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hat.

Die nach der Nr. 2 vorzuweisende Betriebsorganisation erfordert das Vorhalten ausreichender Systemkapazitäten und personeller Ressourcen, um auch in Spitzenzeiten den Anforderungen gerecht werden zu können. Nach Nr. 4 muss das Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, die den Anforderungen der Teilnahme am multilateralen Handelssystem entsprechen und die ordnungsgemäße Abwicklung mit dem Kunden gewährleisten. Das Nähere, wie die unter Punkt 1 bis 4 genannten Voraussetzungen nachzuweisen sind, ist in den Geschäftsbedingungen des multilateralen Handelssystems zu bestimmen.

Das Regelwerk des multilateralen Handelssystems kann nach §§ § 31 f Abs. 1 Nr. 1 WpHG i. V. mit 19 Abs. 4 Satz 2 BörsG vorsehen, dass bei Unternehmen, die an einer inländischen Börse oder an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes mit Sitz im Ausland zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, die Zulassung ohne den Nachweis der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 erfolgt, sofern die Zulassungsbestimmungen des jeweiligen Marktes mit diesen vergleichbar sind.

Es sind also vereinfachte Zugangsregelungen für Unternehmen möglich, die an einer inländischen Börse oder an einem organisierten Markt eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR zugelassen sind.

Die Zugangsregelungen müssen in den Geschäftsbedingungen des Betreibers des multilateralen Handelssystems veröffentlicht werden.

5. § 31 f Abs. 1 Nr. 2 WpHG

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss Regelungen festlegen für die:

  • Einbeziehung von Finanzinstrumenten
  • Ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung ohne Ermessensspielraum
  • Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und die
  • vertragsgemäße Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte

wobei die Regelungen zum Handel und zur Preisermittlung dem Betreiber keinen Ermessensspielraum einräumen dürfen.

5.1. Regelungen für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten

Die gemäß § 31f Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu schaffenden Regeln hängen von der Art der in das jeweilige multilaterale Handelssystem einzubeziehenden Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2 b WpHG) ab und müssen nach diesen differenzieren.

Die notwendige Transparenz erfordert eine Veröffentlichung der Auswahlkriterien. Eine Darstellung in den Geschäftsbedingungen des multilateralen Handelssystems ist angemessen und erforderlich.
Neben den Auswahlkriterien sollen auch Angaben über die formellen Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Finanzinstrumente (z.B. Anforderungen an den Antragsteller, formelle Anforderungen an den Antrag, gegebenenfalls beizubringende Nachweise) sowie über den Ablauf des Auswahl- und Entscheidungsverfahrens gemacht werden. Die Einbeziehung sollte auf der Internetseite des multilateralen Handelssystems veröffentlicht werden.

Um das Vertrauen der Anlegerschaft in die Integrität des multilateralen Handelssystems zu schützen, sollte der Betreiber des multilateralen Handelssystems vor der Einbeziehung eines Wertpapieres in den Handel des multilateralen Handelssystems die folgenden Aspekte prüfen:

  • Erstellt der Emittent Jahres- und Halbjahresbilanzen bzw. Zwischenberichte, welche Rechnungslegungsstandards entsprechen, die einen Vergleich mit den Abschlüssen anderer Emittenten ermöglichen. Im Interesse des Publikums wird empfohlen, die Bilanzen und Zwischenberichte auf der Internetseites des multilateralen Handelssystems zu veröffentlichen.
  • Seit wann besteht der Emittent und ist dieser wirtschaftlich aktiv. Die Bestandsdauer ist für die Anleger ein wichtiger Faktor bei der Einschätzung des Wertpapieres. Der Betreiber des multilateralen Handelssystems sollte zudem prüfen, ob die Festlegung einer Mindestbestandsdauer vor Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel angemessen ist.
  • Der Betreiber des multilateralen Handelssystems sollte die Echtheit der im Rahmen der Zulassung vorgelegten Unterlagen wie z.B. Prospekt, Handelsregisterauszug, Gesellschaftervertrag, Jahres- und Halbjahresbilanzen prüfen und entsprechende Nachweise vom Zulassungsantragsteller fordern.
  • Nachweis eines Mindestanteils an Streubesitzhaltung bezüglich der ausgegebenen Wertpapiere, z.B. von 10%.

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss den Emittenten des Weiteren darauf hinweisen, dass dieser zu prüfen hat, ob im Zusammenhang mit der Einbeziehung in den Handel ein öffentliches Angebot im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) vorliegt und daher ein Prospekt nach WpPG zu veröffentlichen ist. Ist dies der Fall, sollte der Betreiber des multilateralen Handelssystems den Prospekt auf seiner Internetseite ebenfalls veröffentlichen.

