© BaFin/Pavel Becker
Erscheinung:04.02.2025 Rede von Exekutivdirektorin Birgit Rodolphe bei der Abwicklungskonferenz am 04. Februar 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Gäste,
am 4. Februar, heute vor 128 Jahren, wurde Ludwig Erhard geboren.
Er wird oft mit den Worten zitiert: „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie.“ Dass die volkswirtschaftliche Entwicklung nur zu einem Teil von harten Daten und Fakten abhängt und zum anderen Teil von den Ängsten, Wünschen und Erwartungen der Marktteilnehmer beeinflusst wird, ist hinlänglich bekannt. Für den Finanzmarkt gilt dies ganz besonders.
Psychologie spielt auch in der Abwicklung eine entscheidende Rolle. Im Arbeitsalltag gerät das viel zu oft in Vergessenheit. Wir müssen uns diesen Einfluss deshalb immer wieder vor Augen führen. Dafür ist heute eine gute Gelegenheit.
Wenn Gerüchte Ängste schüren, ist das schlimm genug. In einer Krise kann aus Angst aber Panik werden. Genau das zu verhindern, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Und dafür braucht es Vertrauen.
Vertrauen in einen stabilen Finanzmarkt beinhaltet auch das Vertrauen in ein funktionierendes Abwicklungsregime. Die Marktteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass sich die Krise einer einzelnen Bank nicht zur Krise des gesamten Finanzsystems auswächst. Diese Überzeugungsarbeit zu leisten, ist eine große Herausforderung. Für Sie genauso wie für uns. Wir kümmern uns daher bereits während der Abwicklungsplanung aktiv um die frühzeitige Klärung von möglichst vielen Detailfragen, damit das Vertrauen in ein funktionsfähiges Abwicklungsregime belastbar ist.
Deshalb ist es mir so wichtig, in einer Veranstaltung wie dieser, Transparenz darüber zu schaffen, welche Fragen uns im Alltag beschäftigen, denn: Wer versteht, was bei einer Abwicklung passiert, kann erkennen, dass Krisen bewältigbar sind.
Das erfordert vor allem Aufklärung darüber, was Abwicklung bedeutet. Der deutsche Begriff ist leider unglücklich. Er führt immer wieder zu Missverständnissen, weil er zu stark nach Liquidation klingt. Der englische Begriff liegt mir viel näher: Resolution. Da schwingt das Wort „Solution“ schon mit: Lösung!
Aber bleiben wir für heute beim bisherigen Begriff.
Ich wünsche mir von unserer heutigen Veranstaltung, dass wir alle ein noch besseres Verständnis dafür entwickeln, wie wir Vertrauen gewinnen, erhalten und stärken, um den Finanzmarkt und die Stakeholder in einer Krise nicht zu überraschen und damit in Unruhe zu versetzen.
Um Vertrauen für das Abwicklungsregime zu gewinnen, sind wir als Behörde, aber auch die Banken gefragt:
Banken müssen integer agieren, sich selbst und ihr Geschäftsmodell regelmäßig kritisch hinterfragen und in Zusammenarbeit mit uns – den jeweils zuständigen Abwicklungsbehörden – dafür sorgen, dass sie im Ernstfall abgewickelt werden können.
Wenn Banken diese Anforderungen verinnerlichen und umsetzen, werden sie selbst gestärkt und manche Krisen können verhindert oder begrenzt werden. Ich bin davon überzeugt: Je besser die Abwicklung vorbereitet wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie überhaupt gebraucht wird. Die Beschäftigung mit der eigenen Abwicklungsfähigkeit ist zwar nicht angenehm, aber sie zwingt zu einem nüchternen und kritischen Blick auf das eigene Institut. Auf Strukturen, Geschäfte und Risiken.
Wir als Behörden müssen die Geschäftsmodelle der einzelnen Banken verstehen. Jede Bank ist anders. Wer ihre Besonderheiten und Risiken nicht versteht, kann keine tragfähige Lösung für den Krisenfall entwickeln.
Wenn wir von Abwicklung sprechen, sprechen wir auch von Teamwork. Das beginnt in unseren Kernteams, setzt sich fort über unsere nationalen und internationalen Partnerbehörden, und schließt natürlich auch die Institute sowie andere Finanzmarktteilnehmer mit ein. Und auch beim Teamwork gilt: 50 Prozent ist Psychologie. Auch in dieser Zusammenarbeit spielt Vertrauen eine große Rolle. Für den Erfolg einer Abwicklung ist entscheidend, dass alle Akteure ihre Rolle im Gesamtprozess verinnerlichen und das Team gut eingespielt ist. Denn von unserer Zusammenarbeit hängt es ab, ob die Institute abwicklungsfähig sind.
