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Erscheinung:21.07.1998 | Geschäftszeichen IV 2-41521 - 1/98 | Thema Berichtspflichten Rundschreiben 3/1998 (VA) - Hinweise des BAV zum Betrieb von Lösegeldversicherungen

Hinweise des BAV [1] zum Betrieb von Lösegeldversicherungen

Bisher hat das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Versicherung von Lösegeldforderungen bei entführten oder mit Gewalt bedrohten Personen als Verstoß gegen den ordre public (§ 138 Abs. 1 BGB; Art. 6 EGBGB) abgelehnt, weil damit die Gefahr des erpresserischen Menschenraubes gefördert würde. Ein Verstoß gegen den ordre public wurde auch in den Fällen angenommen, in denen Versicherer im Rahmen von Rückruf- und Produktschutzversicherungen den erpressten Unternehmen die Zahlung eines "Schutzgeldes" zur Vermeidung von Produktvergiftungen etc. ersetzen wollten. Diese generelle Ablehnung wird nicht mehr aufrechterhalten.

Das Bundesaufsichtsamt ist vielmehr insbesondere aufgrund von Erfahrungen im EU/EWR-Raum der Auffassung, dass unter gewissen Voraussetzungen der Betrieb von Produkterpressungs- und Lösegeldversicherungen nicht gegen den ordre public verstößt. Die entgegenstehende Verlautbarung im GB GB BAVBAV 1981 S. 31 Nr. 141 ist überholt. Ein Betrieb dieser Versicherungen im Einklang mit dem ordre public ist allerdings nur möglich, wenn berücksichtigt wird, dass diese besonders sensibel zu handhabenden Verträge ein hohes Maß an Geheimhaltung verlangen und die Ermittlungsarbeit der Polizei nicht behindern. Außerdem muss ein kollusives Zusammenwirken zwischen Tätern, Opfern oder Mitarbeitern des Versicherers vermieden werden. Dazu ist im einzelnen erforderlich, dass

  • für die Versicherungen nicht geworben wird;

  • diese Versicherungen nicht mit anderen Versicherungsverträgen gebündelt werden (sog. "Rundum-Versicherungsschutz") oder in Kombination mit anderen Versicherungszweigen bzw. -arten Versicherungsschutz gewährt wird;
  • die Laufzeit der Versicherungsverträge ein Jahr nicht überschreitet, damit die Risikoverhältnisse und die Angemessenheit der Versicherungssumme in kurzen Abständen erneut geprüft werden können;
  • die Versicherungssumme den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers angemessen ist, damit das subjektive Risiko sich nicht erhöht;
  • ein kompetentes Sicherheitsunternehmen eine präventive Beratung anhand eines Sicherheitskonzepts bei dem Versicherungsnehmer durchführt;
  • dem Versicherungsnehmer die Obliegenheit zur Geheimhaltung des Versicherungsschutzes auferlegt wird; höchstens drei Personen seines Vertrauens sollte er über das Bestehen der Versicherung informieren; diese Personen müssen dem Versicherer namentlich benannt und vom Versicherungsnehmer zur Verschwiegenheit angehalten werden;
  • eine zentrale Stelle, die dem Vorstand direkt unterstellt ist, allein für die Verwaltung und Schadenbearbeitung zuständig ist. Die Vertragsdaten müssen verschlüsselt sein, sobald sie gespeichert oder übermittelt werden. In den Anstellungsverträgen der zuständigen Mitarbeiter sollte eine spezielle Verschwiegenheitsverpflichtung enthalten sein. Die Revisionen sollten vom Vorstand/ Sicherheitsunternehmen durchgeführt werden;
  • der Versicherungsnehmer, seine Vertrauenspersonen und der Versicherer im Schadenfall verpflichtet sind, die Tat bei der Polizei unverzüglich anzuzeigen und das staatliche Strafverfolgungsinteresse zu unterstützen.

Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen geht davon aus, dass die Versicherer sich über die Besonderheiten im Zusammenhang mit Entführungsfällen kundig machen.

Der Betrieb der Lösegeld-/Produkterpressungsversicherungen ist der Risikoart 16 k der Anlage A. zum VAG.

Den Empfang dieses Rundschreibens bitte ich zu bestätigen.


[1]

BAKred: Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen
BAV: Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen
BAWe: Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel

Die oben genannten Aufsichtsämter wurden durch Gesetz vom 22. April 2002 mit Wirkung zum 1. Mai 2002 zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusammengeführt.

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