Auch soweit eine Einbeziehung von Finanzinstrumenten nicht unterstützt wird, das heißt ohne Antragsteller, sondern auf Initiative des Betreibers des multilateralen Handelssystems erfolgt, muss dieser transparente Auswahlkriterien für die Bestimmung der Finanzinstrumente, welche in das multilaterale Handelssystem einbezogen werden können, schaffen. Für Wertpapiere kann insofern zur Konkretisierung der Kriterien als Orientierungshilfe auch auf anerkannte Prinzipien einer erleichterten Einbeziehung zurückgegriffen werden. Das Regelwerk des multilateralen Handelssystems sollte dann auch Bestimmungen enthalten über die Unterrichtung des Handels über Tatsachen, die von dem Emittenten an dem ausländischen Markt, an dem die Wertpapiere zugelassen sind, zum Schutz des Publikums und zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Handels zu veröffentlichen sind. Neben einer bereits bestehenden Zulassung an einem anderen regulierten EU- oder EWR-Markt bzw. Markt eines Drittstaates mit vergleichbarer Regulierung kommen beispielsweise auch ein bestimmtes Mindestrating oder ein Mindestemissionsvolumen als Auswahlkriterien im Rahmen einer solchen Einbeziehung in Betracht.

5.2. Regelungen für die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung und die Verwendung von Referenzpreisen

Die Handelsregeln müssen sich an den Eigenschaften und Erfordernissen der in das multilaterale Handelssystem einbezogenen Finanzinstrumente orientieren.

Beim Handel mit Wertpapieren sind insbesondere erforderlich Angaben zu den Handelstagen, -zeiten und Handelsphasen, eine Darstellung der verschiedenen Handelsmodelle soweit vorgesehen sowie Angaben dazu, welche Orderarten unter welchen Handelsmodellen zulässig sind.

Weiterhin muss der Ablauf einer Ordereingabe und -erfassung im Handelssystem und die Ausführung unter den verschiedenen angebotenen Handelsmodellen festgelegt werden. Erforderlich sind Angaben zu den Order-Ausführungsbedingungen, den Gültigkeitsbestimmungen und eventuellen Handelsbeschränkungen.

Beim Einsatz von Market-Makern, Spezialisten oder anderen in den Handel eingeschalteten Dritten ist je nach Handelsmodell zu spezifizieren, welche konkreten Aufgaben diesen zufallen und nach welchen Kriterien sie ausgewählt werden.

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss des Weiteren ermessenfreie Regelungen zur ordnungsgemäßen Preisermittlung festlegen. Sieht das System unterschiedliche Handelsmodelle vor, sind die Regeln entsprechend zu differenzieren und voneinander abzugrenzen. Für verschiedene Arten von Finanzinstrumenten, welche im multilateralen Handelssystem handelbar sind müssen die Regeln der Preisermittlung spezifiziert werden, soweit produktspezifische Eigenschaften dies erforderlich machen.

Soweit Referenzpreise verwendet werden, sind auch hierfür Regelungen zu schaffen. Insbesondere beim Einsatz von Preisimportsystemen, bei welchen die Preise in Übereinstimmung mit einem von einem anderen Handelssystem ermittelten Referenzreis festgelegt und korrespondierende Orders zu diesem Referenzreis zusammengeführt werden, müssen die verwendeten Referenzmärkte vorab festgelegt sein.

Die im multilateralen Handelssystem eingesetzten Verfahren für die Verwendung und Bestimmung von Referenzpreisen sind in den Regelwerken des multilateralen Handelssystems festzuhalten. Des Weiteren ist ein Verfahren für die nachträgliche Aufhebung von Geschäften festzulegen, sofern diese zu nicht marktgerechten Preisen zustande gekommen sind.

5.3. Regelungen für die vertragsgemäße Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte

Die vertragsgemäße Abwicklung ist ebenfalls zu regeln.

Die Abwicklungsmodalitäten müssen den spezifischen Erfordernissen der in das multilaterale Handelssystem einbezogenen Finanzinstrumente Rechnung tragen.

Sofern aufgrund des Geschäftsmodells des multilateralen Handelssystems Geschäfte nur zwischen einem (oder mehreren) zentralen Kontrahenten und dessen Clearing-Mitgliedern zustande kommen können ist dies zu spezifizieren. Gleiches gilt, soweit das Settlement nur über bestimmte, vom Betreiber des multilateralen Handelssystems anerkannte Wertpapiersammelbanken erfolgen kann.

6. § 31 f Abs. 1 Nr. 3 WpHG

§ 31 f Abs. 1 Nr. 3 begründet die Verpflichtung zur Einrichtung angemessener Kontrollverfahren zur Überwachung der:

  • Einhaltung der Regelungen nach § 31 f Abs. 1 Nr. 2 WpHG
  • Einhaltung der §§ 14 und 20 a WpHG.