Die Industrie und wir als Behörden haben Erwartungen zu erfüllen. Berechtigte Erwartungen. Die Akteure des Finanzmarkts, die Allgemeinheit, alle Stakeholder müssen sich darauf verlassen können, dass wir in der Lage sind, für eine funktionierende Abwicklung zu sorgen, und so die Stabilität des Finanzmarktes zu garantieren. Seien wir ehrlich: Ganz ohne Reibungen wird es dennoch nicht gehen. Und: Natürlich müssen in der Abwicklung auch die Kosten getragen werden. Aber wir fokussieren uns darauf, dass es nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind, die an den Kosten beteiligt werden.
Liebe Gäste!
In diesem Jahr dürfen wir auch das zehnjährige Bestehen des SRM feiern, des Single Resolution Mechanism.
Der SRM ist weit vor meiner Zeit bei der BaFin gegründet worden. Als beruflich unmittelbar Betroffene habe ich sowohl die Tequillakrise - oder auch Pesokrise genannt – in Mexiko 1994/1995 als auch die Finanzkrise 2007/2008 hautnah miterlebt. Vor allem die Aufräumarbeiten in den Jahren danach. Daher habe ich die Gründung des SRM von Anfang an begrüßt. Es ist sogar mit ein Grund, warum ich heute in meiner Funktion bei der BaFin bin. Die Erschaffung des SRM war richtig, und sie war essenziell. Der einheitliche Abwicklungsmechanismus hat maßgeblich zur Sicherheit des deutschen und des europäischen Finanzmarktes beigetragen. Er stellt sicher, dass auch bedeutende Institute geordnet abgewickelt werden können. Und dass das Risiko eines staatlichen Eingriffs in Form eines Bail-out heute deutlich geringer ist. Vor der Finanzkrise 2007/2008 hatten wir diese Möglichkeiten nicht. Was wir hatten, waren ein großes Moral-Hazard-Problem und Staaten, die sich gezwungen sahen, Banken zu retten. Da sind wir heute deutlich weiter.
Es ist im Interesse der Finanzstabilität richtig, dass wir taumelnde Banken abwickeln, gegebenenfalls restrukturieren und die Eigentümer und Gläubiger an den Kosten beteiligen. Der europäische Gesetzgeber hat mit dem Abwicklungsregime die passenden Instrumente dafür geschaffen.
Wir werden heute über die aktuelle Reform des europäischen Rahmenwerks sprechen. Abwicklung auf der einen Seite und Einlagensicherung auf der anderen Seite stehen in Wechselwirkung. Beide Regelungsbereiche werden auf europäischer Ebene seit einiger Zeit im CMDI-Review gemeinsam diskutiert.
Für einfache Antworten ist dieses Thema viel zu komplex. Ich denke, wir sind uns aber einig: Das übergeordnete Ziel der Abwicklung ist, die Finanzstabilität zu sichern. Eine Gefahr für die Finanzstabilität besteht nach meiner Überzeugung nicht nur bei einem Ausfall sehr großer Institute.
Für mich bleibt zentral: wie sichern wir die Finanzstabilität und wen oder was müssen wir dabei schützen? Gleichzeitig müssen wir mitdenken, dass außer dem Abwicklungsregime weitere Schutzmechanismen wie Einlagensicherung oder geordnete Insolvenzverfahren bestehen.
Heute haben wirdie Gelegenheit, in einer Paneldiskussion zum CMDI-Review zu den Vorschlägen ins Gespräch zu kommen.
Liebe Gäste!
Was die Regulierung angeht, wissen wir noch nicht genau, was die Zukunft bringt. Anders sieht es in der praktischen Arbeit aus. Unter der Leitung von Dir, Dominique, hat der SRM in einem neuen Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre seine Schwerpunkte gesetzt. Die SRM Vision 2028 verlangt uns einiges ab. Es besteht aber keinerlei Zweifel, dass wir unsere Anstrengungen zur Operationalisierung von Abwicklungsstrategien weiter verstärken müssen. Operationalisierung der Abwicklungsplanung heißt: Der Teufel steckt im Detail. Hier können wir gemeinsam noch besser werden.
Denn, wie eingangs gesagt: Das Vertrauen in eine glaubwürdige Abwicklung ist essenziell für stabile und sichere Finanzmärkte. Und damit, lieber Dominique, übergebe ich Dir das Mikrofon und freue mich auf Deinen Beitrag. The floor is yours.