6.1. Angemessene Kontrollverfahren zur Überwachung der Einhaltung der Anforderungen des § 31 f Abs. 1 Nr. 2 WpHG

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss Kontrollverfahren einrichten, welche die Überwachung der Einhaltung der vom Systembetreiber geschaffenen Regeln zur Einbeziehung von Finanzinstrumenten, zur ordnungsgemäßen und ermessensfreien Durchführung des Handels und der Preisermittlung, zur Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und zur vertragsgemäßen Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte ermöglichen und sicherstellen.

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss zur Umsetzung des § 31 f Abs. 1 Nr. 3 WpHG eine effiziente Handelskontrolle einrichten bei welcher Daten über den Handel und die Geschäftsabwicklung systematisch und lückenlos erfasst und ausgewertet werden. Hierbei ist stets zu prüfen, in welchem Umfang auch eine Unabhängigkeit der Handelskontrolle geboten ist, um diese Tätigkeit wirksam auszuüben. Die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der für die Handelskontrolle verantwortlichen Personen soll gewährleistet sein. Persönliche Unabhängigkeit bedeutet insbesondere frei von Weisungen seitens der Geschäftsleitung und anderer Mitarbeiter bei Wahrnehmung der Handelskontrollfunktion. Die personelle und sachliche Ausstattung der Handelskontrolle muss in angemessener Relation zur Größe des multilateralen Handelssystems und dessen Geschäftsaufkommen und Transaktionsvolumina stehen. Der Handelskontrolle müssen genügend Zeit, sachliche Ressourcen sowie Informations- und Datenzugriffsmöglichkeiten zustehen, um ihrer Funktion effektiv nachkommen zu können. Auch ist eine räumliche Trennung von den anderen Mitarbeitern und Einheiten des multilateralen Handelssystems erforderlich.

6.1.1. Aufgaben der Handelskontrolle

Der Überwachung einer ordnungsgemäßen Preisbildung kommt besondere Bedeutung zu. Zu überwachen sind deshalb insbesondere die Handelsvolumina, die Kontrolle der Einhaltung der Handelsregelungen sowie der Vergleich der in dem multilateralen Handelssystem zustande gekommenen Preise mit denen an anderen multilateralen Handelssystemen und Börsen.

Bei der Ausgestaltung der computergestützten Datenerfassungs- und Datenauswertungsprozesse ist der Proportionalitätsgrundsatz maßgebend, das heißt diese müssen in angemessenem Verhältnis zur Größe, zum Geschäftsvolumen und Geschäftsmodell des multi-lateralen Handelssystems stehen. Erforderlich ist jedenfalls eine systematische Auswertung von Auffälligkeiten, wobei die Mitarbeiter der Handelskontrolle von Computersystemen unterstützt werden können, welche sie gezielt auf Preis- und Umsatzauffälligkeiten hinweisen.

Die Handelskontrolle muss Sachverhalte ermitteln, welche Anlass zu Zweifeln an einem ordnungsgemäßen Handel geben. Werden dabei Tatsachen festgestellt, welche die Annahme rechtfertigen, dass gesetzliche Vorschriften oder Anordnungen oder das Regelwerk des multilateralen Handelssystems verletzt werden oder das sonstige Missstände vorliegen, welche die ordnungsgemäße Abwicklung des Handels oder die Geschäftsabwicklung am multilateralen Handelssystem beeinträchtigen können, ist die Leitung des multilateralen Handelssystems zu unterrichten. Daneben ist zu prüfen und zu dokumentieren, inwieweit die BaFin zu unterrichten ist.

Eine gesetzliche Pflicht zur Unterrichtung der BaFin besteht zunächst nach § 10 Abs. 1 WpHG. § 31 f Abs. 3 WpHG sieht daneben eine Verpflichtung zur Unterrichtung der BaFin bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Handelsregeln und Störungen der Marktintegrität sowie zur unverzüglichen Unterrichtung bei Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen §§ 14 oder 20 a WpHG vor (siehe dazu im Einzelnen Punkt 11.3 weiter unten).

Auskunfts- und Informationsrechte gegenüber den Teilnehmern und Nutzern des multila-teralen Handelssystems, welche die Handelskontrolle zur effizienten Ausübung ihrer Kontrolltaufgaben benötigt, muss der Betreiber des multilateralen Handelssystems in sei-nen Geschäftsbedingungen und sonstigen Regelwerken, welche für seine Teilnehmer und Nutzer verbindlich sind, vorsehen.

6.1.2. Kooperation mit der Aufsicht - Eilmaßnahmen

Die Leitung des multilateralen Handelssystems soll des Weiteren die Möglichkeit haben, Eilmaßnahmen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Durchführung des Handels am multilateralen Handelssystem und der Geschäftsabwicklung sicherzustellen. Ein solches Erfordernis ist in der Regel gegeben, wenn ohne entsprechende Anordnungen zentrale Aufgaben wie die ordnungsgemäße Preisermittlung gefährdet wären.

6.2. Angemessene Kontrollverfahren zur Überwachung der Einhaltung der §§ 14 und 20 a WpHG

Das unter Punkt 6.1 bereits erläuterte Erfordernis einer effizienten Handelskontrolle dient auch der Überwachung der Einhaltung des Verbotes von Insidergeschäften und Marktmanipulationen gemäß §§ 14, 20 a WpHG.

Zentrale Aufgabe der Handelskontrolle ist es dabei, ungewöhnliche Kursentwicklungen und Transaktionen zu identifizieren, die auf Insiderhandel, Marktmissbrauch und Marktmanipulationen hindeuten können. Der Betreiber des multilateralen Handelssystems sollte in seinen Regelwerken auch die Möglichkeit zur Anordnung einer Handelsaussetzung bzw. einer Einstellung des Handels vorsehen, sofern Anhaltspunkte für eine Marktmanipulation vorliegen.

6.2.1. Überwachung der Einhaltung des § 20 a WpHG

Es müssen Vorkehrungen getroffen werden um Marktmanipulationen bereits präventiv zu unterbinden. Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss deshalb, auch in seinen vertraglichen Beziehungen zu den betroffenen Parteien wie dem Antragsteller auf Zulassung zum Handel und zum Emittenten, alle geeigneten und angemessenen Maßnahmen treffen um zu verhindern, dass Wertpapiere bzw. Finanzinstrumente zum Zweck von Marktmanipulationen in den Handel eingeführt werden.

Die oben unter Punkt 5.1 beispielhaft aufgeführten Kriterien für die Einbeziehung von Wertpapieren in das multilaterale Handelssystem sind im Sinne einer qualitativen Kontrolle geeignet dazu beizutragen, dass die Einbeziehung in den Handel der gesetzlich vorgesehenen Zweckbestimmung des multilateralen Handelssystems entspricht.

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss, insbesondere vor dem Hintergrund sich ändernder Handelstechniken und einem sich ändernden Marktumfeld kontinuierlich prüfen, ob die von ihm bei der Einbeziehung von Finanzinstrumenten in den Handel zugrunde gelegten Kriterien nach wie vor wirksam sind und diese gegebenenfalls anpassen.

Dies gilt auch dann, wenn die Einbeziehung ohne Antrag auf eigene Initiative des Betreibers des multilateralen Handelssystems erfolgt. Auch hier sind die Kriterien für die erstmalige Einbeziehung in qualitativer und verfahrensmäßiger Hinsicht so auszugestalten, dass Marktmanipulationen verhindert werden. Die Erstzulassung an einem anderen Markt entbindet den Betreiber des multilateralen Handelssystems nicht von einer eigenen Prüfung bzw. eigenen Kontrollverfahren. Hier kommt einer effizienten Informationsgewinnung wichtige Bedeutung zu, insbesondere im Verhältnis zum Markt der Erstzulassung.

Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss sich hinsichtlich der Überwachung des Handels in Hinblick auf etwaige Marktmanipulationen in seinen Geschäftsbedingungen auch das Recht vorbehalten, bereits einbezogene Finanzinstrumente, bei denen die genannten Voraussetzungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind vom Handel auszuschließen.

6.2.2. Überwachung der Einhaltung des § 14 WpHG

Die gemäß § 31 f Abs. 1 Nr. 3 WpHG vorzusehenden Kontrollverfahren dienen außerdem der Überwachung der Einhaltung des § 14 WpHG, das heißt des Verbotes von Insidergeschäften.

Dies bedeutet zunächst dass der Betreiber des multilateralen Handelssystems seine eigenen Mitarbeiter zur Vermeidung von Insidergeschäften zu überwachen hat. Zur Ausgestaltung der Überwachung der Mitarbeitergeschäfte durch eine unabhängige Compliance-Funktion innerhalb eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens siehe BT 2 des Rundschreibens 4/2010 (WA) – MaComp. Zur Definition der Begriffe Mitarbeiter, Mitarbeitergeschäfte und den seitens des Wertpapierdienstleistungsunternehmens einzusetzenden Mitteln, Verfahren und organisatorischen Vorkehrungen zur Überwachung der Mitarbeiter vgl. insbesondere § 33b WpHG.

In Bezug auf die Geschäfte, welche am multilateralen Handelssystem durch dessen Handelsteilnehmer getätigt werden sind die organisatorischen Anforderungen des § 31 f Abs. 1 Nr. 3 WpHG im Lichte der Vorgaben des Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39/EG (nachfolgend „Finanzmarktrichtlinie“) zu definieren. Danach muss die Kontrolle dazu dienen, von den Nutzern des multilateralen Handelssystems innerhalb des Systems abgeschlossene Geschäfte zu überwachen, um Verstöße gegen die Regeln des multilateralen Handelssystems sowie marktstörende Handelsbedingungen oder Verhaltensweisen, die auf Marktmissbrauch hindeuten können, zu erkennen.

Auch hier kommt dem Erfordernis der Einrichtung einer wirksamen Handelskontrolle beim multilateralen Handelssystem zentrale Bedeutung zu. Die in Echtzeit oder zumindest zeitnah ex-post erfolgende Überwachung und Analyse der im multilateralen Handelssystem getätigten Aufträge und Geschäfte durch die Handelskontrolle mit Vorkehrungen zur Unterrichtung der BaFin bei begründeten Verdachtsfällen muss das Erkennen von eventuellen Verstößen gegen § 14 WpHG durch Handelsteilnehmer ermöglichen.

7. § 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG

§ 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG begründet die Pflicht zur Sicherstellung, dass die Preise im multilateralen Handelssystem entsprechend den Regelungen des § 24 Abs. 2 des Börsengesetzes zustande kommen.

Bei entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG müssen die Preise im multilateralen Handelssystem ordnungsgemäß zustande kommen und der wirklichen Marktlage des Handels entsprechen.
Das Merkmal des ordnungsgemäßen Zustandekommens erfordert eine dem Börsengesetz entsprechende Preisbildung.

Bei der Ermittlung der Preise innerhalb des multilateralen Handelssystems können nach § 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG i. V. mit § 24 Abs. 2 Satz 3 BörsG auch Preise einer anderen Börse, eines organisierten Marktes mit Sitz im Ausland oder eines multilateralen Handelssystems im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG berücksichtigt werden.

Nach § 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG i. V. mit § 24 Abs. 2 Satz 2 BörsG muss das Preisermittlungsverfahren dem Gebot der Transparenz genügen und die Chancengleichheit aller Handelsteilnehmer sicherstellen. Übertragen auf den Ablauf des Handels am multilateralen Handelssystem bedeutet dies, dass es allen Handelsteilnehmern möglich sein muss auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Wertpapier, Derivat oder sonstigen Finanzinstrument vorliegenden Aufträge im elektronischen Handelssystem mit Kauf- oder Verkaufsangeboten zu reagieren.

Dies erfordert ein Mindestmaß an Transparenz über die Auftragslage. Dieses Gebot der Transparenz wird für die in das multilaterale Handelssystem einbezogenen Aktien und Aktien vertretenden Zertifikate durch § 31 g Abs. 1 WpHG weiter konkretisiert und erweitert (siehe dazu weiter unten Punkt 12.1).

Marktmodelle, die bestimmten Handelsteilnehmern schnellere Reaktionsmöglichkeiten einräumen und dadurch Wettbewerbsvorteile verschaffen verstoßen gegen das Prinzip der Chancengleichheit und können folglich nicht zu Preisen im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG führen.

Geschäfte die außerhalb der regulären Märkte beziehungsweise des multilateralen Handelssystems zustande kommen (sog. OTC-Geschäfte) führen nicht zu Preisen im Sinne des § 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG i. V. mit § 24 Abs. 2 BörsG, da diese Geschäfte typischerweise bilateral abgeschlossen werden und der Gesamtmarkt ausgeschlossen ist.

Weiterhin müssen die Preise in Anwendung des § 31 f Abs. 1 Nr. 4 WpHG i. V. mit § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG der wirklichen Marktlage des Handels entsprechen. In erster Linie ist für die Bestimmung der wirklichen Marktlage auf die Aufträge und Geschäfte an dem jeweiligen Handelssystem, an dem die Preisbildung erfolgt, abzustellen. Im elektronischen Handel bei welchem sämtliche Aufträge und Geschäfte typischerweise über das System zentralisiert erfolgen, bilden diese somit die Marktlage.

Gemäß § 31 f Abs. 1 Nr. 4 i. V. mit § 24 Abs. 2 Satz 3 BörsG können zur Preisbildung Referenzpreise im Sinne der Preise einer anderen Börse, eines organisierten Marktes mit Sitz im Ausland oder eines anderen multilateralen Handelssystems im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG herangezogen werden. Diese Möglichkeit zum Import von Referenzpreisen ist besonders wichtig, wenn der Handel am importierenden multilateralen Handelssystem selbst zu gering ist, es daher zu erheblichen Preisabweichungen vom Markt mit der größten Liquidität kommen kann. Da § 31 f Abs. 1 Nr. 4 i. V. mit § 24 Abs. 2 Satz 3 BörsG keine eigenständige Definition der berücksichtigungsfähigen ausländischen organisierten Märkte enthält, kann auf die in § 2 Abs. 5 WpHG enthaltene Definition der organisierten Märkte zurückgegriffen werden. Der Referenzmarkt muss deshalb einer dem deutschen Recht entsprechenden Regulierung und Beaufsichtigung unterliegen.

Die Preisermittlungsregeln im multilateralen Handelssystem müssen einerseits den zum Einsatz kommende Handelsmodellen angepasst sein und andererseits den Preisbildungserfordernissen der Finanzinstrumente, welche im System handelbar sind, Rechnung tragen.

Da § 31 f Abs. 1 Nr. 4 i. V. mit § 24 Abs. 2 BörsG einen allgemeinen Regelungsauftrag an das Handelssystem begründet, missbräuchlichen Beeinflussungen und Verzerrungen der Marktlage entgegenzuwirken sollen auch deshalb Sicherungsmechanismen, die eine ordnungsgemäß Preisbildung fördern eingerichtet werden. Beispiele sind Volatilitätsunterbrechungen und Regelungen zur rückwirkenden Aufhebung von fehlerhaften Geschäften.

8. § 31 f Abs. 1 Nr. 5 WpHG

§ 31 f Abs. 1 Nr. 5 WpHG verpflichtet die Betreiber des multilateralen Handelssystems dafür Sorge zu tragen, dass die Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte im multilateralen Handelssystem eine lückenlose Überwachung durch die Bundesanstalt ermöglichen. Der Betreiber des multilateralen Handelssystems hat bei der Umsetzung der Aufzeichnungspflicht einen Gestaltungsspielraum. Die Vorschrift des § 257 Abs. 3 HGB kann als Orientierungshilfe herangezogen werden, das heißt die in das System gegebenen Aufträge und die in ihm abgeschlossenen Geschäfte können auch auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden.

In diesem Kontext ist auch der für multilaterale Handelssysteme geltende § 34 Abs. 1 WpHG zu beachten, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen unbeschadet der Aufzeichnungspflichten nach den Artikeln 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 über die von ihm erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen sowie die von ihm getätigten Geschäfte Aufzeichnungen erstellen muss, die es der Bundesanstalt ermöglichen, die Einhaltung der in Abschnitt 6 des WpHG geregelten Pflichten zu prüfen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WpDVerOV, welcher § 34 WpHG weiter konkretisiert, genügt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seiner Pflicht, Aufzeichnungen zu erstellen, die eine Nachprüfbarkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 WpHG ermöglichen, wenn aufgrund der Aufzeichnungen nachvollziehbar ist, ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die jeweils in Rede stehende Pflicht erfüllt hat.

Hinsichtlich der Aufbewahrungsfrist sieht § 34 Abs. 3 Satz 1 WpHG vor, dass alle nach dem 6. Abschnitt des WpHG erforderlichen Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt ihrer Erstellung aufzubewahren sind. Zu möglichen Abweichungen siehe § 34 Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG. Die Betreiber multilateraler Handelssysteme sollen ihre Handelsteilnehmer im Rahmen ihrer Regelwerke auf die Aufbewahrungsmodalitäten hinweisen.

Bei telefonischem Geschäftsabschluss kann das Aufzeichnungserfordernis durch Aufzeichnung der diesbezüglichen Telefonate erfüllt werden. Der Betreiber des multilateralen Handelssystems muss dabei die Einhaltung datenschutzrechtlicher Anforderungen sicherstellen, zum Beispiel was die Unterrichtung der Handelsteilnehmer über die Tatsache der Aufzeichnung also solcher und die Aufzeichnungsfristen betrifft.

9. § 31 f Abs. 1 Nr. 6 WpHG

§ 31 f Abs. 1 Nr. 6 WpHG verpflichtet den Betreiber des multilateralen Handelssystems zur öffentlichen Bekanntgabe aller erforderlichen und zweckdienlichen Informationen zur Nutzung des multilateralen Handelssystems unter Berücksichtigung der

  • Art der Nutzer und
  • des gehandelten Finanzinstruments.

Zu veröffentlichen sind insbesondere Informationen in Sinne des § 31f Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG. Erforderlich und zweckdienlich sind vor allem solche Informationen, welche

  • die Benutzung des Systems erläutern, insbesondere Zugang
  • die Handelsbedingungen und das Preisermittlungsverfahren erläutern
  • die Zulässigkeit verschiedener Arten von Orders bestimmen
  • die Ausführung der Geschäfte (Clearing und Settlement) erläutern
  • Details über Handelszeiten, Handelsüberwachung und die Art der Kursermittlung beinhalten.

Die veröffentlichten Informationen müssen eine Beurteilungsmöglichkeit hinsichtlich der Anlagemöglichkeiten im multilateralen Handelssystem bieten.

Hinsichtlich der Wahl des Veröffentlichungsmediums bestehen keine verbindlichen Vorgaben. Geeignetes Medium ist insbesondere die Internetseite des Betreibers des multilateralen Handelssystems.

10. § 31 f Abs. 2 WpHG

Nach § 31 f Abs. 2 WpHG können Emittenten deren Finanzinstrumente ohne ihre Zustimmung in den Handel in einem multilateralen Handelssystem einbezogen worden sind, nicht dazu verpflichtet werden, Informationen in Bezug auf diese Finanzinstrumente für dieses multilaterale Handelssystem zu veröffentlichen. Die Norm setzt Art. 14 Abs. 6 der Finanzmarktrichtlinie um und gilt diesem entsprechend für die erstmalige, laufende und punktuelle Veröffentlichung.

11. § 31 f Abs. 3 WpHG

Nach § 31 f Abs. 3 WpHG muss der Betreiber des multilateralen Handelssystems der BaFin schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln und Störungen der Marktintegrität mitteilen. Bei Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen §§ 14 oder 20a WpHG ist die BaFin unverzüglich zu unterrichten und bei ihren Untersuchungen umfassend zu unterstützen.

11.1. Schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln

Der Begriff der Handelsregeln ist weit zu verstehen. Er umfasst sämtliche der vom Betreiber des multilateralen Handelssystems festgelegten Regelungen und nicht nur solche, die nach § 31 f Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG vorzusehen sind.

Eingrenzendes Kriterium der Meldepflicht ist das Erfordernis dass nur solche Verstöße gemeldet werden müssen die als schwerwiegend einzustufen sind. Bei der Abgrenzung muss insbesondere auf die Bedeutung der in Frage stehenden Handelsregel abgestellt werden, die von einigem Gewicht sein muss. Dies ist der Fall, wenn ein Verstoß gegen diese geeignet ist, erhebliche negative Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Handels nach sich zu ziehen.

Beispiele:
Der ordnungsgemäßen Durchführung des Handels dienen insbesondere die Vorschriften zur Preisermittlung. Verstöße hiergegen sind deshalb stets zu melden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verstoß zu einem Geschäftsabschluss zu einem nicht marktgerechten Preis (Referenzpreis) führt oder nicht.

Verhaltensweisen der Handelsteilnehmer bei der Eingabe von Orders, Geschäften, indikativen oder verbindlichen Quotes welche geeignet erscheinen, dadurch fehlerhaft oder irreführend Angebot, Nachfrage oder Preis von gehandelten Wertpapieren zu beeinflussen oder einen nicht marktgerechten Preis beziehungsweise ein künstliches Preisniveau herbeizuführen, sind zu prüfen. Sofern diese nicht einer gängigen Marktpraxis in Einklang mit der ordnungsgemäßen Durchführung des Handels und mit den Regeln des multilateralen Handelssystems entsprechen, sind diese mitzuteilen.

11.2. Störungen der Marktintegrität

Des Weiteren sind der BaFin Störungen der Marktintegrität mitzuteilen.

Zur Wahrung der Marktintegrität dienen insbesondere die in § 9 WpHG vorgeschriebenen Meldepflichten. Meldedefizite im Rahmen des § 9 WpHG bilden deshalb ihrerseits Störungen der Marktintegrität und sind mitzuteilen sobald diese dem Betreiber des multilateralen Handelssystems bekannt werden.

Die Marktintegrität kann daneben beispielsweise auch durch Funktionsdefizite der Preisfeststellung oder der Abwicklung der Geschäfte gestört werden.

11.3. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14 oder § 20 a WpHG

Nach § 31 f Abs. 3 WpHG genügen bereits Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften oder gegen das Verbot der Marktmanipulation um die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung der BaFin auszulösen sowie diese bei daraufhin gegebenenfalls eingeleiteten Untersuchungen umfassend zu unterstützen.

Unter Anhaltspunkten sind gemäß Art. 26 Ab. 2 der Finanzmarktrichtlinie Verhaltensweisen zu verstehen, die auf Marktmissbrauch hindeuten könnten. Ausreichend ist deshalb ein Signal beziehungsweise Indiz für das Vorliegen eines Verstoßes um die Meldepflicht auszulösen.

Die Meldung an die BaFin muss unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgen.

In diesem Kontext ist auch die unabhängig daneben bestehende Anzeigepflicht nach § 10 WpHG zu beachten, welche auch für Betreiber multilateraler Handelssysteme gilt. § 10 Abs. 1 WpHG bezieht neben den §§ 14 und 20 a WpHG auch die Verbotsnormen der §§ 30 h und 30 j WpHG ausdrücklich ein und löst eine Pflicht zur unverzüglichen Benachrichtigung der BaFin aus, sofern Tatsachen festgestellt werden, welche den Verdacht begründen, dass durch ein Geschäft über Finanzinstrumente gegen eine dieser Vorschriften verstoßen worden ist.

12. § 31 g WpHG : Vor- und Nachhandelstransparenz für multilaterale Handelssysteme

§ 31 g Abs. 1 und 2 WpHG regeln die Vorhandelstransparenz, d.h. die Veröffentlichung von Informationen über die aktuelle Auftragslage. § 31 g Abs. 3 und 4 WpHG betreffen die Nachhandelstransparenz, d.h. die Veröffentlichung von Informationen über abgeschlossene Geschäfte. Anders als § 31 f WpHG, der für sämtliche in das multilaterale Handelssystem einbezogenen Finanzinstrumente gilt, findet § 31 g WpHG nur auf die in das multilaterale Handelssystem einbezogenen Aktien und Aktien vertretende Zertifikate Anwendung.

§ 31 g Abs. 5 WpHG enthält einen Verweis auf die Details regelnde und unmittelbar geltende Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (nachfolgend „DVO-MiFID“). Diese beinhaltet in den Art. 17 ff. zur Vorhandelstransparenz und in den Art. 27 ff. zur Nachhandelstransparenz gleich lautende Regelungen für multilaterale Handelssysteme und geregelte Märkte.

12.1. § 31 g Abs. 1 WpHG – Vorhandelstransparenz

§ 31 g Abs. 1 und die Art. 17-19 der DVO-MiFID regeln die Vorhandelstransparenz, d.h. die vom Betreiber des multilateralen Handelssystems zu veröffentlichenden Parameter zu denen im Handelssystem Geschäfte vorgenommen werden können.

Nach § 31 g Abs.1 WpHG hat der Betreiber eines multilateralen Handelssystems für in das System einbezogene Aktien und Aktien vertretende Zertifikate, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, den Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrages und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrages und das zu diesen Preisen handelbare Volumen kontinuierlich währen der üblichen Geschäftszeiten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen zu veröffentlichen.

Die Pflichten der Betreiber multilateraler Handelssysteme werden in Art. 17 DVO-MiFID präzisiert, welcher wiederum zur weiteren Differenzierung auf deren Anhang II Tabelle 1 verweist. Zu den vier Kategorien von Handelssystemen und den unter diesen jeweils zu veröffentlichenden konkreten Informationen siehe Art. 17 DVO-MiFID. Zur Art und Weise der Veröffentlichung siehe die Vorgaben in den Art. 29 Abs. 1 bis 3, 30 und 32 DVO-MiFID.

12.2. § 31 g Abs. 2 WpHG - Gestattung von Ausnahmen

Nach § 31 g Abs. 2 WpHG kann die BaFin Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz nach Maßgabe der Art. 18-20 DVO-MiFID gestatten. Zu den Voraussetzungen der Ausnahmen, die sich in drei Kategorien einteilen lassen, siehe:

  • Art. 18 Abs. 1 DVO-MiFID zu Ausnahmen für bestimmte Marktmodelle
  • Art. 18 Abs. 2 DVO-MiFID zu Ausnahmen für bestimmte Auftragstypen
  • Art. 20 VO-MiFID zu Ausnahmen für Aufträge mit großem Volumen.

12.3. § 31 g Abs. 3 WpHG – Nachhandelstransparenz

Nach § 31 g Abs. 3 WpHG muss der Betreiber des multilateralen Handelssystems den Marktpreis, das Volumen und den Zeitpunkt für nach § 31 g Abs. 1 WpHG abgeschlossene Geschäfte zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und soweit wie möglich auf Echtzeitbasis veröffentlichen.

Zu Einzelheiten des Echtzeiterfordernisses siehe Art. 29 Abs. 2 DVO-MiFID, zum präzisen Inhalt der Veröffentlichung Art. 27 Abs. 1 Satz 1 lit. a bis d DVO-MiFID. Vorgaben zur Art und Weise der Veröffentlichung sind in den für die Vor- und Nachhandelstransparenz gemeinsam geltenden Bestimmungen der Art. 29, 30 und 32 DVO-MiFID zu finden.

12.4. § 31 g Abs. 4 WpHG: Gestattung einer verzögerten Veröffentlichung

Gemäß § 31 g Abs. 4 WpHG kann die BaFin nach Maßgabe von Kapitel IV Abschnitt 3 DVO-MiFID (dort Art. 28 und 32 DVO-MiFID) je nach Art und Umfang der abgeschlossenen Geschäfte eine verzögerte Veröffentlichung von Informationen nach § 31 g Abs. 3 WpHG gestatten. Der Systembetreiber hat eine solche Verzögerung zu veröffentlichen. Gemäß § 31 g Abs. 4 WpHG i.V. mit Art. 28 Satz 1 DVO-MiFID i.V. mit Anhang II, Tabelle 4 DVO-MiFID können dementsprechend Großgeschäfte nach Genehmigung verzögert veröffentlicht werden. Zu den konkreten Ausnahmevoraussetzungen und zur Bestimmung der jeweiligen Dauer der möglichen Verzögerung enthalten Art. 28 der DVO-MiFID sowie deren Anhang II, Tabelle 4 Einzelheiten.

12.5. § 31 g Abs. 5 WpHG

Wegen der Einzelheiten der Veröffentlichungspflichten nach Abs. 1, 3 und 4 verweist § 31 g Abs. 5 WpHG auf Kapitel IV, Abschnitt 1, 3 und 4 der DVO-MiFID.

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